Aber zunächst einmal war es eine Naturkatastrophe, die sich in Japan ereignet hat, kein Unfall. Reuters verbreitet das Bild einer Frau, die vor Trümmern kauert und weint.
Man kann es sich nicht wirklich vorstellen, was es bedeutet, wenn das Leben Tausender Menschen zerstört wird. Schließlich ist man meist vollauf damit beschäftigt, das eigene einiger Maßen auf die Reihe zu bekommen. Das Bild der weinenden Frau aber vermittelt einen Eindruck des ganzen Leids und der Hilflosigkeit, die die Menschen in Japan dieser Tage erfahren.
Insofern hat die Physikerin und Bundeskanzlerin Angela Merkel recht, wenn sie sagt, dass man den Naturkräften nicht mit Hybris begegnen darf. Sie forderten einem “ein Stück Demut” ab, wie Merkel es formuliert.
Praktisch gehört dazu vor allem die realistische Einschätzung, inwieweit sich Naturkräfte beherrschen lassen, also von Technologie. Viele Naturkräfte sind beherrschbar. Das macht die menschliche Zivilisation aus.
Und die größten Anstrengungen wurden bislang darauf verwandt, atomare Kräfte zu beherrschen. Die Geschichte der deutschen Grundlagenforschung ist eine Geschichte der Kernforschung. Das Münchner Helmholtz Zentrum und die Großforschungseinrichtungen in Karlsruhe und Jülich hießen ursprünglich Gesellschaft für Strahlenforschung und “Kernforschungszentrum”.
Die Nutzung der Kernenergie ist das Ergebnis eines gewaltigen gesellschaftlichen Kraftakts, der weit über den Forschungsbereich hinausgeht. Die größten Polizeieinsätze hierzulande wurden gefahren, um den Bau von AKWs durchzusetzen. Und noch heute verbreiten Kraftwerksbetreiber und ihre Vereinigungen in der Manier von Kinderverderbern “Informationen” über die angebliche Sicherheit von Atommeilern.
Als “Zwiebelschalen-Prinzip” bezeichnen die kostenlosen Unterrichtsmaterialien des Informationskreises Kernenergie die Abfolge von Brennstabhülle, Leichtwasser, Reaktordruckbehälter und Containment. Und Swissnuclear hat sich dafür gar das niedliche Wort “Babuschka-Prinzip” einfallen lassen. Das sind diese hübschen, ineinander gesteckten, russischen Holzpuppen.
EnBW schreibt von “inhärenter Sicherheit: Schutz durch Naturgesetze der Physik”. Bei Kühlmittelverlust kommt die nukleare Kettenreaktion zum Erliegen, weil das Wasser nicht nur kühlt, sondern auch Protonen moderiert, damit die Atomkerne spalten können.
Nicht auf der Website der EnBW findet sich hingegen der Begriff “Kernschmelze”. So nennt man das, wenn sich nicht gekühlte Brennstäbe verflüssigen und sich dann durch alle Zwiebelschalen und Babuschkas schmelzen. Eventuell brauchen sie dann auch gar kein moderierendes Wasser mehr für eine Kettenreaktion.
Derartiges wäre allerdings keine Naturkatastrophe, sondern ein verheerender Unfall, genauer: mehr als der GAU, der größte anzunehmende Unfall, für den die Sicherheitsvorkehrungen von AKWs ausgelegt sind. Daraufhin sollen sieben von 17 deutschen Kernkraftwerken jetzt untersucht und deshalb erst einmal abgeschaltet werden. Das ist gut, wenn man aus der anstehenden Prüfung die richtigen – und naheliegenden – Schlüsse zieht.
“Jawohl, wir wissen, dass wir auch ein Stück weit in Gottes Hand sind”, sagt die Bundeskanzlerin. Man muss es wohl so formulieren, wenn man Mitglied in einer Partei ist, die die hierzulande vorherrschende Religion im Namen trägt.
Und wenn’s um Naturkatastrophen geht, kann man das durchaus auch so sehen. Aber wenn’s um Technik geht, darf man sich in niemandes Hand begeben, weder in die Gottes, noch in die von Leuten, die ein großes Interesse daran haben, dass eine Technik als unverzichtbar gilt.
Jahrelang wurde behauptet, die hiesige Stromversorgung breche zusammen, wenn man in größerem Umfang AKWs vom Netz nimmt. Jetzt kann man auf Schaubildern in jeder Zeitung sehen, dass wenn man die Hälfte der Meiler abschaltet, lediglich die Überkapazitäten reduziert werden.
Diese Erkenntnis ist in den vergangenen Tagen Allgemeingut geworden. Allerdings in einer wirklichen Zivilgesellschaft hätte es dazu nicht einer verheerenden Naturkatastrophe bedurft. Und Hochtechnologie geht nur in der Zivilgesellschaft. Die lässt sich durch Gottvertrauen nicht ersetzen.
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Wir testen alle erdenklichen Fehlerfälle
Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Heute morgen gab es im Frühstücksfernsehen einen Beitrag über Simulationen eines Kraftwerks und da war diese Satz zu hören. Und der schließt auch gleich ein, dass es Undenkbares gibt. Und genau das ist unsere Herausvorderung auch bei Innovationen, die wir nicht denken können, die zufällig passieren, wie jetzt die Naturkatastrophe, die Situationen erzeugt, die nicht vorher gedacht werden konnten.
Daher kann ich mich nur anschließen: wir dürfen eine solche Technik nicht betreiben und schon gar nicht hoffen, dass Gott schon über uns wachen wird.
http://faszinationmensch.wordpress.com/2011/03/13/kernkraftwerke-und-warum-es-ein-wiegen-in-sicherheit-nicht-geben-kann/