IT-Einkaufsbedingungen ändern Preis-Leistungs-Verhältnis
IT-Einkaufsbedingungen verändern oft das zuvor auf kaufmännischer und technischer Ebene vereinbarte Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Folge: Der Lieferant akzeptiert die Einkaufsbedingungen nicht, die Vertragsverhandlungen ziehen sich in die Länge und der Projektstart verzögert sich. Doch es geht auch anders.
Ein typischer Beschaffungsprozess
Die IT-Abteilung und der Einkauf stehen mächtig unter Beschuss. Der Start für die Einführung der neuen konzernweiten Sales-Enablement-Lösung hat sich bereits um sechs Monate verzögert und die Vertragsverhandlungen mit dem Anbieter ziehen sich wie Kaugummi. “Was soll ich machen?” fragt der für den Softwareeinkauf zuständige Einkaufsmanager. “Die Lieferbedingungen des Anbieters und unsere Einkaufsbedingungen haben in etwa soviel Gemeinsamkeiten wie ein Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse mit einem Auto der Luxusklasse mit Vollausstattung und Maximalmotorisierung. Mit beiden Fahrzeugen kann man komfortabel reisen, aber mit dem Auto der Luxusklasse eben deutlich komfortabler. Dafür unterscheiden sich die Fahrzeuge aber auch erheblich im Preis. Und genau da liegt mein Problem. Wir haben für das Projekt nur ein Budget für einen Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse mit Normalausstattung und wir waren uns in den Verhandlungen mit dem Lieferanten auf der kaufmännischen und technischen Ebene einig, dass wir mit dem Auto der gehobenen Mittelklasse zu dem angebotenen Preis zufrieden sind.”
Aber wenn sich alle einig sind, warum ziehen sich dann die Vertragsverhandlungen so in die Länge? “Weil unsere Einkaufbedingungen im Hinblick auf Features, Komfort, Geschwindigkeit und Servicepaket den Wagen der Luxusklasse mit Vollausstattung und Maximalmotorisierung als Regelfall zu Grunde legen”, antwortet der Einkaufsmanager und ergänzt: “Und ich bin auf Grund unserer Konzernrichtlinien gehalten, auf unseren Einkaufsbedingungen als Vertragsgrundlage zu bestehen.” Ein Dilemma, das derjenige, der tagtäglich IT-Verträge im Enterprise-Bereich verhandelt, bestens kennt.
Die wirtschaftliche Bedeutung von IT-Einkaufsbedingungen
Die Besonderheit beim IT-Einkauf besteht darin, dass die “Ausstattungselemente” eines IT-Produktes nicht alleine durch Features und Preis, sondern eben auch durch folgende Leistungsfaktoren bestimmt werden:
- spezielle technische Anforderungen des Kunden, die in den Vorgesprächen so nicht besprochen wurden (wie z.B. Pflicht zur Aufwärtskompatibilität mit der speziellen Systemumgebung des Kunden statt Kompatibilität mit den vom Anbieter jeweils unterstützten Systemen),
- die Mitwirkungsleistungen des Kunden (wie z.B. vollständige Implementierung durch den Lieferanten mit umfangreichen Testverpflichtungen statt Installation durch den Kunden nach Schulung),
- den Umfang der Nutzungsrechte (wie z.B. unlimitierte, weltweite Konzernlizenz für alle gegenwärtigen und zukünftigen Tochtergesellschaften statt Konzernlizenz für alle gegenwärtigen Tochtergesellschaften limitiert auf max. 50.000 Named User), oder
- die vereinbarten Service Levels (24 Stunden Support mit unverzüglicher Reaktions- und Behebungszeit statt Support während der normalen Geschäftszeiten gem. den Standardfehlerklassen und -prozeduren des Lieferanten).
Die Liste der Dinge, die in den Einkaufsbedingungen stehen und maßgeblichen Einfluss auf das Preis-Leistungs-Verhältnis haben, ist lang. Die vorgenannten Beispiele haben nur exemplarischen Charakter, um aufzuzeigen, wie Einkaufsbedingungen das zuvor ausgehandelte Preis-Leistungs-Verhältnis massiv verändern können.
