Die Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und Microsoft dauert schon so lange, dass man sie fast als “traditionell” bezeichnen könnte. Bereits im Juli 2000 hatte Brüssel gegen Microsoft eine Untersuchung wegen angeblichen Marktmissbrauchs eröffnet. Der Konzern stand unter Verdacht, sein Monopol bei den Betriebssystemen auf andere Software-Märkte ausdehnen zu wollen. Im März 2004 folgte der erste Bußgeldbescheid: 497 Millionen Euro. Dagegen beantragte Microsoft beim EU-Gericht erster Instanz eine einstweilige Anordnung, doch das Gericht wies den Antrag zurück. Im September 2007 urteilte das Gericht dann, das Bußgeld sei rechtmäßig verhängt worden. Microsoft ging nicht in Berufung und zahlte.
Doch die EU-Kommission hatte im Juli 2006 bereits den nächsten Bußgeldbescheid verschickt: 280 Millionen Euro. Als Begründung hieß es, Microsoft habe die Auflagen der EU vom März 2004 in Sachen Offenlegung der Schnittstellen von Windows Server nicht erfüllt. Die Summe hatten die Brüsseler Kartellwächter wie folgt berechnet: 1,5 Millionen Euro für jeden Tag zwischen dem 15. Dezember 2005 – damals hatte die EU die Nichteinhaltung der Auflagen erstmals offiziell festgestellt – und dem 20. Juni 2006. Auch gegen dieses Bußgeld legte Microsoft beim EU-Gericht erster Instanz Einspruch ein – zog diesen jedoch ein Jahr später wieder zurück und zahlte.
Die EU-Kommission ließ derweil nicht locker und legte nach. Da Microsoft die EU-Auflagen auch zwischen dem 21. Juni 2006 bis 21. Oktober 2007 nicht erfüllt habe, verhängte die EU im Februar 2008 das dritte Bußgeld: 899 Millionen Euro. Das ist die Summe, um die es dieses Mal in Luxemburg geht – hier legte Microsoft Einspruch ein und hielt diesen aufrecht. Derzeit liegt das Geld auf einem Treuhandkonto.
Nach Angaben der Agentur dpa sagte ein Microsoft-Anwalt am ersten Verhandlungstag, das EU-Bußgeld wegen angeblich zu hoher Lizenzgebühren für technische Informationen sei unrechtmäßig. Daher müsse es annulliert werden. Von Seiten der EU-Kommission hieß es dagegen, Grundlage der Microsoft-Geschäfte sei es damals gewesen, die Anwender zu täuschen. Daher habe man einschreiten müssen.
Einige Beobachter glauben, dass Microsoft gegenüber der EU-Kommission mittlerweile viel versöhnlicher auftritt. “Das Verfahren ist ein Überbleibsel des alten, aggressiven Microsoft”, sagte die Anwältin Susanne Zuehlke, Partnerin in der Kanzlei Latham & Watkins gegenüber der Agentur Reuters. Das Unternehmen habe mittlerweile die Art und Weise drastisch geändert, in der es sich gegenüber der EU-Kommission verhalte.
Microsoft sei mittlerweile in eigenen Angelegenheiten viel kooperativer. Zudem habe sich Microsoft selbst in Sachen Wettbewerbsrecht bei der EU-Kommission beschwert [so etwa gegen Google]. Die EU verfolge Tatbestände gegen verschiedene Unternehmen – diese Verfahren nützten durchaus Microsofts Geschäftszielen, so Zuehlke.
Das Verfahren in Luxemburg ist jedoch nicht nur für Microsoft wichtig, sondern auch für andere Unternehmen, die gegen EU-Kartellstrafen vorgehen. So hat Intel im Juli 2009 beim Europäischen Gerichtshof gegen eine EU-Kartellstrafe in Höhe von 1,06 Milliarden Euro geklagt. Der Europäische Gerichtshof ist das höchste europäische Gericht, das EU-Gericht erster Instanz ist dem Europäischen Gerichtshof nachgeordnet.
Aus juristischer Sicht werde das Microsoft-Urteil wichtige Erkenntnisse darüber liefern, was die EU-Kommission tun könne, sagte der Kartellrechtsanwalt Tobias Caspary von Fried, Frank, Harris, Shriver & Jacobson gegenüber Reuters. So etwa in der Frage, bis zu welcher Höhe Bußgelder angemessen seien, wenn ein Unternehmen den Auflagen der EU-Kommission nicht nachkomme.
Laut Zuehlke wird Microsoft argumentieren, man habe von der EU-Kommission keine ausreichend klaren Instruktionen erhalten, wie den Auflagen zu entsprechen sei. “Wenn Microsoft diesen Streit teilweise oder ganz gewinnen will, muss es zeigen, dass die ersten Angebote pünktlich und im Einklang mit der Entscheidung der EU-Kommission gemacht wurden – oder dass die Kommission dazu keine Gelegenheit gegeben hat.”
Das EU-Gericht erster Instanz werde der EU-Kommission eine hohe Glaubwürdigkeit einräumen. “Wenn die Kommission keine schwerwiegenden Fehler gemacht hat, stehen die Chancen für eine Annullierung oder teilweise Reduzierung des Bußgeldes schlecht”, so Zuehlke. Das Urteil wird Ende 2011 oder 2012 erwartet.
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