Deutschland bei Spitzentechnologie nur Mittelfeld


Bei Midtech ist Deutschland spitze. Doch wie lange hält der Boom hier noch an? Quelle: DB Research

Bei Midtech ist Deutschland spitze. Derzeit steigt in Schwellenländern wieder die Nachfrage nach deutscher Präzision, zum Beispiel im Maschinenbau. Doch dem steht allerdings eine Schwäche in der Hochtechnologie vor allem gegenüber den USA entgegen, heißt es in einem aktuellen Kommentar von DB Research. “So läuft die deutsche Wirtschaft Gefahr, aussichtsreiche Wachstumsfelder nicht zu besetzen und die derzeitige Dynamik in Zukunft nicht halten zu können.”

Doch weil der “Konjunkturmotor Deutschlands” auf Hochtouren läuft, scheint sich daran derzeit niemand so richtig zu stören. Schlechte Nachrichten wollen nicht zu der Tatsache passen, dass die deutsche Volkswirtschaft das Zugpferd der Eurozone war und ist und wohl auch 2011 sein wird.

Der Großteil des deutschen Wachstums stammt aus Exporten. 2010 machten Exporte an der Wirtschaftsleistung die Hälfte aus. In den USA waren es hingegen nur 10 Prozent.

Vor allem Industrieländer importieren deutsche Wirtschaftsgüter. Zwei Drittel der Exporte gehen in Industrienationen. Das Wachstum jedoch werde von Schwellenländern getrieben, erklärt Philipp Ehmer, Analyst bei DB Research. Dabei schwächelt vor allem die Eurozone, das Minus zum Vorkrisenniveau sei in dieser Region immer noch zweistellig.

Schön, wenn die Exporte steigen. Doch die Nachfrage nach dem, was derzeit das Wachstum antreibt, werde sich schon bald wieder normalisieren, da es sich hierbei meist um Investitionsgüter handelt. Maschinen, Autos oder chemische Produkte werden daher bald auch in Brasilien oder China produziert werden. Und dafür ist Midtech nötig, und die kommt derzeit zu großen Teilen aus Deutschland. Mittelfristig werden diese Schwellenländer aber technologisch aufholen und dadurch das deutsche Wachstum bremsen.


Bei Spitzentechnologien allerdings stehen die USA an erster Stelle, Deutschland ist nur Mittelmaß. Quelle: DB Research.

Doch auch wenn die Entwicklung solcher Produkte relativ anspruchsvoll ist, ist es doch noch immer weniger forschungsintensiv als Hightech-Produkte, wie Halbleiter. Die USA etwa haben ihre Stärke bei so genannten Querschnittstechnologien, die das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum beschleunigen. Und diese Querschnittstechnologien reichen von der Mikroelektronik bis hin zur Software. In diesen Hochtechnologien sei der “technologische Vorsprung gegenüber Schwellenländern” größer, daher versprechen Investitionen in Hochtechnologien auch längere Wettbewerbsvorteile.

Doch hier ist Deutschland nur im Mittelfeld zu finden. Laut Daten der OECD erbringen Hightech-Bereiche in USA und Großbritannien einen doppelt so hohen Beitrag zur Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe wie in Deutschland, wo es etwa zwischen 20 und 10 Prozent sind.

Zu Spitzentechnologie zählen Biotechnologie, Halbleiter- und Pharmaindustrie sowie Softwarefirmen und Telekommunikationsausrüster. Diese Branchen sind in einem Ranking der EU-Kommission der weltweit 2000 forschungsstärksten Unternehmen stark vertreten. Deutsche Unternehmen sind hier jedoch eher selten zu finden. Während die USA über 40 Prozent der 600 forschungsstärksten Unternehmen der Spitzentechnologie stellen, kommen nur 40 Betriebe aus Deutschland. Deutschland ist deutlich kleiner als die USA, aber auf die Größe alleine kommt es nicht an, denn aus Großbritannien sind es immerhin 75 Unternehmen, die es in die Top 600 der Forschungsgrößen geschafft haben.

