Medion wird chinesisch
Lenovo wächst und wächst. 2005 übernahmen die Chinesen das PC-Geschäft von IBM, jetzt kaufen sie den deutschen Aldi-Lieferanten Medion. Angesichts des schrumpfenden PC-Marktes erscheint dieser Schritt folgerichtig.
Lenovo bietet für alle am Markt befindlichen Papiere nach eigenen Angaben 13 Euro je Aktie in bar, was einem Plus von 29 Prozent auf den durchschnittlichen Schlusskurs der vergangenen 30 Tage entspricht. Insgesamt ergibt sich ein Kaufpreis von bis zu 629 Millionen Euro. Die Übernahme muss jedoch noch wettbewerbsrechtlich geprüft und die Mindestannahmeschwelle des Angebots erreicht werden.
Medion ist hauptsächlich für seine von Aldi vertriebenen Computer, Kameras und Navigationsgeräte bekannt. Mehrheitseigentümer und Vorstandschef Gerd Brachmann hat bereits zugestimmt, 17,75 Millionen Aktien für 230,7 Millionen Euro an den chinesischen Hersteller abzugeben. Das entspricht knapp 36,7 Prozent des Grundkapitals. Lenovo zufolge erhält Brachmann 80 Prozent in bar sowie 20 Prozent in Lenovo-Anteilen. Ziel von Lenovo ist es nach eigenen Angaben, mindestens 51 Prozent der Medion-Aktien in seinen Besitz zu bringen.
Wird die Übernahme abgeschlossen, würde dies den Marktanteil des Unternehmens in Deutschland auf 14 Prozent verdoppeln, so Lenovo. Hierzulande wäre man dann zudem der drittgrößte PC-Hersteller – nach HP und Acer. Im gesamten westeuropäischen PC-Geschäft käme Lenovo auf einen Marktanteil von rund 7,5 Prozent. Weltweit gesehen, ist Lenovo nach Angaben von Gartner derzeit die Nummer vier. Im ersten Quartal 2011 kam der Hersteller demnach auf einen Marktanteil von 9,7 Prozent und lag hinter HP, Acer und Dell (in dieser Reihenfolge).
“Diese Vereinbarung mit Medion beschleunigt unsere Durchdringung des Endkundenmarkts in Westeuropa und insbesondere Deutschland”, sagte Milko van Duijl, Präsident von Lenovos Mature Markets Group. Lenovo wolle Medions Wissen nutzen. “Wir glauben, das sich die Marktsituation der beiden Unternehmen ergänzt und perfekt in unsere Strategie ‘Schützen und Angreifen’ einfügt.”
Hintergrund der Übernahme ist, dass die Verkäufe von PCs zum ersten Mal seit zwei Jahren weltweit zurückgehen. Selbst große Hersteller hatten zwischen dem ersten Quartal 2010 und dem ersten Quartal 2011 mit einem Absatzrückgang zu kämpfen. HP musste 2,8 Prozent Rückgang vermelden. Dell 1,8 Prozent, Acer 15,8 Prozent. Lenovo und Toshiba hingegen konnten um 16,3 und 3,8 Prozent zulegen. Besonders in den USA gingen die Verkäufe zurück. Acer musste gar einen Verkaufseinbruch von 42 Prozent hinnehmen.
IDC legte damit Zahlen vor, die indirekt Apple-CEO Steve Jobs recht geben, der seit einiger Zeit vom “Post-PC-Zeitalter” spricht. Doch es ist laut IDC nicht das iPad alleine, das das PC-Wachstum bremst. Neben der Katastrophe in Japan und den hohen Energiekosten seien es vor allem die zahlreichen Geräte, die “gut genug” sind. Damit meint IDC Netbooks auch die inzwischen zahlreich angebotenen Media-Tablets. “Ich will nicht sagen, dass das iPad und Media-Tablets PCs zum Frühstück verzehren. Das wurde bereits bei Netbooks befürchtet”, sagte IDC-Senior-Analyst Jay Chou. “Wir sehen aber, dass Hardware alleine nicht mehr ausreicht. Hardware-Hersteller müssen anfangen, über Software nachzudenken.”
Mit steigenden Lebenshaltungskosten sei es für die Menschen nicht mehr wichtig, eine Plattform zu erneuern, nur weil der neue Intel-Prozessor 30 Prozent mehr Leistung bringe. Die Kaufzurückhaltung vor allem in den gesättigten Märkten in Europa und Nordamerika werde wohl noch das nächste Quartal anhalten. Ab der zweiten Jahreshälfte könnten dann aber die PC-Verkäufe wieder ansteigen, prognostiziert IDC.
Lenovo ist ein Hersteller von Massenware, der darauf setzt, ein Produkt, das eine geringe Marge abwirft, so oft so wie möglich zu verkaufen. So passen die Medion-Vertriebswege sehr gut in das Konzept der Chinesen. Ob die Übernahme ein Erfolg wird, wird auch davon abhängen, ob Lenovo/Medion bei den boomenden Smartphones und Tablets ein Wörtchen mitreden kann. In diesem Bereich ist Lenovo hierzulande bislang kaum aufgefallen.
Am Geld dürften Lenovos Expansionspläne jedenfalls nicht scheitern. Erst am 27. Mai hatte der Hersteller blendende Zahlen für das Geschäftsjahr 2010/2011 (bis 31. März) und das vierte Quartal des Geschäftsjahres 2010/2011 vorgelegt. Demnach hat sich der Jahresgewinn gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Sowohl der Gewinn von 273 Millionen Dollar (191 Millionen Euro) als auch der Umsatz von 21,6 Milliarden Dollar (15 Milliarden Euro) übertreffen die Erwartungen von Analysten.
Im vierten Quartal verbuchte Lenovo einen Überschuss von 42 Millionen Dollar (29 Millionen Euro) und Einnahmen von 4,88 Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro). In einer Mitteilung betonte Lenovo, dass man mit einer Zunahme der PC-Verkäufe um 16 Prozent schneller wachse als der Branchendurchschnitt, der bei 1,1 Prozent liege.
In China setzte Lenovo zwischen Januar und März 2,2 Milliarden Dollar um (plus 12,3 Prozent) – was 45 Prozent der Gesamteinnahmen entspricht. In Schwellenländern kletterten die PC-Verkäufe um 31,5 Prozent und der Umsatz stieg auf 850 Millionen Dollar. Die höchsten Wachstumsraten entfielen mit 88 beziehungsweise 58 Prozent auf Russland und Indien.
Den größten Teil seiner Einnahmen erwirtschaftet Lenovo weiterhin mit Laptops. Im vierten Quartal trugen sie 61,3 Prozent zum Umsatz bei. Das Unternehmen konnte aber auch 17,4 Prozent mehr Desktops absetzen als im vierten Fiskalquartal 2009/2010. Lenovos Smartphone-Geschäft, das auf den chinesischen Markt ausgerichtet ist, erwirtschaftete im vierten Quartal 187 Millionen Dollar. Die Absatzzahlen stiegen um 47,4 Prozent.
Im laufenden Geschäftsjahr 2011/2012 will Lenovo im Rahmen seiner ‘Protect and Attack’-Strategie seine Position in China stärken und das Geschäft in Schwellenländern ausbauen. Unter anderem sollen in China mehr Server und Workstations verkauft, das Handygeschäft gestärkt sowie mehr Verbraucher sowie kleine und mittelgroße Unternehmen in Schwellenländern als Kunden gewonnen werden.