silicon.de: Der Cloud-Markt wird derzeit von großen Namen wie Microsoft, Amazon, IBM oder Rackspace dominiert. Hat man als etwas kleinerer Anbieter denn überhaupt eine Chance, um gegen die Großen dauerhaft bestehen zu können?
Baillie: Eigentlich haben Amazon Web Services fast 80 Prozent Marktanteil, aber auf der anderen Seite keine Erfolgsbilanz in Web-Hosting. Daher können sie nicht wirklich als ‘große Namen’ genannt werden, sondern eher als neue Anbieter in einem Markt, den sie selbst schufen. IBM und Microsoft haben sehr geringe Marktanteile in diesem Bereich und Rackspace, ein traditionelles Web-Hosting-Unternehmen, ist derzeit die Nummer zwei.
Das Cloud-Delivery-Modell stört die traditionellen Web-Hosting-Modelle und die größeren Unternehmen sind durch ihre etablierten Geschäftspraktiken deutlich mehr eingeschränkt. Denn diese Praktiken dominieren ja nach wie vor deren Einnahmen. Rackspace etwa erzielt noch deutlich über 80 Prozent der Einnahmen aus traditionellem Server Co-Location, und nicht aus der Cloud. Daher haben sich größere Unternehmen auf die Strategie des bruchlosen, langsamen Übergangs verständigt. So hoffen sie, auf ein neues Business-Modell migrieren zu können.
Als reiner Cloud-Anbieter sind wir bei CloudSigma aber nicht von einem Legacy-Geschäftsmodell abhängig und können so ein reinrassiges Produkt mit den jüngsten technischen Errungenschaften liefern. Wir sehen, dass über 50 Prozent unserer Kunden von den Cloud-Anbietern, die Sie in Ihrer Frage erwähnten, zu uns migrieren. Der aktuelle Cloud-Markt ist nur ein sehr kleiner Teil des traditionellen Server Co-Location-Markt und hier steckt noch enormes Wachstumspotential. Aktuelle Clouds können aber nur einen kleinen Teil dieses Potenzials abrufen. Der Grund dafür sind häufig die gewählten Implementierungsmethoden. Dass wir uns mit unserem Produkt aber nicht hinter denen der so genannten Großen zu verstecken brauchen, lässt sich an der unabhängigen Untersuchung der Compuware-Tochter CloudSleuth ablesen. Hier rangieren wir auf Platz eins in Punkto Leistung in Europa und das mit erheblichem Abstand.
silicon.de: Ist regionale Nähe eines Anbieters für Anwender wichtig?
Baillie: Ja und nein. Beim Dedicated Hosting, wollen die Unternehmen im Allgemeinen in der Lage sein, physisch die Einrichtungen dort, wo sie gehostet werden, aufzusuchen. Daher bestimmt in diesem Fall die Lage des Büros durchaus die Wahl des Standortes. Mit dem Umzug in die Cloud und zu IaaS werden die Unternehmen jedoch von der physikalischen Hardware abstrahiert. Die Anwender haben dann tatsächlich keinen physischen Zugang zu den Rechenzentren, wo ihre Anwendungen gehosted werden. Hier ist also die Notwendigkeit, Zugang zum Rechenzentrum zu haben, kein Faktor mehr.
Andere Faktoren wie Latenz, Vernetzung oder Zuverlässigkeit sind dagegen wichtiger. Und so kann der Standort einer Cloud je nach Anwendungsfall für einen bestimmten Kunden durchaus zu einem wichtigen Faktor werden. Kunden mit geringerer Empfindlichkeit bei Latenz sind da durchaus flexibler in der Wahl ihres Cloud-Anbieters. Die allgemeine Folge aus den oben genannten Gründen ist, dass die meisten Anwender ein regional verteiltes Netz auswählen. Dabei überwiegen aber Überlegungen wie Kundennähe und Dienstleistungen die Bequemlichkeit des physischen Zugangs, den man noch aus der alten Welt des dediziertes Hosting gewohnt ist.
silicon.de: Spielen hier auch gesetzliche Regelungen eine Rolle?