Eine Weitere Studie von Deutsche Bank Research erklärt diesen Vorsprung mit der größeren Wertschätzung für Forschung an der Börse. Je mehr ein Unternehmen in Forschung und Entwicklung investiert, desto attraktiver ist es für die Anleger an den Börsen. Vor allem in den USA und Großbritannien vertrauen die Anleger auf die innovative Kraft von Forschungsinvestitionen.


F&E-Elastizität ist der Zusammenhang zwischen Forschungsinvestitionen und Marktkapitalisierung. DB Research sieht einen eindeutigen Zusammenhang: Wer mehr investiert, ist auch an der Börse mehr wert.

Eine andere Erklärung, warum sich deutsche Software-Unternehmen weiterhin schwer tun, liegt auch in der Förderpolitik der Bundesregierung, die zwar Fördergelder vergibt, diese dann aber in einigen großen ‘Leuchtturm-Projekten’ landen. Das bedeutet in der Folge, dass wiederum die wenigen großen Anbieter, häufig angloamerikanischen Ursprungs, von solchen Projekten profitieren.

Der deutsche IT-Mittelstand ist daher weitgehend von solchen Fördermöglichkeiten abgeschnitten. “Neben dem unabhängigen IT-Mittelstand gibt es auch eine Vielzahl ‘abhängiger’ mittelständischer IT-Unternehmen, die ihre Lösungen allein auf der Basis von Produkten der IT-Industrie – wie etwa SAP, Microsoft, Oracle aufbauen und sich dadurch in ein enges Abhängigkeitsverhältnis begeben”, beklagt das Positionspapier des BITMI, dem deutschen Dach- und Branchenverband mittelständischer IT-Anbieter. Durch diese funktionalen Zwänge sei eine “Monokultur” bereits vorprogrammiert, die “eine freie Entwicklung von IT-Lösungen nahezu verhindert und die Innovationskraft wesentlich hemmt”, kritisiert der Verband. Sind junge Unternehmen erfolgreich, werden sie häufig von der IT-Industrie aufgekauft.

Zu wenig Kapital nennt Fraunhofer Venture als einer der Gründe, warum in Deutschland so wenige Gründungen stattfinden. Laut Fraunhofer Venture sei das Investitionsvolumen in Hightech-Unternehmen im Krisenjahr 2009 um 70 Prozent zurück gegangen. In den USA belief sich der Rückgang jedoch nur auf 28 Prozent.

Es scheint nicht gut bestellt um die Innovationskultur in deutschen Landen. “Auch in den Jahren zuvor scheuten sowohl deutsche als auch internationale Geldgeber eine Investition in deutsche Start-ups, insbesondere in der Frühphase”, sagte Thomas Doppelberger, Leiter von Fraunhofer Venture. Der Grund: Seed-Finanzierungen, also Investitionen in einer sehr frühen Phase der Unternehmensgründung, sind mit besonders hohen Risiken verbunden und zahlen sich zu selten für den Investor aus.

Ein weiterer Hinderungsgrund sei die kleine Auswahl an Unternehmen. Investoren ziehen es daher vor, in andere Unternehmenskonzepte Risikokapital zu pumpen. Und das wird sich in den Augen Doppelbergers auch so schnell nicht ändern: “Ich erwarte in den nächsten Jahren nur sehr wenige Hightech-Neugründungen aus Deutschland.”

Die Forderung Achim Bergs, damals noch in der Rolle des Deutschland-Chefs von Microsoft, junge Technologieunternehmen in den ersten zehn Jahren von Steuern und Sozialabgaben zu befreien, und Investitionen in Forschung und Entwicklung zu fördern, verhallte leider ebenso wirkungslos wie die Tatsache, dass die Bedeutung von Start-ups im Hochtechnologiebereich im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde.

Und wenn ein Unternehmer doch den Mut findet, ein Unternehmen zu gründen, dann wird er dennoch Probleme haben, die richtigen Mitarbeiter zu finden, denn kaum sind die schlimmsten Folgen der Wirtschaftskrise überstanden, taucht das alte Problem des Fachkräftemangels wieder auf.


2008/2009 waren die Hightech-Gründungen in Deutschland auf dem Tiefpunkt.
Silicon-Redaktion

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