Für den Lieferanten macht es auf der Aufwands- und Ertragsseite einen erheblichen Unterschied, ob er auf Grund der Einkaufsbedingungen z.B. verpflichtet ist, dem Kunden eine weltweite unlimitierte Konzernlizenz für alle gegenwärtigen und zukünftigen Tochtergesellschaften einzuräumen, statt, wie angeboten, eine Konzernlizenz für alle gegenwärtigen Tochtergesellschaften limitiert auf maximal 50.000 Named User. Lizenzfolgegeschäfte mit dem Kunden und seinen weltweiten Tochtergesellschaften sind bei der ersten Variante nach dem Erstverkauf so gut wie ausgeschlossen.
Und auch ein 24-Stunden-Support mit kurzen Responsezeiten erfordert einen deutlich höheren Personaleinsatz beim Lieferanten und verändert damit das Preis-Leistungs-Verhältnis gegenüber einem Support zu den üblichen Geschäftszeiten mit Service Levels, die an den Standard-Support-Prozesse des Anbieters ausgerichtete sind, massiv.
Der Verkaufstrichter öffnet sich wieder
Werden im Rahmen des Einkaufsbeschaffungsprozesses, wie üblich, die Vertragsbedingungen als Letztes besprochen, dann verlagert man einen wichtigen Teil der Preis-Leistungs-Diskussion auf einen Zeitraum, in dem eigentlich nur noch die schriftliche Fixierung des zuvor ausgehandelten Ergebnisses stattfinden sollte.
Weil die Einkaufsbedingungen aber eben häufig gerade nicht nur das zuvor verhandelte Ergebnis definieren, sondern einem eigenen Geschäftsmodell folgen, welches so zuvor nie Gegenstand der vorgelagerten kaufmännischen und technischen Verhandlungen war, beginnt mit der Verhandlung der Einkaufsbedingungen oft erst die wahre Verhandlung über das zu kaufende IT-Produkt. Angesichts der enormen Kostenrelevanz der in den Einkaufsbedingungen enthaltenen Regelungspunkten wird damit auch nochmals heftig diskutiert und verhandelt, meist jedoch zu einem Zeitpunkt, an dem die Stakeholder bereits mental am Projektstart sind. Das verursacht enormen Druck auf die Akteure und schafft selten, eine konstruktive Arbeits- und Verhandlungsatmosphäre.
Harmonisierung von Budgeterwartung und Vertragsmodellen
Will man einen solchen Verhandlungsverlauf, bei dem sich der Verkaufstrichter an einer Stelle wieder öffnet, wo er eigentlich spitz zulaufen sollte, vermeiden, muss man die Beschaffungsprozesse mit den Vertragsmodellen harmonisieren.
Eine Möglichkeit besteht darin, das Geschäftsmodell, das den Einkaufsbedingungen zu Grunde liegt, bereits in der Ausschreibung widerzuspiegeln. Die Ausschreibung sollte dann nicht nur auf die Beschreibung von funktionalen und preislichen Anforderungen beschränkt sein, sondern auch die oft fälschlicherweise als “juristische” Vorgaben bezeichneten sonstigen Anforderungen enthalten, die Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis haben, wie z.B. Nutzungsrechte, Service Levels, Mitwirkungsleistungen oder Verantwortlichkeiten.
Eine weitere Möglichkeit zur Harmonisierung wäre, die Einkaufbedingungen an den jeweiligen Punkten, die typischerweise Einfluss auf das Preis-Leistungs-Verhältnis haben, nicht mit Maximalanforderungen zu versehen, sondern die entsprechende Leistungsdefinition in den Text der Bestellung (z.B. über variable Textbausteine) zu verlagern, um so das jeweilige Verhandlungsergebnis flexibel abbilden zu können.
In jedem Fall verringert man durch eine solche Harmonisierung der Beschaffungsprozesse mit den Inhalten der Einkaufsbedingungen die Transaktionskosten, die ansonsten durch unnötige Schleifen im Beschaffungsprozess entstehen, erheblich und fördert darüber hinaus einen stringenteren und besser planbaren Verhandlungsverlauf.