Baillie: Gesetzliche Vorschriften im Allgemeinen betreffen Cloud-Kunden in zweierlei Weise. An erster Stelle steht die Frage: Ist das Projekt von den Gesetzen des Landes abgedeckt, von dem aus der Cloud-Anbieter operiert? So haben etwa viele Länder Gesetze zu Online-Spielen, was die Ortswahl einschränkt. Auch andere Branchen unterliegen Einschränkungen. Zum Beispiel sind in den USA Unternehmen aus dem Gesundheitswesen verpflichtet, ausschließlich in den USA mit US-Unternehmen zu hosten. Ähnliche Einschränkungen gibt es auch in Europa für bestimmte Branchen und Sektoren.
Die zweite Auswirkung der gesetzlichen Regelungen sind Datenschutzgesetze. Ein Unternehmen muss sicherstellen, dass das Hosting von Daten an einem bestimmten Ort mit den eigenen Anforderungen und mit dem Datenschutzabkommen, das das Unternehmen mit seinem Kunden hat, kompatibel ist. Bei IaaS ist das nicht wirklich ein großes Problem, weil die Unternehmen wissen, wo ihre Daten gespeichert werden. Bei SaaS und PaaS, wo die Daten oft über mehrere Länder verteilt sind und nicht sichtbar ist, wo Kundendaten gespeichert werden, ist es ein viel größeres Problem. In einem solchen Fall kann die Einhaltung sehr schwierig sein.
silicon.de: Der Sicherheitsgedanke spielt derzeit eine sehr große Rolle bei der Cloud-Diskussion. Wird man diese Frage oder diesen Anwenderwunsch eines Tages abschließend beantworten können?
Baillie: Die Sicherheits-Debatte bezieht sich häufig auf Unverständnis in Bezug auf Cloud-Implementierung und auch auf anbieterspezifische Optionen. Viele führende Cloud-Anbieter haben Implementierungen gewählt, die Zugriff auf die Kunden-Konten gewähren und das ist der Grund für die Sicherheitsprobleme der Kunden. Dies ist aber ein anbieterspezifisches Problem und nicht ein Cloud-Problem. In unserer Cloud etwa gibt es keine Suche in unseren Kunden-Servern oder -Dateien.
silicon.de: Wie ausgereift sind die Projekte, die heute bei Ihnen laufen. Sind es eher unkritische Anwendungen?
Baillie: Wir sehen viele Kunden, die unsere Cloud für Test und Entwicklung verwenden, aber es gibt auch viele Kunden, die uns für die Migration eines Großteils ihrer Infrastruktur in der Cloud nutzen. Für die meisten Anwender bietet unsere Cloud eine redundante Umgebung mit einer Verfügbarkeit, die die Kunden auf der eigenen Infrastruktur nicht erreichen können. Als Beispiel möchte ich ein Utility-Unternehmen nennen, das die gesamte interne Großhandel-Infrastruktur in unsere Cloud migriert hat. Wir haben auch eine große deutsche E-Commerce-Website; das Unternehmen verwaltet seine Tätigkeit vollständig aus CloudSigma. Wir haben noch viele andere Unternehmen, die hauptsächlich für das Kerngeschäft kritische Infrastrukturen innerhalb unserer Cloud verwalten.
Die Realität ist, dass keine technischen Unterschiede zwischen kritischen und nicht kritischen Infrastrukturen existieren, so ist es für die Anwender häufig wichtiger, dass die öffentlichen Cloud-Infrastrukturen und unsere Cloud zuverlässiger und stabiler sind als die eigenen Inhouse Arrangements.
silicon.de: Gibt es auch Fälle, wo sie als Anbieter von einer Cloud-Lösung abraten?
Baillie: Die größte Herausforderung ist im Moment, zuverlässige Storage-Leistung in der Multi-Tenant-Umgebung einer öffentlichen Cloud zu liefern. Kunden, die sehr hohe und nachhaltige Storage-Performance benötigen, haben oft Probleme dieses Bedürfnis zu stillen. Aber hier wurden im letzten Jahr viele Maßnahmen umgesetzt, um diese Probleme anzugehen. Wir selbst haben auch einen erheblichen Anstieg des Storage-Bedarfs gesehen. Wir werden zudem neue Storage-Backends im Laufe des Sommers implementieren und so die Leistung zusätzlich steigern. Um aber ihre Frage zu beantworten: Es gibt durchaus Kunden, die aufgrund hohen Speicherbedarfs mit einer Cloud-Anwendung Probleme bekommen können. Dennoch gibt es meist eine Lösung für dieses Problem.
silicon.de: Offene Standards helfen in erster Linie den Anwendern, warum kümmert sich die Industrie trotzdem um diese Frage?
