silicon.de: Was ist das Besondere am Labor Berlin?
Kainzinger: Das Labor Berlin ist ein Tochterunternehmen der beiden großen Berliner Krankenhäuser; mit der Charité als größter Uniklinik Europas auf der einen und Vivantes als großem kommunalen Krankenhausverbund auf der anderen Seite. Beide gehören zu 100 Prozent dem Land Berlin und sind damit öffentliche Unternehmen. Dass dies möglich ist, hängt mit Berlins besonderer Stellung als Bundesland und Stadt zusammen. Universitätskliniken sind üblicherweise in Landesbesitz während sich kommunale Einrichtungen dagegen meist im Besitz der Stadt befinden. Zusammen haben die beiden Kliniken zwölf über die ganze Stadt verteilte Standorte mit zusammen 8500 Patientenbetten. Damit ist dies der größte Krankenhausverbund Deutschlands in öffentlicher Trägerschaft.
Trotz der gemeinsamen Trägerschaft haben beide Häuser noch bis vor wenigen Jahren kaum kooperiert. Als unabhängige Unternehmen waren sie vielmehr Konkurrenten auf dem Markt. Thilo Sarrazin, damals noch Finanzsenator in Berlin, hat daraufhin eine engere Zusammenarbeit zwischen der Charité und Vivantes angeregt. In der Folge wurden 21 verschiedene Themenfelder definiert und eines dieser Themen war auch das Labor. Nachdem für das Labor Berlin verschiedene Szenarien analysiert und durchgerechnet wurden, sind alle Beteiligten zu dem Schluss gekommen, dass es für die beiden Häuser sowohl wirtschaftlich als auch inhaltlich am günstigen ist, ein gemeinsames Unternehmen in einem Joint Venture zu gründen, das den beiden Kliniken zu gleichen Teilen gehört. Dabei hat man die gesamte bestehende Laborstruktur aus Charité und Vivantes herausgelöst und in diesem neuen Unternehmen fusioniert. Zum 01. Januar 2011 ist das Labor Berlin auf dem Markt gestartet mit rund 500 Mitarbeitern, die aus den alten Strukturen in das neue Unternehmen übernommen wurden.
silicon.de: Bedeutet herausgelöst, dass die verschiedenen Labore jetzt alle an einem Standort zusammengefasst sind?
Kainzinger: Unsere Labore sind nach wie vor an zwölf Standorten verteilt. Allerdings bauen wir aktuell ein neues Gebäude mit rund 6000 Quadratmetern an einem dieser Standorte. Und wenn Ende nächsten Jahres der Bau abgeschlossen ist, werden viele Bereiche zusammengezogen. Trotzdem werden wir höchstwahrscheinlich an allen Standorten auch weiterhin dauerhaft Labore haben. Das ist notwendig, damit wir für jeden Standort Notfalldiagnostik sicherstellen können. Wenn man beispielsweise in Hellersdorf mit dem Notarzt angeliefert wird, dann braucht der Arzt dort innerhalb von 45 Minuten auch die relevanten Laborergebnisse. Diese schnelle Reaktionsfähigkeit müssen wir auch künftig gewährleisten können.
silicon.de: Also grob gesagt, die Proben kommen jeweils ins Labor und nach der Analyse werden die Werte dann wieder an die betreffenden Standorte zurückgespielt?
Kainzinger: Ja, so könnte man den Arbeitsablauf stark vereinfacht beschreiben. Wir entscheiden in jedem Einzelfall, ob eine Notfalldiagnostik gemacht werden muss oder ob die Analyse Zeit hat und in einem anderen Labor durchgeführt werden kann. Wir fahren täglich alle Standorte sechs- bis siebenmal an und verteilen die Proben. Die Befunde werden anschließend elektronisch kommuniziert. Der Prozess ist demnach nicht mehr papierbasiert wie noch in der Vergangenheit.
silicon.de: Kommt dabei auch ByDesign zum Einsatz?
Kainzinger: Nein, für die gesamten medizinische Seite, also die Proben, die Befunde und die medizinische Interpretation nutzen wir eine spezielle Software. ByDesign verwenden wir für alle betriebswirtschaftlichen Aspekte unserer Tätigkeit, also für den Einkauf, das Supply-Chain-Management, das Personalwesen und die Führung der Mitarbeiter. Auch Spesen- und Reisekostenabrechnung werden mittlerweile über das System abgewickelt. All das funktioniert gut.
silicon.de: Haben sie, abgesehen von Office und den diagnostischen Systemen, noch andere Systeme im Einsatz?
