ITK-Branche: Führung ohne Frauen

Diese Selbstverpflichtung gilt als gescheitert – nun wird in der Bundesregierung darum gestritten, in welche Richtung künftige Initiativen gehen sollen. Das Berliner Treffen war eine Idee von Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Mit dabei waren Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich vor kurzem noch gegen Frauenquoten aus. Schröder warb jetzt für ihren sogenannten Stufenplan. Dieser sieht für jedes Unternehmen eine unterschiedliche “Flexi-Quote” vor – und Sanktionen, falls der Anteil der Frauen in Führungsgremien bis 2013 nicht verdreifacht wird. BMW-Personalvorstand Harald Krüger sagte dazu, die Unternehmen hätten diesen Plan “nicht in allen Stufen bestätigt”. Die Personalvorstände erklärten jedoch, dass sich jedes Unternehmen noch in diesem Jahr auf eine selbst definierte Quote festlegen wolle.

Ursula von der Leyen diagnostizierte nach dem Treffen eine mangelnde Unterlegung der gemeinsamen Erklärung mit Zahlen, Strategien und Zielen. Im Vorfeld hatte sie die Bilanz von zehn Jahren Selbstverpflichtung der Wirtschaft als “bitter” bezeichnet. “Der Mittelstand hat gut aufgeholt, aber bei den großen Dax-Unternehmen hat sich quasi null Komma nichts getan”, sagte von der Leyen. Im Mittelstand, im öffentlichen Dienst und in der Politik sei mittlerweile ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht und überschritten. “Es wird Zeit, dass die großen Unternehmen nachziehen.”


Angelika Dammann, Bild: Unilever

In Berlin war auch die SAP-Personalchefin Angelika Dammann dabei – die eine Frauenqoute ablehnt. “Ich bin gegen eine Quote, weil sie zu kurz greift. Wir brauchen eine gesellschaftliche Bewusstseinsänderung, zu der alle beitragen”, sagte Dammann. Es könne nicht sein, dass es die deutsche Politik und Wirtschaft nicht schaffe, Frauen und Männern flexible Tätigkeiten anzubieten und Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder zu schaffen. “Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam, also die Dax-Vorstände und die Politiker, eine Strategie entwickeln”, so Dammann.


Grafik: StepStone

Die Ablehnung der Frauenquote hat Dammann mit 6496 Führungskräften aus acht Ländern Europas gemein, die von der Online-Jobbörse StepStone befragt wurden. Das Ergebnis für Deutschland: 65 Prozent der Befragten sind gegen eine solche Quote, nur gut jeder Dritte (35 Prozent) befürwortet sie. Weiter gaben 15 Prozent der Befragten an, dass der Mindestanteil weiblicher Mitarbeiter bei ihrem Arbeitgeber bereits festgelegt sei. Bei der großen Mehrheit der Führungskräfte (85 Prozent) gibt es hingegen keine solche Richtlinie.

Die Deutsche Telekom hatte bereits im März 2010 angekündigt, bis Ende 2015 weltweit 30 Prozent Frauen in Führungspositionen zu bringen. “Ich habe immer gesagt, dass eine gesetzliche Quote nur Ultima Ratio sein kann”, sagte Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger jetzt. Sattelberger sprach sich für eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft mit klaren und messbaren Zielen aus. Wenn die Dax-30 Konzerne nicht handelten, dürften sie sich nicht beschweren, wenn der Gesetzgeber handele.

Der Wirtschaftsprüfer PwC hat die DAX-30-Vorstände im Vorfeld des Berliner Gipfels unter die Lupe genommen. Demnach sind unter 500 Aufsichtsratsmitgliedern derzeit nur 67 Frauen. Von den 67 Frauen vertreten 47 die Arbeitnehmer, 20 wurden von den Anteilseignern gewählt. Viele DAX-Unternehmen wollten den Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten nun steigern, sagte Henning Hönsch, Aufsichtsratsexperte bei PwC. “Mit im Schnitt knapp 20 Prozent ‘Zielquote’ dürften die Konzerne jedoch hinter den politischen Erwartungen zurückbleiben.” Für Deutsche Telekom, Infineon, SAP und Siemens hat PwC ermittelt:

Unternehmen Größe des Aufsichtsrats Frauen Anfang 2011 Frauen Ziel Zeitrahmen
Deutsche Telekom 20 4 6 2015
Infineon 12 2 2 nicht definiert
SAP 16 1 2 2012
Siemens 20 4 4 nicht definiert

Tabelle: PWC
Quelle: Bis zum 29. März 2011 veröffentlichte Geschäftsberichte

“In der Hightech-Branche sind Frauen drastisch unterrepräsentiert”, sagte Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer anlässlich des Spitzentreffens. “Wir brauchen mehr Expertinnen mit technischen Qualifikationen und Frauen in Führungspositionen.” Der Verband kündigte die Initiative Frauen in die IT an. Zu den geplanten Maßnahmen gehören ein freiwilliger Kodex für die Unternehmen, Praxis-Leitfäden sowie ein Preis, mit dem künftig einmal jährlich Frauen für herausragende Leistungen im Hightech-Sektor ausgezeichnet werden. Zudem erhalten Expertinnen und Managerinnen im Bitkom eine Plattform für den Aufbau eines eigenen Netzwerkes.

Nach einer Analyse der Personalberatung Kienbaum für den Bitkom sind derzeit lediglich 17 Prozent aller IT-Experten in Deutschland Frauen. Nur 6 Prozent der Führungspositionen im IT-Bereich sind von Frauen besetzt. “Der geringe Frauenanteil bei IT-Experten verwundert nicht, denn nur wenige Frauen absolvieren eine Berufsausbildung oder ein Studium in diesem Bereich”, sagte Scheer. Lediglich 18 Prozent aller Studienanfänger in der Informatik seien weiblich. Bei den IT-Ausbildungsberufen seien es sogar nur 9 Prozent.

Scheer: “In dieser Situation sind hohe, gesetzlich festgelegte Quoten für Frauen in Führungspositionen in der ITK-Branche kaum zu erreichen.” Selbstverpflichtungen seien insbesondere für die vielen mittelständischen Hightech-Unternehmen der bessere Weg. Scheer appellierte zudem an die Politik, die Betreuung für Kinder und Jugendliche zu verbessern: “Die besten Firmenprogramme helfen wenig, wenn Betreuungsangebote fehlen, um Familien mit berufstätigen Eltern zu entlasten.”

Silicon-Redaktion

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