Andere Länder, anderes Rechtsverständnis
Ob es nun um die Übernahme von Navigon durch Garmin oder von Visionapp durch ASG (Allen Systems Group) geht, internationale Deals werden oft durch kleine “Handwerksfehler” erschwert. Besonders wenn es um die Beschäftigung von Mitarbeitern einer deutschen Betriebsstätte geht, die in US-Hand ist. Hier sorgen unterschiedliche Arbeitsrechtsfragen regelmäßig für Missverständnisse.
Oft werden am Hauptstandort der Muttergesellschaft, etwa in den USA, arbeitsrechtliche Entscheidungen getroffen, die dann auch am deutschen Standort gelten sollen. Führungs- und Entscheidungsverantwortliche vieler internationaler Unternehmen sind aber nicht mit den Rahmenbedingungen des deutschen Arbeitsrechts vertraut und verabschieden daher Vorgaben, die nach deutschem Arbeitsrecht nicht sinnvoll sind. Gerade bei Übernahmen aus dem anglo-amerikanischen Raum kommt es häufig zu Verwirrungen auf rechtlicher, aber auch auf kultureller Basis.
Oft steht dann die deutsche Betriebsstätte vor der Aufgabe, das US-amerikanische Management eines Softwarekonzerns mit den Eigenheiten des deutschen Arbeitsrechts vertraut zu machen und Regelungen konkret zu erläutern. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ganze in englischer Sprache passieren muss. Dabei muss das Augenmerk sowohl auf das individuelle wie auch das kollektive Arbeitsrecht gerichtet werden.
Die Ursache für die interkulturellen Hürden liegt im deutschen Arbeitsrecht. Dieses unterscheidet sich in weiten Bereichen von dem anderer Länder. Die häufige Folge: Bei Konflikten, die zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den internationalen Einheiten führen, wird zunächst versucht, das Problem intern zu lösen. Kommt dann das Problem erneut auf oder droht unmittelbar ein Schaden, wird häufig Rat bei spezialisierten Anwälten gesucht. Meist zu spät, da die Anwälte jetzt nur noch Schadensbegrenzung leisten können. Oft stellt sich dabei heraus, dass eine frühzeitige Einbindung des Anwalts nicht nur Kostenvorteile gehabt hätte, sondern dass auch die Interessen des Unternehmens besser hätten gewahrt bleiben können.
Problemfall Kündigung
Der Kündigungsschutz birgt für ausländische Führungskräfte das größte Verständnisproblem. Schwierigkeiten bereiten sowohl die zum Teil sehr diffizil, vielschichtig und detailliert ausgestalteten Rahmenbedingungen als auch der – aus Sicht des Arbeitgebers – sehr weitreichende Schutz des Arbeitnehmers. Für zahlreiche Entscheidungsträger, insbesondere aus den USA, ist diese Tatsache völlig unbekannt. Denn dort gilt das Prinzip des “at-will-employment” – ein Beschäftigungsverhältnis, bei dem den Vorstellungen des Arbeitgebers deutlich mehr Gewicht eingeräumt wird als in Deutschland. Daraus resultiert gleichermaßen rechtliches sowie kulturelles Konfliktpotenzial.
Ebenso sind ausländische Führungskräfte in diesem Zusammenhang auch überrascht, dass im Zuge von betriebsbedingten Kündigungen, etwa bei Umstrukturierungen oder Arbeitsplatzabbau, der Arbeitgeber nicht frei entscheiden kann, welchen Arbeitnehmern gekündigt werden soll, Stichwort: Sozialauswahl. Aufgrund der nur begrenzten Einflussnahmemöglichkeit des Arbeitgebers sind oft jüngere, leistungsstärkere Arbeitnehmer von der Kündigung betroffen, die man eigentlich lieber gehalten hätte.
Mehr Beweglichkeit bei Managern
Auch folgende Regelungen sind bei ausländischen Führungskräften unbekannt: Das Arbeitsrecht macht einen Unterschied hinsichtlich der rechtlichen Behandlung von Arbeitnehmern und Geschäftsführern. Dies erweitert die Möglichkeiten bei der Vertragsgestaltung für Mitarbeiter aus dem oberen Management aus Sicht des Arbeitgebers beziehungsweise der Gesellschafter – zum Beispiel dadurch, dass für Geschäftsführer grundsätzlich kein Kündigungsschutz besteht.
Auf Unverständnis wiederum stößt, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei einem Arbeitnehmer nur dann verbindlich wird, wenn im Gegenzug eine Entschädigung gezahlt wird.
Erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch, dass viele ausländische Unternehmen davor zurückschrecken, Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen. Diese Scheu resultiert daraus, dass dies vor den Gerichten ihrer jeweiligen Heimatländer in vielen Fällen oft zu langen und teuren Prozessen führt. Dass ein Verfahren vor deutschen Arbeitsgerichten vergleichsweise schnell und kostengünstig ist, wissen viele Verantwortliche im Ausland nicht.
Betriebsratsrechte oft unbekannt
Neben den individuellen Vertragsverhältnissen sollte sich ein ausländisches Unternehmen auch mit den kollektiven Regelungen des deutschen Arbeitsrechts vertraut machen. Dazu zählen insbesondere die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Ausländische Verantwortliche wissen meist nur wenig über dessen Rechte und die Pflichten für sie als Arbeitgeber.
So muss zum Beispiel der Betriebsrat bei geplanten Umstrukturierungen grundsätzlich frühzeitig einbezogen werden – mit der Folge, dass eine geplante Maßnahme oft nicht im gewünschten Zeitrahmen umgesetzt werden kann, da sich die Verhandlungen mit dem Betriebsrat in die Länge ziehen können, wenn die Positionen auseinanderlaufen. Oft ganz unbekannt ist die Rolle des Betriebsrats bei Einzelmaßnahmen wie der Versetzung oder Kündigung eines Arbeitnehmers. Wie unterschiedlich die Rechtsfolgen innerhalb Europas sind, verdeutlicht ein Blick auf Großbritannien und Frankreich. Während in Großbritannien die Missachtung von Informations- und Beratungspflichten weitgehendend folgenlos bleibt, liegt die Gefahr in Frankreich nicht nur in der Unwirksamkeit der Kündigung. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber bei Nichtbeachtung der Unterrichtungs- und Anhörungsrechte zudem womöglich strafrechtlich verantworten muss.