Kainzinger: Nein, wir verwenden außer ByDesign keine weiteren betriebswirtschaftlichen Lösungen.
silicon.de: Kommen wir zur Implementierung des Systems: Was hat am meisten Probleme verursacht?
Kainzinger: Die meiste Zeit haben wir darauf verwendet, die von SAP in ByDesign angelegten Prozesse mit den bei uns in den Laboren vorhandenen Geschäftsabläufen in Einklang zu bringen und jeweils sinnvolle Lösungen zu finden.
silicon.de: Kann man dabei von einer Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig Standardisierung sprechen?
Kainzinger: Das kann man prinzipiell so sagen. An der einen oder anderen Stelle würde man sich immer wünschen, dass man noch eine Wahlmöglichkeit mehr hat, um Anpassungen vornehmen zu können. Ich glaube, dass die nächsten ByDesign-Versionen in diesem Punkt noch mehr Flexibilität bieten werden.
Auf der anderen Seite mussten wir unsere internen Arbeitsabläufe durch die vom System vorgegebenen Standards teilweise nochmal kritisch unter die Lupe nehmen. Das war eine gute Übung und hat dazu geführt, dass wir einige Prozesse verschlanken konnten.
silicon.de: War es denn für die Mitarbeiter eine große Umstellung? In der alten Version gab es ja auch die Silverlight-Oberfläche noch nicht?
Kainzinger: Wir sind bereits mit der ByDesign-Version 2.5 eingestiegen. Für die Mitarbeiter war das sehr gut machbar. Im Bestellwesen beispielsweise arbeitet die Mehrzahl dezentral mit dem System. Da die Bedienung sehr eingängig war, konnten wir die Schulungen sozusagen ‘on-the-job’ machen. Auch die Tatsache, dass alles über das Internet läuft, hat keinerlei Probleme bereitet. Das Produkt läuft stabil und auch in punkto Performance sind wir zufrieden.
silicon.de: Wie sieht es denn in anderen Bereichen aus?
Kainzinger: Ein bisschen mehr Umstellung gab es in Kernbereichen wie der Buchhaltung, die den ganzen Tag mit dem System arbeiten.
silicon.de: Wie hoch war denn insgesamt der Schulungsaufwand?
Kainzinger: Das lief insgesamt ganz gut. Die Schulungen waren meist nur tageweise und die Leute in der Buchhaltung sind alle R/3-erfahren. Wenn man als gelernter Buchhalter in R/3 bewandert ist, findet man sich auch mit ByDesign schnell zurecht. Dennoch haben solche Mitarbeiter an der einen oder anderen Stelle Fragen oder verlangen nach bestimmten Features. Solche Dinge muss man dann im Einzelfall klären.
silicon.de: Kommen wir zu dem Delivery-Modell von ByDesign. Sie sparen sich durch das On-Demand-Modell ja eine Menge Hardware. War das für sie ein ausschlaggebender Grund für die Entscheidung ByDesign einzuführen?
Kainzinger: Das war natürlich für uns ein ganz zentraler Punkt. Wir wussten schon damals in Spätsommer 2010, dass wir die Implementierung bis Jahresende, also innerhalb von vier Monaten, abwickeln müssen. Ein Mitbewerber von SAP, mit dem wir damals auch über eine entsprechende Lösung verhandelt haben, sagte uns, dass wir allein zwei Monate brauchen würden, um die gesamte Server- und Betriebssystemlandschaft zu implementieren und sie an allen Standorten verfügbar zu machen. Diese Zeit haben wir uns mit ByDesign fast komplett sparen können.
silicon.de: Wie schnell war denn die Lösung verfügbar?
Kainzinger: Zwei Wochen nach Vertragsunterschrift hatten wir die Lösung für uns frei geschaltet; dies noch ohne jedes Customizing. Damit konnten wir dann schnell beginnen, was mit einem anderen Produkt wahrscheinlich so nicht möglich gewesen wäre.
silicon.de: Also bereits nach zwei Wochen konnten sie mit dem Anpassen der Lösung beginnen. Wie lange hat es dann noch gedauert, bis die Lösung auch alle Prozesse im Labor Berlin abdecken konnte?
