Siemens Schmiergeldaffäre: Erster Topmanager vor Gericht

Darüber hinaus gibt es noch andere Gründe, die den Fall Ganswindt spektakulär machen. Im Gegensatz zu seinen ehemaligen Chefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld, weigert er sich Schadensersatz an seinen ehemaligen Arbeitgeber zu zahlen. Stattdessen will Ganswindt öffentlich für den Beweis seiner Unschuld kämpfen.

Auch sind die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegen den 50-Jährigen erhebt, anders gelagert als das etwa in einer Reihe von Verfahren gegen frühere Konzernmitarbeiter unterer Ebenen der Fall war. Ganswindt muss sich nicht wegen Bestechung verantworten. Auch wird ihm nicht vorgeworfen, andere Mitarbeiter zur Bestechung angestiftet zu haben.

Diese Vorwürfe sind schon seit langem vom Tisch. Die Ermittlungen gegen den Manager – 2006 saß er zehn Tage in Untersuchungshaft – hatten keine Anhaltspunkte in diesem Richtung ergeben.


Thomas Ganswindt gilt als der Unbeugsame.
Foto: TU München

Und so geht es nun um die Frage, ob Ganswindt als Chef der Siemens-Telekommunikationssparte genügend aufgepasst hat oder Warnsignale übersehen hat, die ein Manager hätte sehen müssen. Die Staatsanwaltschaft argumentiert: Wäre der Topmanager “den Anhaltspunkten für Korruptionstaten nachgegangen und hätte entsprechende disziplinarische Maßnahmen ergriffen”, wären weder schwarze Kassen geführt noch Bestechung möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft ist zu dem Schluss gekommen, dass Thomas Ganswindt seine Aufsichtspflicht vorsätzlich verletzt hat. Er habe weggeschaut, wo er Korruptionsdelikte hätte entdecken und verhindern können.

Ganswindt selbst sagt, er ist unschuldig und will freigesprochen werden. Auch Ganswindts Anwalt Kurt Bröckers kann die Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehen. “Bislang wurden eine ganze Reihe entlastender Umstände nicht berücksichtigt”, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Diverse betriebsinterne Untersuchungen hätten zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf Korruption ergeben.

Konkret geht es der Staatsanwaltschaft zum Beispiel um Computer, die 2003 für die Ausstattung eines Museums geschenkt wurden, um einem russischen Auftraggeber entgegenzukommen. Oder um die indirekte Zahlung hoher Summen an Minister, Rechtsberater und andere wichtige Entscheidungsträger in Nigeria. Die Anklagebehörde macht Ganswindt zudem “mittelbar” dafür verantwortlich, dass dem deutschen Staat Steuergelder entgingen, weil Siemens Gelder für fingierte Beraterverträge als Betriebsausgaben von der Steuer absetzte.

Dementsprechend wird Ganswindt nicht nur wegen Verletzung der Aufsichtspflicht sondern auch wegen schwerer Steuerhinterziehung “in mittelbarer Täterschaft” angeklagt. Auch diesen Vorwurf bestreitet Ganswindts Anwalt Kurt Bröckers. Prozessbeobachter merken zudem an, dass die Anklageschrift zahlreiche Spekulationen enthält und belastbare Beweise für eine strafrechtliche Schuld fehlen.

Ursprünglich hätte der Fall Ganswindt bereits im Januar vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I verhandelt werden sollen. Doch der Prozess war damals am ersten Verhandlungstag bereits nach wenigen Minuten unterbrochen worden. Ganswindts Anwälte monierten erfolgreich, dass die Wirtschaftsstrafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern besetzt war. Zu wenig angesichts der Komplexität des Verfahrens, argumentierten sie.

Ab diesem Dienstag wird also neu verhandelt. Möglicherweise ist das der Auftakt zu einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen Thomas Ganswindt und dem Konzernriesen.

Silicon-Redaktion

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