Krise trifft auch IT-Investments
Auch wenn es in manchem Lehrbuch anders steht, so folgen viele Unternehmen bei den Investitionen in erster Linie den Wetteraussichten an der Börse. Daher wird die derzeitige Unsicherheit an den Börsen auch nicht spurlos an den IT-Ausgaben vorübergehen.
Kaum ein CIO wird dieser Tage guten Gewissens aus den Vollen seines Budgets schöpfen und neue kostspielige Projekte anstoßen, wenn er nicht unbedingt muss. Denn derzeit lässt sich über die Märkte mit Gewissheit nur sagen, dass nichts gewiss ist. Die Herabstufung der USA durch die Rating-Agentur Standard and Poors hat weltweit an den Börsen zu Kursrutschen geführt.
Die Börse spricht zwar nur die halbe Wahrheit über die Realität doch in den vergangenen Jahren gingen Rückgang der Ausgaben und Investments mit Kursverlusten Hand in Hand. Und so wird es vermutlich auch diesmal sein.
In den nächsten Wochen werden zahlreiche Projekte einer erneuten Prüfung unterzogen werden und somit der wundervollen wirtschaftlichen Erholung der vergangenen Monate einen Dämpfer versetzen. Wenn man vielleicht den PC-Upgrade noch wagt, wird man derzeit große Cloud-Projekte oder den Bau eines neuen Rechenzentrums vermutlich eher hintan stellen. Und diese Investitionszurückhaltung wird sich über kurz oder lang auch auf das Wirtschaftwachstum auswirken.
Erste Marktbeobachter, wie etwa die von Forrester Research, senken bereits ihre Vorhersagen für das zweite Halbjahr. Die letzten Quartalszahlen großer Hersteller wie von Cisco oder Juniper zeigen, dass es trotz einer Phase der Erholung in dem vorausgegangenem Quartal für manchen durchaus hätte besser laufen können.
Vielleicht noch alarmierender ist jedoch die Tatsache, dass in der IT-Supply Chain bei vielen Distributoren und Zulieferern die Lagerhaltung steigt, wie die Experten von Mirae Asset, einem Investmenthaus aus Hongkong, meldet. Grund dafür sei die schleppende Nachfrage. In einer Studie heißt es:
“Bevor wir diese Studie durchführten, sind wir davon ausgegangen, dass Lagerbestandsprobleme auf Upstream-Halbleiterunternehmen beschränkt sein, vor allem durch das Beben in Japan hervorgerufen. Unsere Studie zeigt aber dass Downstream-Unternehmen, wie etwa EMS-Firmen, Distributoren/Retailer und Handset-Hersteller Lagerbestände halten, die mit denen während der Finanzkrise zwischen dem vierten Quartal 2008 und dem ersten Quartal 2009 vergleichbar sind. Wir machen dafür die Marktverlangsamung der letzten zwei bis drei Monate verantwortlich.”
Mit 50,9 Tagen hat zum Beispiel Qualcomm die höchste Lagerhaltung seit dem ersten Quartal 2009. Der LDC-Panels-Hersteller AU Optronics steigerte die Lagerhaltung von 43,3 auf 45,9 Tage. Ähnlich sehe es laut Mirae bei LG Display aus. Auch Vertragshersteller wie Flextronics, Sanmina-SCI oder Jabil hätten hohe Lagerbestände, genau wie etwa die Distributoren Ingram Micro, Tech Data oder Best Buy. Nokia, RIM und Motorola haben ebenfalls Lager wie zu Hochzeiten der Krise.
Forrester-Analyst Andrew Bartels hält in einem Blog fest, dass das Rezessionsrisiko durch die Kreditkrise und die damit zusammenhängende Herabstufung um 30 Prozent gestiegen sei. Er betont aber auch, dass es nicht nur schlechte Nachrichten gebe. So geben etwa die US-Arbeitsmarktdaten Anlass zu vorsichtigem Optimismus und der Ölpreis falle etwas. Ein schwacher Dollar könnte zudem die US-Exporte verbilligen.
“Es sieht so aus als würden die USA und Europa am Rand einer Krise entlang schlittern, aber nicht hineinfallen. Und wenn das der Fall ist, werden die Technologiemärkte in den USA und auch weltweit weiterhin mittlere einstellige Wachstumsraten, gemessen in den lokalen Währungen, erfahren, auch dann wenn keine neue Angestellten eingestellt werden. Schwächeres Wachstum und schwächeres Umsatzwachstum bedeutet, dass die Unternehmenseinkäufe von Technologiegütern in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr so stark sein werden, wie in der ersten Jahreshälfte 2011″, so Bartels. Aber das sei allemal besser, als der Einschnitt, mit dem bei einer echten Rezession zu rechnen wäre. Für genauere Schätzungen sei es derzeit aber noch zu früh.
Jenny Fenn, Vice President bei Gartner, sieht eine gewisse Verlangsamung. Doch sie ist weit davon entfernt in Panik zu verfallen: “Auch bei der vorangegangenen Krise gab es Investitionen. Diese richteten sich jedoch eher auf kurzfristig realisierbare Kosteneinsparungen in der IT als auf längerfristige Umsatzsteigerungen für das Unternehmen.”