Es ist daher nachvollziehbar, dass Unternehmen versuchen, diesen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Allerdings sind über Ausschreibungsverfahren und die dadurch induzierte Anbieterkonkurrenz oft erhebliche Preis- und Leistungsvorteile zu erzielen. Im Rahmen von Ausschreibungen sollte mit größter Sorgfalt agiert werden, da mit diesen die Grundlage für die spätere Leistungsfähigkeit eines IT-Systems oder IT-Services gelegt werden. Die Devise “He who fails to plan, plans to fail” gilt in besonderem Maße.
Unzulängliche oder unvollständig formulierte Ausschreibungsdokumente führen zu Ärger und erheblichem Mehraufwand für Unternehmen und Anbieter. Nach Expertenmeinung ist jede zweite IT-Ausschreibung mangelhaft und führt nicht zu den erhofften Resultaten. Untersuchungsergebnisse zeigen ferner, dass ca. 10 Prozent der ICT-Ausschreibungen zu scheitern drohen und ca. 10 bis 15 Prozent der vergebenen Aufträge nachträglich zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer führen. Über gut organisierte Ausschreibungsverfahren lassen sich diese Probleme vermeiden.
Zu unterscheiden ist zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Ausschreibungen. Öffentlich-rechtliche Ausschreibungen unterliegen dem Vergaberecht, dass durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gebildet wird. Hinzu kommen die Vergabeordnung (VgV) sowie die entsprechenden Verdingungsordnungen. Zum öffentlichen Vergaberecht zählen auch die EVB-IT, die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Auftraggeber für Informationstechnologie.
In der freien Wirtschaft stellt sich die Vergabepraxis in der Regel unbürokratischer dar. Dennoch sollten sowohl öffentlich-rechtliche wie auch für privatrechtliche Organisationen bestimmte Punkte beachten, um zu gewährleisten, dass tatsächlich die Leistungen ausgeschrieben werden, die von den Nutzern bzw. der Organisation benötigt werden. Als Faustregeln gelten hierbei:
Es sollte möglichst die angestrebte Lösung und nicht die reine Technologie ausgeschrieben werden.
Die Service-Level und Service-Charakteristiken sind in einer Leistungsbeschreibung als elementarer Teil der Ausschreibungsunterlagen klar zu definieren.
Im Rahmen der Ausschreibung sollte aus Sicht des Endanwenders gedacht werden.
Über klare Vorgaben muss gewährleistet werden, dass die erhaltenen Angebote auch vergleichbar sind.
Ein Serviceverhältnis zwischen Dienstleister und Auftraggeber sollte inhaltlich bereits im Rahmen der Ausschreibung geregelt werden.
Im Vorfeld geplanter Ausschreibung bietet sich die Durchführung begrenzter Bedarfsanalysen unter den Nutzergruppen an, um die jeweiligen Anforderungen an eine ausgeschriebene Leistung bzw. einen Service klar definieren zu können. Über die Verwendung von Benchmarks kann zudem eine erste Preisevaluation vorgenommen werden, um die späteren Angebotspreise einordnen zu können.
Der zeitliche Ablauf des Ausschreibungsverfahrens muss genau festgelegt werden, inklusive aller notwendigen Tätigkeiten, der jeweiligen Verantwortlichkeiten, aller notwendigen Dokumente sowie der zu erwartenden Ergebnisse. Dies bedeutet – neben einer realistischen Einschätzung des zeitlichen Bedarfs – vor allem die Erstellung von qualifizierten Ausschreibungsdokumenten. Hierbei ist auf eine größtmögliche Klarheit zu achten. Für beide Parteien bedeutet es immer hohen Aufwand, Lücken in den Beschreibungen nachträglich zu schließen. In der Praxis haben sich die folgenden Ausschreibungsdokumente bewährt:
Anschreiben an die Anbieter inklusive einer Teilnahmeaufforderung an der geplanten Ausschreibung
Aufforderung zur Einreichung von Eignungsnachweisen der Anbieter (inklusive Unternehmensinformationen und Referenzen)
Offizielles Angebotsschreiben
Detaillierte Leistungsbeschreibung
Leistungsmerkmale der ausgeschriebenen Leistung
Leistungsstandorte und Mengen
Indikation etwaig bestehender externer Dienstleister im Rahmen einer ausgeschriebenen Lösung
Strukturiertes Preisblatt, um die Angebotspreise detailliert gegenüber stellen zu können
Bewertungsmatrix zum Vergleich der eingegangenen Angebote
Terminplanung für das weitere Ausschreibungsverfahren
Regelungen zum Datenschutz und der IT-Sicherheit des eigenen Unternehmens
Ggfs. ein erster Vertragsentwurf für den verbliebenen engen Anbieterkreis
Dabei gilt, je strukturierter die Dokumente verfasst sind, desto besser sind die Möglichkeit deren relativ unkomplizierter Weiterverwendung im Rahmen anderer Ausschreibungen.
Der Ausschreibungsprozess sollte zweistufig erfolgen. Im Rahmen einer ersten Präsentationsrunde werden die eingegangenen Angebote gemeinsam mit den Anbietern diskutiert. Anschließend wird eine Auswahl verbleibender Anbieter getroffen mit der Aufforderung an diese, ihre Angebote entsprechend nachzubessern. Zu diesem Zeitpunkt sollte nach Möglichkeit ein vorbereiteter Vertragsentwurf verteilt werden. Die zweite Präsentationsrunde dient der Endauswahl der Anbieter. Hierbei sollte möglichst mit zwei Anbietern in finale Verhandlungen eingetreten werden, um sich Entscheidungsoptionen offen zu halten. Während dieser Phase gilt eine Zuschlags- und Bindefrist. Der Ausschreibungsprozess endet mit der Auftragsvergabe und der Erstellung des Pflichtenheftes.
Somit lässt sich der Ausschreibungsablauf in folgenden fünf Schritten zusammenfassen:
Schritt 1: Analyse und Bewertung des jeweiligen Status Quo, Ableitung zukünftiger Anforderungen.
Schritt 2: Schaffung von Marktübersicht in Bezug auf potenzielle Anbieter und Lösungen inklusive deren Eignungsbewertung.
Schritt 3: Aufwandsseitige Bewertung eines möglichen Anbieter- und Technologiewechsels bzw. einer Technologie- bzw. Serviceeinführung.
Schritt 4: Planung des Ausschreibungsablaufes, Erstellung der Ausschreibungsunterlagen.
Schritt 5: Durchführung des Ausschreibungsverfahrens inklusive der Angebotsbewertung, Anbieterauswahl und Vergabe.
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