IT in der Verwaltung: Wo drückt der Schuh?

1. Zu starke zentrale Steuerung und Management der IT, obwohl die Behörden dezentral organisiert sind: Zweifellos verbergen sich in einer zentral ausgerichteten IT-Organisation deutliche Vorteilseffekte, weil dadurch die Services rationeller gestaltet werden können. Dem steht jedoch gegenüber, dass damit die Besonderheiten in den dezentralen Verwaltungseinheiten mit ihren spezifischen Anforderungen zu wenig Berücksichtigung finden. Insofern erlebt es die Praxis vor Ort, dass ihre Bedürfnisse zu kurz kommen, was in der Konsequenz zu einer Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit führt.

2. Die zentrale Budgetierung und Finanzsteuerung verhindert ebenfalls eine Steuerung des tatsächlichen IT-Bedarfs vor Ort: Den Behörden fehlen nicht nur dezentrale Entscheidungsfreiheiten für ihre IT-Ausrichtung, sondern, weil die finanzielle Planungshoheit ebenso wie die IT-Struktur zentral ausgerichtet ist, sind sie vollends in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Notwendig wäre deshalb, die Budgets für IT-Investitionen und Maßnahmen teilweise in die Verantwortung der Behörden zu geben. Eine solche Regelung würde ihre spezifischen Anforderungen zielgenauer und schneller abbilden helfen, ohne dass es das Grundprinzip der zentralen Steuerung beeinträchtigt.

3. Fehlendes professionelles Anforderungsmanagement: Die zentrale IT kann sich nur wenig in die realen Anforderungen der Verwaltungsstrukturen hineindenken, umgekehrt sprechen die Verwaltungsfachleute zu wenig die Sprache der IT. Die Konsequenz: Projekte können keine validen Ergebnisse erzielen und nachhaltige Erfolge gewährleisten. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, eine Moderationsfunktion zu schaffen, die sowohl technische Sachverhalte als auch die Prozesse in der Verwaltung ausreichend versteht und deshalb konstruktiv in das Anforderungsmanagement eingreifen kann.

4. Ein zu geringer Wissenstransfer zwischen zentralen und dezentralen Strukturen: Unabhängig der Probleme im Anforderungsmanagement der IT-Projekte fehlt es meist grundsätzlich an einer dezentral und zentral gemeinsamen Wissensbasis. Deshalb ist eine stärkere fachbezogene Abstimmung zwischen den einzelnen Behörden und der IT-Organisation notwendig, indem das verwaltungsspezifische Fachwissen von den dezentralen Strukturen an die zentrale IT kommuniziert wird. Hierfür sind entsprechende Prozesse und geeignete Modelle zu entwickeln, damit dieses komplexe Wissen systematisch transferiert werden kann.

5. IT-fachliche Qualifikationsdefizite in den Behörden: Beim Personal mit IT-fachlichen Aufgaben in den Verwaltungseinrichtungen handelt es sich vielfach um Mitarbeiter, die in diese Funktionen hineingewachsen sind, aber über keine entsprechende Ausbildung verfügen. Angesichts der wachsenden Bedeutung der IT für die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Verwaltungsprozesse ist das gegenwärtige Fähigkeitsniveau auf Dauer keineswegs ausreichend. Insofern bedarf es einer Qualifikationsoffensive, zumal es durch die demografische Entwicklung immer schwieriger wird, fachlich entsprechend ausgebildete Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen.

6. Die Standardisierung darf nicht übertrieben werden: Zwar müssen aus Gründen der Effizienz bestimmte IT-Funktionen standardisiert werden. Doch die verwaltungs-individuellen Anforderungen können damit nicht bedarfsgerecht abgebildet werden. Die IT muss aus diesem Grund in den nächsten Jahren zunehmend auf die spezifischen Anforderungen der dezentralen Bereiche eingehen. Sie steht vor der anspruchsvollen Aufgabe, eine Balance von Standardisierung und Individualisierung zu schaffen, damit Leistungsangebot und Bedarf nicht in einen Spagat geraten.

7. Die Prozessorientierung strukturgerecht justieren: Während die Verwaltung hierarchisch organisiert ist, verlaufen die Prozesse horizontal. Deshalb war es bisher so schwierig, ein adäquates Prozessdenken einzuführen. Diese Schwierigkeiten ändern aber nichts an der Notwendigkeit, sich in der Verwaltung konsequent prozessual auszurichten und eine angemessene Prozessteuerung zu etablieren. Dazu gehört auch die Implementierung von bisher kaum vorhandenen Kennzahlensystemen, um zu einer qualitativen Steuerung der Verwaltungsprozesse zu gelangen.

8. Zusammenspiel zwischen IT-Partnern aus der Privatwirtschaft und den Behörden funktioniert nicht optimal: In der Organisation der Verwaltung herrschen teilweise andere Anforderungen als in Unternehmen. Dies ist von den IT-Lieferanten bzw. Dienstleistern noch längst nicht ausreichend verstanden worden, weshalb es in der Praxis regelmäßig zu Verständnisproblemen kommt. Sie reichen bis in die Interpretation der vertraglichen Regelungen hinein und können Fehlinvestitionen der Behörden zur Folge haben. Aus diesem Grund scheint es notwendig, dass die Anbieter im IT-Markt über zielgruppenoptimierte Verfahren eine größere Nähe zu den spezifischen eGovernment-Anforderungen entwickeln.

Silicon-Redaktion

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