Baillie: Standards sind ein zweischneidiges Schwert, vor allem in einem stark entwickelnden Technologie-Sektor wie IaaS. Innovation ist grundsätzlich nicht durch Normen geregelt. Wenn es Normen gibt, ist es nicht innovativ. Würde das den Kunden in eine bessere Position bringen, wenn die Anbieter sich alle auf einen mittelmäßigen Standard einigen?
Infolgedessen setzen wir als Unternehmen auf Dinge wie API-Emulatoren und Methoden, die die Kunden nutzen, um mit uns gegen bestehende Standards zu interagieren. Die Realität aber ist, dass die meisten Kunden eher den gesamten Funktionsumfang den unsere Cloud bietet, übernehmen. Die Anwender nutzen also eher die Innovation, die wir anbieten.
Die wirklichen Probleme liegen meist in der Daten-Portabilität und den fundamentalen zugrundeliegenden Strukturen der Anbieter. Wie einfach ist es, einen Server von Anbieter X zu Anbieter Y in einer öffentlichen Cloud zu migrieren? Diese Frage ist eigentlich wichtiger als die API, die sie verwenden und die Einhaltung der API Standards. Die Antwort lautet in den meisten Fällen, dass Daten nur sehr schwer in einer sinnvollen Form in eine öffentliche Cloud gebracht werden können. Wir erlauben dem Kunden gesamte Laufwerk-Images in einfachem RAW ISO-Format via ftp hoch- und herunterzuladen. So kommt man nicht in einen Lock-in. Meine Frage an einen Anbieter, der behauptet, Standards zu beachten, lautet: Wie leicht machen sie es für ihre Kunden, ihre Plattform zu verlassen? Das ist es doch, was wirklich den Wettbewerb treibt.
silicon.de: Glauben Sie, dass Initiativen wie Libcloud oder OpenStack in dieser Hinsicht tatsächlich etwas bewegen können, oder muss die Frage nach industrieübergreifenden Standards an anderer Stelle geklärt werden?
Baillie: Libcloud und OpenStack sind sehr verschiedene Dinge. Liblcoud ist Teil von Apache und einem anbieterunabhängigen Cloud-Driver; OpenStack hingegen ist eine Umbenennung der bestehenden Infrastruktur von Rackspace.
Die Herausforderung mit jedem Standard ist, dass sie als Definition nur Kernfunktionalität bieten. Für einige Kunden ist dies mehr als ausreichend. In diesem Fall sind solche Initiativen nützlich, aber für andere Kunden, die zusätzliche Features benötigen, können solche Standards einschränkend sein. Wir liefern hundertprozentige Unterstützung solcher Bemühungen und beteiligen uns an diesen Standards für unsere Kunden, aber wir sehen auch Bemühungen von gewerblichen Unternehmen wie enStratus, die nach einer besseren Lösung für Kunden suchen. Sie verbinden die Interoperabilität zwischen verschiedenen Clouds mit der engen Integration der verschiedenen Anbieter, Features und Besonderheiten. jclouds liefert ein weiteres nicht-kommerzielles Beispiel für diesen Ansatz, der unserer Meinung nach der attraktivste für unsere Kunden ist.
silicon.de: Was wird nach Cloud Computing kommen?
Baillie: Statt Konvergenz sehen wir eine zunehmende Differenzierung zwischen verschiedenen Cloud-Anbietern und damit eine Erhöhung der Anwendbarkeit auf eine größere Anzahl von Kunden. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung unterstützt auch die Ausbreitung des Cloud-Sektors. Wir sehen die nächsten 18 Monate als einen Wendepunkt an dem das Cloud Computing zum Mainstream und zur Standard-Default-Delivery-Technologie für Dienstleistungen heranreift.
silicon.de: Herr Baillie, wir danken für das Gespräch.
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