Gebrauchte Software – war es das?

Im Juni gab es erste Meldungen darüber, dass eine Einkaufsgesellschaft eines Anbieters Insolvenz anmelden musste. Ferner gab es zahlreiche Meldungen über Gerichtsprozesse und nicht rechtskräftige Urteile. Diese Entwicklungen haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen der IT-Verantwortlichen im Allgemeinen und den Markt im Besonderen.

Der Handel mit gebrauchter Software fristet seit Jahren ein Nischendasein. Das Marktvolumen hat sich in einem niedrigen zweistelligen Millionenbereich eingependelt. Gehemmt wurde die Marktentwicklung durch eine juristische Diskussion, die mit den Bedarfen der Anwender und der Wirklichkeit oftmals nicht mithalten konnte. So lagen die Ziele der Protagonisten nicht darin, einen marktkonformen Konsens zu finden, sondern vielmehr (teilweise überzogene) eigene Interessen abzusichern.

“Glücksritter” tauchten am Markt auf und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Geformt wurde der Markt insbesondere durch drei bis vier Anbieter, die mit unterschiedlichen Geschäftskonzepten den großen Erfolg suchten. Einige Anbieter konzentrierten sich beim Vertrieb der gebrauchten Lizenzen überwiegend auf OEM-Produkte, andere übertragen Lizenzen durch Einbeziehung der Hersteller aus Volumenverträgen und Dritte erstellen ein eigenes Ökosystem aus Dokumenten, Testaten und Beglaubigungen.

Die Experton Group hat schon früh auf die entsprechenden Risiken verwiesen, und vertritt die Meinung: “Papier ist vom Teufel” – da kann jeder alles drauf schreiben, und dem Anwender einreden, dass das dann irgendwie noch Wert hat. Bedingt durch die nicht zeitgemäße Rechtslage zählt jedoch das Wort des Herstellers.

Die “Anbieter der ersten Stunde” – und einige der erwähnten Glücksritter – haben in den letzten Jahren gutes Geld verdient. Auch wenn sie für ihre Kunden teilweise Einsparungen von 30 bis 40 Prozent erzielen konnten, bedeutet dies nicht, dass ihre eigenen Margen gering waren. Die Preisfindung und Preisbildung auf Gebrauchtmärkten im Allgemeinen und bei Software im Besonderen sind regelmäßig nicht transparent. So haben Anwender-Unternehmen, die Lizenzen verkaufen oder kaufen wollen, oftmals keine Vorstellungen über den Wert bzw. Gegenwert der Lizenzen.

Doch die positiven Rahmenparameter scheinen sich für die Händler von gebrauchter Software und damit auch für die Anwender zu verflüchtigen. Es ziehen große Regenwolken auf. Eine Vielzahl von Gründen sprechen hierfür. Nachfolgend eine Auswahl

  • Das Bekanntwerden der Insolvenz einer Schweizer Einkaufsgesellschaft von usedSoft hat bei involvierten Anwenderunternehmen für Unruhe gesorgt. Ausschlaggebend für die Insolvenz sind laut usedSoft Meinungsverschiedenheiten mit einem Investor. Ferner sei die deutsche HHS usedSoft GmbH von der Insolvenz der Schweizer Einkaufsgesellschaft usedSoft AG nicht unmittelbar betroffen. Eine solche Aussage hilft den betroffenen Anwenderunternehmen im Ernstfall sicherlich nicht. Gleichfalls hat diese Situation nachhaltigen Einfluss auf das Vertrauen der Anwender in den Gesamtmarkt. Somit entsteht auch eine Kaufzurückhaltung bzw. eine Verlängerung der Validierungsprozesse.

  • Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 2-06 O 576/09, nicht rechtskräftig) einen usedSoft-Kunden wegen Verwendung angeblich gebrauchter Software zu Unterlassung, Auskunftserteilung und Löschung der installierten Software verurteilt. Zudem stellte das Gericht fest, dass der Kunde zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet ist.

Auch wenn das Urteil nur einen bestimmten Sachverhalt abbildet, und die Hintergründe des Verfahrens nicht zwingend eindeutig sind, führt die öffentliche Diskussion zu weiteren Verunsicherungen auf der Nachfrageseite – und somit zu einem Reputationsverlust des gesamten Markes.

  • Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 22. Juni 2010 die Berufung der HHS usedSoft GmbH gegen eine von der Adobe Systems Inc. erwirkte einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig (Az. 11 U 13/10). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens war der Verkauf zweier Lizenzen der Softwaresammlung ‘Adobe Creative Suite’ an eine hessische Gemeinde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die HHS usedSoft GmbH nicht wie behauptet legal gebrauchte Software oder gebrauchte Softwarelizenzen, sondern selbst gebrannte, das heißt gefälschte Datenträger mit Adobe-Software vertrieben hatte. Dementsprechend wurde das gegen usedSoft ergangene Verbot bestätigt, solche selbst gebrannten Datenträger mit Software von Adobe Systems zu verkaufen.

Auch hier gilt festzustellen, dass die Abbildung eines Teilaspekts auf den Gesamtmarkt durchaus negative Auswirkungen hat. Adobe hat es geschafft, durch hartes Durchgreifen den Markt für gebrauchte Lizenzen aus dem eigenen Hause trockenzulegen. Vor dem Urteil hatten sich schon viele Händler bewusst aus dem Geschäft mit Adobe-Produkten herausgehalten, danach ohnehin.

Ferner gibt es noch zahlreiche Beispiele für juristische Scharmützel zwischen Anbietern gebrauchter Software und der Softwareindustrie, die nie an das Licht der breiten Öffentlichkeit gelangt sind. Es gilt auch festzuhalten, dass die hier aufgeführten Fälle, in die regelmäßig usedSoft involviert ist, kein negatives bzw. einseitiges Bild auf dieses Unternehmen (diese Unternehmensgebilde) werfen soll. usedSoft hat jahrelang in eigenen Belangen – aber auch im Interesse eines freien Marktes – für das Thema Gebrauchtsoftware gekämpft. Ob die eingesetzten Mittel und das Geschäftsgebaren immer engelsgleich waren, steht auf einem anderen Blatt. Was aber auf dem gleichen Blatt steht, ist das Versagen des Marktes im Allgemeinen und das opportunistische Verhalten vieler Anwenderunternehmen.

Weder die Händler von gebrauchter Software, noch die Hersteller oder die Kunden (!) haben es in den vergangen zehn Jahren geschafft, einen verbindlichen Rahmenprozess und ein, für alle Teilnehmer, “akzeptierbares” Umfeld zu schaffen. Es wäre allerdings zu einfach, nur auf die Hersteller zu schimpfen. Eine fehlende Aktivität und Bereitschaft zur Opposition und somit eine Teilschuld am Marktversagen, muss auch den Entscheidern in Anwenderunternehmen zugesprochen werden. Auch die Anwender sind in der Pflicht, diesen Markt zu entwickeln. Viele von ihnen wollen zwar einerseits von den Vorteilen profitieren, sind aber auf der anderen Seite nicht bereit, eindeutig Position zu beziehen, und ihrer Marktposition gerecht zu werden.

Ich habe in den letzten Jahren mit vielen Entscheidern gesprochen, die sich über erhebliche Einsparungen freuten, und ihr geschäftliches Geschick herausstellten. An die Öffentlichkeit gehen wollten die wenigsten. Aus Angst vor Restriktionen (Audits) scheuen viele der mächtigen IT-Manager eine öffentliche Diskussion. Doch gerade hierdurch haben sie sich Chancen für die Zukunft verbaut. Sowohl für den Bereich gebrauchte Software, als auch für andere Themen.

So hat der Gebrauchtsoftwaremarkt Signalwirkungen für andere Bereiche der IT-Industrie. Es geht nämlich um viel mehr als um einige gesparte Euro oder einige alte Lizenzen – das ist zwar auch wichtig, aber zweitrangig. Es geht um Emanzipation von Industrie und Anwender. Es geht um Verhandlungspositionen bei der nächsten Erhöhung der “Wartung und Support”-Sätze und Themen wie die “Drittwartung” von Software, und das Durchbrechen des Angebotsoligopols. Eine wesentliche Grundlage unseres Wirtschaftssystems ist der freie Handel und der ungestörte Austausch von Erzeugnissen, Produkten und Dienstleistungen. Alle Anwendervereinigungen und CIO-Verbände bleiben zahnlose Tiger, wenn sie die öffentliche Diskussion und die sachliche Konfrontation mit der Industrie scheuen.

Die Experton Group empfiehlt Anwenderunternehmen weiterhin sich kritisch mit der Option Gebrauchtsoftware zu beschäftigen. Es gilt jedoch die Anforderungen an die Anbieter dieser Lizenzen zu steigern – insbesondere bei Volumenlizenzen. Hierzu zählen deutlich transparentere und verbesserte Preise, Absicherungen (Avale) gegen Forderungen Dritter (exemplarisch der Softwarehersteller) sowie Einbeziehung der Hersteller in den Übertragungsprozess.

Silicon-Redaktion

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