Kainzinger: Wir waren pünktlich zum Betriebsstart Anfang Januar fertig und produktiv. Allerdings haben wir selbst heute noch einige Abläufe, die man noch integrieren oder anders gestalten könnte. Aber der 3. Januar war der erste Arbeitstag.
silicon.de: Als brandneues Unternehmen sozusagen.
Kainzinger: Ja, uns kommt natürlich auch zugute, dass wir als neues Unternehmen bei Null anfangen konnten. Anderen Unternehmen macht ja häufig ihre IT-Historie zu schaffen.
silicon.de: Wie lange haben sie dann also für das Anpassen der Lösung gebraucht?
Kainzinger: Rund dreieinhalb Monate. Wir haben im September mit dem Customizing angefangen und waren im Dezember fertig.
silicon.de: Das ist doch vergleichsweise flott…
Kainzinger: Stimmt! Und das als Unternehmen mit etwa 45 Millionen Euro Jahresumsatz, was natürlich auch einen gewissen Aufwand mit sich bringt.
silicon.de: Sprechen denn die diagnostischen Systeme, die sie vorhin erwähnt haben, auch mit ByDesign?
Kainzinger: Es gibt noch keine Schnittstellen oder Kommunikation zwischen den Systemen. Das war für uns im ersten Schritt auch gar nicht notwendig, weil die Prozesse nicht in dem Maße verwoben sind. Insofern fahren wir erstmal gut damit, die gesamte Betriebswirtschaft über das ByDesign-System und alle medizinischen Prozesse in den Laborsystemen laufen zu lassen.
silicon.de: Es ist also für Sie nicht so wichtig zu wissen, wie viele Proben im Labor in Hellersdorf ankommen?
Kainzinger: Im Berichtswesen gibt es natürlich Szenarien, in denen beispielsweise die Verknüpfung von Daten aus dem Rechnungswesen mit denen aus den Laborsystemen interessant wären, so unter anderem für die Frage: Welche Kosten habe ich wann und wo für welche Labordienstleistung generiert? Dafür müssen wir momentan noch zwei Systeme abfragen.
silicon.de: Gibt es Pläne, das zu ändern?
Kainzinger: Wir können uns vorstellen, das künftig in einem Warehouse zu kombinieren. Allerdings war das nicht so zeitkritisch, als dass wir es schon zum Januar hätten umsetzen müssen. Daher ist es nicht Teil der Implementierung gewesen. Aber wir fangen jetzt an, mit der SAP und unserem Implementierungspartner zu sprechen, wie wir die Daten künftig verknüpfen können.
silicon.de: Sind sie denn insgesamt mit der Performance des Systems zufrieden?
Kainzinger: Wir sind sowohl mit der Geschwindigkeit als auch der Uptime zufrieden. Man kann sagen, das System ist jederzeit verfügbar.
silicon.de: Thema Storage und Compliance: Brauchen Sie dafür noch eine weitere Lösung oder können sie das auch in ByDesign abbilden?
Kainzinger: All das läuft in ByDesign.
silicon.de: Wie funktioniert denn die Filialanbindung?
Kainzinger: In dem Sinn haben wir keine Filialen, sondern unsere zwölf Laborstandorte in Berlin. Die sind alle im System mit abgebildet, produktiv und die Mitarbeiter greifen von den unterschiedlichen Standorten aus auf das System zu.
silicon.de: Da kommt natürlich die Web-Basierung von ByDesign voll zum Tragen?
Kainzinger: Genau dies war für uns auch ein großer Vorteil. Wir mussten weder zusätzliche Hardware implementieren noch uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir die erst kurz vorher unter dem Dach des Labor Berlin vereinten Standorte in einem System zusammenbringen. Dadurch, dass wir von jedem Web-fähigen Rechner auf das System zugreifen können, ist das überhaupt kein Thema für uns gewesen. Das einzige, was wir machen mussten, war flächendeckend Silverlight zu installieren, was problemlos vonstatten ging.
silicon.de: Herr Kainzinger, wir danken für das Gespräch.
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