Gesetz zur Informationsfreiheit – scharfe Waffe oder Papiertiger?
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes ist vor über vier Jahren in Kraft getreten. Das Gesetz bedeutet nicht nur eine Kehrtwende im Umgang mit behördlichen Daten sondern auch eine grundsätzliche Abkehr vom Amtsgeheimnis. Doch faktisch hat das Gesetz noch nicht die Schlagkraft, die es haben könnte.
Bedeutung
§ 1 Abs. 1 IFG gesteht jedermann einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber Behörden des Bundes zu. Das heißt jeder, nicht nur jeder deutsche Bürger kann sich ohne weiteres an eine beliebige Bundesbehörde wenden und Auskunft über jedwede dort befindliche Information verlangen. Die Angabe von Gründen ist dafür grundsätzlich nicht erforderlich. Auch ist die Antragsstellung nicht an eine bestimmte Form gebunden.
Paradigmenwechsel
Der unbeschränkte Zugang zu behördlichen Informationen ist nach der deutschen Rechtstradition des Amtsgeheimnisses keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Früher galt der Grundsatz, dass Behördendaten nur ausnahmsweise und grundsätzlich nur an Verfahrensbeteiligte weitergegeben werden. Diese hatten, und haben noch immer, ein Recht auf Akteneinsicht gemäß des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Entwicklung in Deutschland
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden in Deutschland erstmals 1994 mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) geändert, das einen Anspruch auf Zugang zu umweltrelevanten Informationen verschaffte. Vor Inkrafttreten des für alle Arten von Informationen geltenden IFG des Bundes hatte es seit 1998 bereits in einigen Bundesländern (nämlich Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) Gesetze mit entsprechendem Regelungsgegenstand gegeben. Ein 1997 im Bundestag vorgelegter Entwurf wurde sehr kontrovers diskutiert. Insbesondere das Bundesministerium der Finanzen äußerte damals Bedenken. Zur Fassung in Gesetzesform kam es vorerst nicht. Weitere Entwürfe folgten 1998, 2002 und 2004. Letzterer wurde Gesetz und trat schließlich am 1.1.2006 in Kraft. Später kam auch noch das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hinzu.
Landesebene: kein bayerisches Informationsfreiheitsgesetz
In Bayern existiert bislang kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz. In einigen Gemeinden versuchte man diesen Umstand durch kommunale Informationsfreiheitssatzungen auszugleichen. In Bad Aibling und Ebersberg scheiterte dieses Unterfangen. Schwandorf verfügt hingegen bereits über eine solche Satzung. Zu bei Behörden des Freistaats Bayern befindlichen Informationen bleibt der Zugang aber bis auf Weiteres verschlossen.
Welche Behörden sind auskunftsverpflichtet?
Einer Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach dem IFG unterliegt eine Bundesbehörde nur, wenn und soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Darunter fallen insbesondere nicht parlamentarische Aufgaben und Rechtsprechung. Von der Auskunftspflicht ebenfalls ausgenommen sind Kreditinstitute des Bundes.
Zuständigkeit
Die Informationsfreiheit fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Seine Aufgabe ist es, den Informationsfreiheitsgesetzen zur Durchsetzung zu verhelfen. Er sieht das Recht auf Informationsfreiheit als eine wichtige Voraussetzung für Transparenz und Bürgerbeteiligung an. Es sei “Ausdruck eines veränderten Staatsverständnisses”. Partizipation spiele eine immer wichtigere Rolle und Voraussetzung dafür sei eben der Zugang zu Informationen (vgl. dazu die Rede von Peter Schaar am 1. Oktober 2010 bei der Friedrich Ebert-Stiftung).
Herausgabe auch nachteiliger Informationen
Umstritten ist die Frage, ob die Behörden auch solche Informationen herausgeben müssen, die gegen sie verwendet werden können. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BFDI) und auch die herrschende Meinung in der Literatur beantworten die Frage mit einem klaren “Ja”.
Erster Prüfstein: Toll Collect
Eine erste Bewährungsprobe für das neue Informationsfreiheitsgesetz waren die Maut-Verträge zwischen der Bundesregierung und der Betreiberfirma Toll Collect. Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss stellte Anfang 2006 einen Antrag auf Einsicht in den Vertrag mit Toll Collect, den die Bundesregierung geheim hielt. Die Auskunft wurde verweigert mit der Begründung, es seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen und nachteilige Auswirkungen auf das schiedsgerichtliche Verfahren seien zu befürchten. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kam nach einer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass diese Gründe nur für Teile der begehrten Informationen greifen würden. Das veränderte Regel-Ausnahme-Verhältnis fand bei der damaligen Entscheidung noch nicht ausreichend Berücksichtigung.
Ausnahmen
Das IFG enthält Beschränkungen des Auskunftsanspruchs (§§ 3 bis 6) für die Fälle, in denen Interessen Betroffener entgegenstehen. So besteht kein Anspruch, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten Dritter Gegenstand des Auskunftsersuchens sind. Ist der behördliche Entscheidungsprozess behindert oder stehen öffentliche Belange entgegen, ist der Anspruch ebenfalls ausgeschlossen.
