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Serious Games waren gestern: Jetzt kommt Gameification


Ein etwas ironisches Beispiel für die Idee der Gameification. Quelle: Forrester Research

Zugegeben, dieser Einstieg ist etwas ungewöhnlich. Es soll der glücklose Versuch sein, das Prinzip der Gameification zu bebildern. Aber, den ersten Level haben Sie ja bereits geschafft. Kurz gesagt, Gameification soll die reale Welt der Arbeit in die Welt eines Spiels übertragen. Oder besser, Gameification reichert den Arbeitsalltag mit einem “Spiel” an.

Seit es das Online-Rollen-Spiel “World of Warcraft” gibt, haben die Teilnehmer mehr als 50 Milliarden Stunden in dieser virtuellen Welt verbracht und dort Abenteuer erlebt, aber auch schwierige Aufgaben erledigt. Manche Menschen spielen sogar so lange eine Aufgabe, bis sie tot vom Stuhl fallen. Sicher, solche extreme Fälle sind eher die Ausnahme, aber es gibt sie und es zeigt, dass ein Spiel offenbar die Produktivität und die Bereitschaft, eine Aufgabe zu erledigen, enorm steigern kann. Warum also nutzen wir diese Mechanismen nicht, um Menschen zur Arbeit anzuspornen?

Seit dem 20. Januar ist in den USA das BuchReality is Broken: Why Games Make us Better and How they Can Change the World” von der Spiele-Entwicklerin Jane McGonigal zu haben. McGonigal hatte zum ersten Mal 2008 ihre Idee der Gameification vorgestellt.

Anders als bei Serious Games aber geht es bei der ‘Verspielung’ nicht darum, ein Plan-Spiel aufzusetzen, eine neue Perspektive anzubieten. Der Forrester-Analyst Tom Grant hat sich in einer Untersuchung mit dem Thema auseinander gesetzt. In einem Blog zeigt Grant am Beispiel eines Entwickler-Teams, das eine veraltete Anwendung neu programmieren muss, wie mit einem Serious Game die Entwickler zusammen mit dem Unternehmen diejenigen Features ausgemacht haben, die relevant sind.

Aber Serious Games können noch mehr: Sie können für die Schulung eingesetzt werden, können wie etwa Planning Poker bei der Schätzung oder der Planung helfen, oder können Anstöße für eine Roadmap liefern, wie etwa Prune The Product Tree. Andere Spiele nutzen die Effekte von Croudsourcing. Hier scheint tatsächlich in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung eingesetzt zu haben. Immer häufiger werden solche Spiele auch tatsächlich und erfolgreich genutzt.

“Wenn ein ernsthaftes Spiel einer Stadtverwaltung dabei hilft, besser mit den Einwohnern zu arbeiten, oder eine Budget-Krise zu bewältigen, sollten sich doch damit auch eine Reihe von anderen Problemen beheben lassen”, glaubt Grant. Militärisches Training, Schulungen, Karriereentwicklung und natürlich der gesamte Bildungssektor könnten von solchen Spielen profitieren.

In einer Buchbesprechung wird Gameification als “antiexkapitisches” Konzept umschrieben, bei dem Spiele in die echte Welt übertragen werden und nicht anderes herum. Zurück zu World Of Warcraft (WoW). McGonigal glaubt, dass Menschen das Spiel spielen, weil sie hier Bedürfnisse befriedigen können – hier können sie Erfolgserlebnisse haben, die ihnen in der echten Welt vielleicht verwehrt sind. Wer also daraus ein Spiel macht, Microsoft Office zu nutzen, wird vielleicht den einen oder anderen besser motivieren können, meint McGonigal.

Grant jedoch sieht erhebliche Schwierigkeiten. Das Entwicklerteam aus dem ersten Beispiel würde sich dann nicht Gedanken machen, welche Features man zuerst entwickeln sollte, sondern würde für besondere Leistungen ein bestimmtes Belohnungssystem präsentiert bekommen. Kann das funktionieren?

Kann man damit wirklich jeden Mitarbeiter erreichen? Vielleicht bewirkt man mit einem Spiel ja auch genau das Gegenteil dessen, was man eigentlich erreichen will. Wer die ausgefeilte Welt von WoW gewöhnt ist, wird sich mit einem “World of Office-Kraft” nicht hinterm Ofen hervorlocken lassen. Wäre es nicht besser andere Anreize für einen Mitarbeiter zu schaffen, wie zum Beispiel Lob, Beförderungsaussichten, als diesen in einem Spiel zu virtualisieren und fiktionalisieren?

Bleiben wir bei den Entwicklern. Versionierungs-Tools bemessen ja bereits den Fortschritt eines Entwicklers, im Grunde kann er ja so zeigen, wie viele Code-Linien er geschaffen hat. Misst er sich in einer direkten Konkurrenz-Situation mit einem Kollegen, schreibt er vielleicht eine Zeile ohne die nötige Sorgfalt, nur um damit den ‘Gegner’ quantitativ zu überflügeln. Und letztlich sollte es doch darum gehen, gute Arbeit abzuliefern und nicht ein Spiel zu spielen.

“Gameification könnte die Mitarbeiter beleidigen, anstatt sie zu motivieren”, fürchtet Grant. Ein Serious Game begleitet den Arbeitsalltag nur für einen bestimmten Abschnitt, es bietet eine neue Perspektive und verbessert vielleicht auf diese Weise den Ablauf. Gameification hingegen wird permanent oder über Wochen oder Jahre in den Alltag implementiert und man kann sich nicht sicher sein, dass damit jeder dauerhaft motiviert wird. Für einige Mitarbeiter wäre es vielleicht auch ein Zeichen, dass das Management einen nicht ganz ernst nimmt.

Dennoch, es steckt ein gewisses Potential in Gameification. McGonigal experimentiert zum Beispiel mit einem multimedialen Storytelling. Eine Geschichte, eine Fiktion könnte nach Vorbild von Rollenspielen einen “drögen” Alltag aufmischen. Doch noch steckt dieses Konzept in seinen Kinderschuhen. Es wird noch eine Weile dauern und vor allem wird man Beispiele aus der realen Arbeitswelt brauchen, in denen eine spielerische Virtualisierung geholfen hat. So lange wird Gameification ein interessanter Denkanstoß bleiben.

Silicon-Redaktion

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