CIO Jury: Brauchen Sie einen IT-Rechtsanwalt?
“Wofür braucht die Wirtschaft überhaupt IT-Juristen?”, hatte Rechtsanwalt Jürgen Beckers vor kurzem in einer Rechtskolumne für silicon.de gefragt – und wir haben diese Frage im April an unsere CIO Jury weitergegeben. Die Erfahrungen unserer CIOs bei diesem Thema sind sehr unterschiedlich.
Konkret haben wir gefragt: “Brauchen Sie einen speziellen IT-Rechtsanwalt” – und so viel sei vorab verraten: Ganz ohne maßgeschneiderte juristische Expertise kommen die wenigsten aus.
“Die spezifische Fachkenntnis ist sehr wichtig, um Verträge überhaupt im eigenen Interesse rechtssicher gestalten zu können”, sagt etwa Ralph Treitz, Vorstand der VMS AG. “Die Anwälte müssen die Brücke schlagen aus einem Themengebiet (IT), das sich nicht so ohne weiteres mit seinen Spezifika und seiner Nomenklatur in den Gesetzbüchern wiederfindet. Während auch Anwälte aus dem allgemeinen Vertragsrecht ohne große Probleme eine Vertragsverletzung eines Vertrages mit IT-Gegenständen beurteilen können, ist die Aufgabe der Vorbeugung und Gestaltung nur mit IT-Fachanwälten möglich.”
Wolfgang Kuhl, CIO bei Pharmaserv sieht das etwas anders. Er verweist unter anderem auf die einschlägige Gesetzgebung, die zum Beispiel bei Haftung und Gewährleistungsfragen, als Grundlage gilt. “Auch aus meiner Erfahrung kann ich deshalb sagen, dass man einen IT-Rechtsanwalt grundsätzlich nicht braucht.” Allerdings, so schränkt er ein, gebe es Fälle, in denen eine zusätzliche Expertise notwendig werde. Hier habe es sich aus seiner Sicht bewährt, wenn der zuständige Rechtsanwalt einen Fachanwalt hinzuziehe.
Darüber hinaus verweist Kuhl auf das Thema Beratungsbedarf. Zum einen könne ein Audit durch Fachanwälte helfen, herauszufinden, ob sich das eigene Unternehmen konform zur aktuellen Gesetzeslage verhält. “Zum anderen aber auch hinsichtlich der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, die das eigenen Unternehmen betrifft. Vor allen kleine und mittlere Unternehmen sind sich ihrer Möglichkeiten in diesem Feld gar nicht bewusst.” Am effektivsten sei hier die Vertretung über die entsprechenden Interessensvertretungen.
Für Andreas Reuter, CIO bei Senator Promotion sind IT-Anwälte, wie er sagt, kein Thema. “Insofern, als dass ich meine Verträge so aushandle, dass es im Normalfall nicht zu Unstimmigkeiten kommt. Bisher ist mir kein Problem untergekommen, für das ich einen speziellen IT-Anwalt benötigen würde.”
Christoph Grewe-Franze dagegen, CIO bei Weleda, verlässt sich gerade bei Vertragsverhandlungen nicht nur auf die eigene Expertise. “Wir versuchen sehr viel mit Standardverträgen und Formulierungen zu vereinfachen, was natürlich bei den großen Zulieferern (Microsoft etc.) nicht funktioniert.” Eine Kollegin in der Rechtsabteilung seines Unternehmens sei auf IT-Recht spezialisiert. “Wir lassen alles (Verträge etc.) darüber laufen.”
“Als IT-Dienstleister haben wir sowas eh an Bord”, sagt auch Bitmarck-CIO Andreas Strausfeld ähnlich wie Christian Ott, CIO bei Banner Batterien: “Die IT-Themen werden von unserer allgemeinen Rechtsabteilung mit bearbeitet.”
“Oft stehen einer fruchtbringenden Zusammenarbeit zwischen Juristen und Entscheidern Kommunikationshindernisse und wechselseitige Verständnisdefizite entgegen”, hatte Rechtsanwalt Beckers Ende vergangenen Jahres in seiner Kolumne geschrieben. In den meisten Firmen unserer Jury-Mitglieder hat man solche und ähnliche Hürden offenbar bereits überwunden.