Das Einzige was in den vergangenen Jahren in Sachen IT konstant geblieben ist, ist die Tatsache, dass Hersteller mit ihren Produkten Geld verdienen wollen. Mit der Open-Source-Welle hat sich zwar die Strategie etwas verändert, aber im Grunde ist hier alles beim Alten geblieben.
Schon zur Mitte des zurückliegenden Jahrzehnts gab es Diskussionen darüber, wie welche Software am besten für die damals junge Multi-Core-Technologie bepreist werden soll. Es hat eine gute Zeit gedauert, bis sich hier alles so gefügt hat, dass auch diejenigen, die dafür bezahlen müssen, mit den Modellen einigermaßen zufrieden waren.
Virtualisierung ist inzwischen Standard bei vielen Anwendern, aber offenbar gibt es hier bei den Lizenzmodellen der Hersteller “Raum für Verbesserungen”, wie es so schön heißt. Prominentes Beispiel dafür liefert Oracle, das nicht zum ersten Mal für die Preismodelle seiner Produkte in der Kritik steht.
90 Prozent aller Mitglieder der DOAG sind, wie aus einer Mitgliederbefragung hervorgeht, vor allem bei dem Punkt Virtualisierung mit der Praxis Oracles nicht einverstanden. Oracle versuche über die Lizenzbedingungen Oracle VM und Solaris Container zu bevorzugen, so der Vorwurf der Anwendervereinigung. Denn nur hier muss der Kunde auch nur das bezahlen, was er tatsächlich nutzt. Bei allen anderen und den deutlich weiter verbreiteten Lösungen wie etwa VMware zahlt der Anwender immer den vollen Preis, egal wie groß die Partition der virtuellen Maschine tatsächlich ist.
Die Antwort auf die Frage, ob die Lizenzen noch zur technischen Realität passen lautet also nein, wie Ralf Treitz, CIO der VMS AG bereits eingangs erklärte. Man muss auch nicht gleich zu Oracles Extrembeispiel greifen, um aufzuzeigen, dass der Anwender nicht immer einen fairen Preis – oder zumindest einen als fair empfundenen Preis – für die genutzten Produkte berechnet bekommt.
Auch Ralf Treitz will die Welt nicht in schwarz und weiß aufteilen: “Zugegeben, das ist auch nicht so einfach.” Denn seiner Meinung nach müsste bei einem als gerecht empfundenen Preis die Kalkulation der Aufwände beziehungsweise Herstellungskosten des Anbieters zuzüglich Marge auf der einen Seite und die Kalkulation des erzielbaren Nutzens beim Käufer auf der anderen Seite in einem wohlproportionierten Verhältnis stehen.
Es gibt Gehakel um Lizenzen, vermutlich seit dem Zeitpunkt, da Software kommerziell vertrieben wird. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Durch neue Infrastruktur-Technologien aber wurde das Problem zusätzlich verkompliziert.
“Abgesehen davon, dass die Lizenzmodelle schon heute meist an der Praxis beziehungsweise an den Kundenwünschen vorbeigehen, sind sie für Virtualisierung und Cloud nicht im Geringsten geeignet”, kritisiert Werner Scherer von der DoehlerGroup die Lizenzpolitik der Anbieter. Um seine Aussage zu veranschaulichen, nennt Scherer ein Beispiel: “Ob ich in einem Taxi alleine oder zu viert fahre, ob ich oder ein Kollege fährt, ob Benz oder Golf, die Kosten sind immer gleich. Ich will von A nach B und dafür wird gezahlt.”
Probleme bei den Lizenzen für Microsoft-Server sieht zum Beispiel Andreas Reuter von der Senator GmbH. Er hält die Lizenzpolitik von Microsoft für “Geldmacherei”, denn schließlich sei es einem virtuellen Server egal, auf welcher Maschine er laufe.
Auch Martin Michael, CIO bei der AGA Service Deutschland GmbH, ist der Ansicht, dass “die traditionellen Lizenzmodelle nicht auf die modernen Technologien passen”. Vor allem Coud Computing sei aus seiner Sicht die Trägertechnologie für Lizenzmodelle, die auf einer pay-per-use-Strategie beruhen. Doch auch hier lauern Tücken und Risiken für die Anwender: “Dies mag ein gutes Modell sein, allerdings birgt es seine Tücken. Vor allem dann, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, die Häufigkeit der Nutzung zu steuern.”
Aber wie könnte eine Lösung denn aussehen? Gibt es so etwas bereits? Der Anwender ist ja bereit, für eine Anwendung zu zahlen, aber er will auch nicht über Gebühr geschröpft werden. Hier den goldenen Weg der Mitte zu finden, ist ganz sicher nicht trivial.
“Versucht man nun ein Pricing zu definieren, das einfach und an wenigen Parametern festgemacht ist, dann stellt man fest, dass das in vielen Fällen nicht gegeben ist”, weiß Ralf Treitz. “Und zwar durchaus in beide Richtungen, zu teuer angeboten oder vollständig unprofitabel für den Verkäufer.”
Und bei dem Vorhaben, einen gerechten Preis zu entwickeln, erweist sich der Vorteil der hohen Flexibilität der Produkte wiederum als Nachteil: “Im Lizenzgeschäft ist die breite Spanne des Einsatzbereiches von IT-Produkten problematisch. So kann Virtualisierung schon auf dem PC eingesetzt werden, oder im Mega-Rechenzentrum. Ob da die einfache Zählung von Prozessor-Kernen äquivalent zur Wertschöpfung ist?”, fragt Treitz.
Mit Martin Michael stimmt Treitz im Bereich Cloud Computing darin überein, dass das Problem vor allem “in schwer prognostizierbaren Verhaltensweisen der Anwender” besteht. Die Anbieter und Hersteller müssten dieses kommerzielle Risiko, das ihnen durch das nicht vorhersagbare Verhalten der Anwender entsteht, irgendwie kompensieren oder verteilen. Und die Anbieter greifen hier zu einer Lösung, die aber ebenfalls Nachteile mit sich bringt. “Die Folge: hochkomplexe Preismodelle, um nur ja alle Möglichkeiten abzudecken.”
“Was sind die Alternativen?”, fragt sich da nicht nur Treitz. Eine mögliche Antwort könnte lauten: “Hochvariable Preisfindungen wie bei Amazon, wo die späteren Kosten für den Käufer nur schwer prognostizierbar sind? Verhandelte Preisgestaltung in einem passgenauen Rahmen? Das ist sicher für große Projekte machbar, aber nicht für den Massenmarkt. Wir sind eben am Beginn der Lernkurve.”
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