“Potential im Niemandsland zwischen Business und IT”

silicon.de: Enterprise Architecture Management ist ein äußerst komplexes Thema – welchen Aspekte wollten Sie mit Ihrer Studie beleuchten?

Dr. Gerlach: Wir wollten in erster Linie beleuchten, welche praktischen Erfahrungen die Unternehmen mit der Einführung und Weiterentwicklung dieses Themas gemacht haben.

Im Allgemeinen ist die Verantwortung für Architekturfragen über diverse Rollen und auch Stellen im Unternehmen verteilt (IT-Betriebsmitarbeiter, Anforderungsmanagement, Projekt Portfolio Management, IT-Projektteams, Solution-Architekten, Infrastruktur-Verantwortliche) und das noch dazu über viele Ländergesellschaften, diverse Legal Entities und Divisionen.

Wir gingen davon aus, dass die Steuerung von Architekturthemen über so viele Stakeholder überaus komplex ist. Sprachbarrieren und Unternehmenskultur-Themen kommen noch hinzu. Umso wichtiger ist es, Best Practices und damit Orientierungshilfe zu bieten für Unternehmen, die sich mit EAM auseinandersetzen.


Dr. Dietmar Gerlach. Quelle: CTI Consulting

silicon.de: Welches Studienergebnis hat Sie selbst am meisten überrascht?

Dr. Gerlach: Die Bedeutung von Architektur-Frameworks war wesentlich geringer als ursprünglich erwartet. Gering ist auch der Brancheneinfluss auf das Architekturmanagement. Viel stärker tritt hier die Unternehmenskultur zutage. Besteht eine offene Unternehmenskultur, die den Erfahrungsaustausch fördert, ist es sehr viel leichter, ein erfolgreiches EAM zu etablieren. Wir haben auch gesehen, dass fast alle untersuchten Unternehmen große Potentiale aufweisen, aber längst nicht alle diese auch nutzen, weil der Handlungsdruck zum Beispiel durch Wettbewerb nicht sehr ausgeprägt ist.

silicon.de: Um den Reifegrad des EAM der Studienteilnehmer abzubilden haben Sie sich am Gartner Hype Cycle orientiert, inklusive “Gipfel der überzogenen Erwartungen”, “Tal der Enttäuschungen”, “Pfad der Erleuchtung” und “Plateau der Produktivität” – wo befinden sich die Unternehmen derzeit?

Dr. Gerlach: Die meisten Unternehmen betreiben Architekturmanagement bereits sehr lange implizit. Aber meistens war die Verantwortlichkeit dafür geteilt, zum Beispiel nach Infrastruktur, Applikationen und Geschäftsprozessen. Das wird der Sache nicht gerecht, weil man durch Maßnahmen hier immer nur Teiloptimierungen erreicht.

EAM stellt die einzelnen Schichten einer Architektur in einen Gesamtkontext. Voraussetzung dafür ist aber auch in einem angemessenen Maß der Einsatz von Methoden, Frameworks und EAM Governance (Spielregeln, Rollen und Verantwortlichkeiten). Dies nennen wir explizites Architekturmanagement. EAM in diesem eigentlichen Sinne wird erst seit ein paar Jahren praktiziert. Dementsprechend ist die Reife noch nicht so weit fortgeschritten.
Banken und Versicherungen, deren Primärgeschäft ohne IT nicht denkbar ist sind hier sicherlich am weitesten. Aber auch die Automobilindustrie ist aufgrund der engen Verknüpfung von Software mit automobiler Hardware weit fortgeschritten. Der Reifegrad der meisten übrigen Unternehmen (in FAME schwerpunktmäßig untersucht) ist aber eher im Mittelfeld des Hype Cycles zu finden.

silicon.de: Welchen Fehler machen CIOs bei der Einführung eines EAM bislang am häufigsten?

Dr. Gerlach: Unterschätzt wird in jedem Falle der hohe Anteil an Kommunikation der erforderlich ist, insbesondere in die Business-Bereiche. Vielfach wird der Einsatz von Frameworks überschätzt (technokratischer Ansatz). Kommunikation findet häufig nicht genügend zielgruppenspezifisch statt. Selten wird eine Stakeholder-Analyse durchgeführt und Kommunikations- und Kooperationsbedarf richtig adressiert. Verantwortlich ist in der Regel der Chief Enterprise Architect, aber ihm muss in seiner Querschnittsfunktion durch den CIO Rückendeckung gegeben werden. Sponsorship und die Vermittlung der Bedeutung des Themas Richtung CFO und CEO ist sehr wichtig.

silicon.de: Sie haben auch eine Reihe von Erfolgsfaktoren ermittelt…

Dr. Gerlach: Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind: Erstens: Verankerung des Architekturmanagements sowohl in der IT als auch in den Business-Bereichen. Zweitens: Kontinuierliche Kommunikation mit den Stakeholdern (auf ihrem jeweiligen Niveau des Wissens). Drittens: Klare strategische Vorgaben aus dem Business, von denen dann Architekturmaßnahmen abgeleitet werden können. Viertens: EAM ist ein längerfristiges Unterfangen, aber es ist wichtig immer wieder Quick-Wins zu unterstützen, damit Stakeholder bei Laune bleiben Fünftens: Die richtige Unternehmenskultur ist entscheidend, sie sollten den Austausch von Informationen unterstützen.

silicon.de: Wie sollten CIOs argumentieren, die ihren Vorstand von der Notwendigkeit eins solchen Projekts überzeugen wollen?

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Silicon-Redaktion

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