Verweigerung der Auskunftserteilung ist ultima ratio
Bevor die Erteilung einer Auskunft aufgrund entgegenstehender Rechte Dritter vollumfänglich verweigert wird, ist zu prüfen, ob den Schutzbelangen nicht dadurch Rechnung getragen werden kann, dass nur ein Teil der Informationen herausgegeben oder, anstatt Kopien mitzugeben, lediglich ein Einsichtsrecht (§ 1 Abs. 2 IFG) gewährt wird.
Verhältnis zum Datenschutz
Für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bilden Datenschutz und Informationsfreiheit “zwei Seiten einer Medaille”. Es gilt auch hier der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Rechte Anderer verletzt werden. Das heißt, übertragen auf das Verhältnis von Datenschutz und Informationsfreiheit, dass Auskunft nur insoweit zu erteilen ist, als nicht unzulässig personenbezogene Daten Anderer preisgegeben werden.
Informationen dürfen nur dann herausgegeben werden, wenn das Interesse an den Informationen das Interesse am Schutz der personenbezogenen Daten überwiegt (§ 5 Abs. 1 IFG), was einen prinzipiellen Vorrang des Datenschutzes bedeutet. In diesem Sinne hat auch der Europäische Gerichtshof entschieden. Hiernach hat der Auskunftbegehrende Gründe darzulegen, weshalb er die betreffenden Informationen benötigt oder es muss die Zustimmung der betroffenen Personen vorliegen.
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Unternehmen haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass bestimmte Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, zum Beispiel Kundenlisten oder Bezugsquellen, die sie den Behörden mitteilen mussten. Dem steht mitunter der Anspruch auf freien Zugang zu Behördeninformationen entgegen. Anders als für personenbezogene Daten fehlt es für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an einer Abwägungsklausel. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, welches Interesse grundsätzlich höher zu bewerten ist.
Weitere Beschränkung des Anwendungsbereichs
In der Diskussion ist derzeit, eine Kategorie von Informationen aus dem Anwendungsbereich des IFG auszunehmen. Sämtliche Informationen aus dem Bereich der Finanz-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht sollen fortan gesperrt werden (vgl. BT-Drucksache 16/11613, S. 64).
Kosten
Sofern eine Behörde dem Auskunftsbegehren stattzugeben hat, sind die zu erteilenden Informationen nicht kostenlos. Wenn es sich nicht um eine einfache Auskunft handelt, erhebt die auskunftsverpflichtete Behörde Auslagen und Gebühren. Genaueres zur Kostenerhebung nach dem IFG regelt die Informationsgebührenverordnung (IFGGebV) des Bundesinnenministeriums, die als Anlage ein Gebühren- und Auslagenverzeichnis enthält.
Zu hohe Kosten
Obwohl durch die Höhe der erhobenen Kosten der Auskunftsanspruch nicht faktisch entwertet werden darf, sind diese mitunter ziemlich hoch. Es wurde sogar die Bezeichnung “Strafgebühr” verwendet. Erscheinen die verlangten Auslagen und Gebühren unverhältnismäßig, kann der Kostenbescheid zunächst durch Widerspruch bei der Behörde, sodann auch vor Gericht angegriffen werden. Das Münchener Verwaltungsgericht (Urteil vom 15.11.2010, Az.: M 18 K 08.5934) hat einen Kostenbescheid, aufgeboben, weil bei dessen Erlass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet worden war.
Praktischer Anwendungsbereich
Im November des vergangenen Jahres verklagte der Asse Untersuchungsausschuss das Kanzleramt auf Grundlage des IFG auf Herausgabe der Akten zum Atommülllager Asse, die seit einem Jahr zumindest größtenteils verweigert wird.
Werkzeug für Journalisten
Ein wirkungsvolles Werkzeug stellt das IFG für Journalisten dar. Sie können, wie jeder andere Interessierte auch, zum Beispiel Auskunft zu Haushaltsausgaben von Parlamentariern verlangen. So geschehen in einem Fall, den das Verwaltungsgericht Berlin am 11.11.2010 zu entscheiden hatte. Dabei ging es um das Auskunftsersuchen eines Journalisten bezüglich der Anschaffung von teuren Füllern und Digitalkameras für Abgeordnete aus Haushaltsmitteln.
Das Gericht gab dem Bundestag auf, die ergangene Ablehnung erneut zu prüfen. Die vorgebrachten Ablehnungsgründe, der Aufwand für die Informationsbeschaffung sei unverhältnismäßig hoch und die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Lieferanten seien gefährdet, berechtigten nämlich nicht zur völligen Zurückweisung. Insbesondere hätte man die Möglichkeit gehabt, die Einwilligung der Betroffenen einzuholen.
“Befreite Dokumente”
Weil es aufgrund hoher Kosten und durch unberechtigte Verweigerung der Herausgabe von Informationen um die faktische Durchsetzbarkeit des IFG nach ihrer Auffassung noch nicht sehr gut bestellt ist, haben der Chaos Computer Club und der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs die Plattform befreite-dokumente.de geschaffen. Dort können nach Maßgabe der Informationsfreiheitsgesetze erlangte Informationen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt und eingesehen werden. Außerdem bietet die Seite Hilfestellung bei der Anforderung von Informationen.
Fazit
Die derzeit geltenden Informationsfreiheitsgesetze haben faktisch noch nicht die Schlagkraft, die sie nach den Buchstaben des Gesetzes haben könnten. Im Grundsatz entwickelt sich hier das Recht aber zu Gunsten der Antragsteller.