Wer schluckt HPs PC-Sparte?
HP hat angekündigt, die in der Personal Systems Group (PSG) organisierte PC-Herstellung in den kommenden 12 bis 18 Monaten auszugliedern. Doch welcher Hardware-Hersteller kann einen Kaufpreis von 10 bis 12 Milliarden Dollar aufbringen? Analysten bringen Lenovo und Samsung ins Spiel.
Die PSG ist umsatzstark und profitabel. Allein im dritten Geschäftsquartal 2011 brachte das PC-Geschäft dem Hersteller einen Umsatz von 9,59 Milliarden Dollar ein. Damit war die PSG die umsatzstärkste Abteilung des Unternehmens. Die Marge der PSG lag nach Angaben von Brian Marshall, Analyst bei Gleacher & Co., im Jahr 2010 bei 5,4 Prozent, während die Marge des gesamten Unternehmens 11,7 Prozent betrug.
Analysten schätzen den Wert der PSG auf 10 bis 12 Milliarden Dollar – das ist etwa das Fünffache dessen, was Lenovo im Jahr 2004 für das PC-Geschäft von IBM bezahlte. “Die Personal Systems Group ist so groß, dass es unwahrscheinlich ist, dass die gesamte Einheit von einem Unternehmen gekauft wird”, sagte Ovum-Analyst Carter Lusher der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Agentur hat aus Bankenkreisen erfahren, dass Acer und Lenovo ein Auge auf die PSG geworfen haben. Aus Industriekreisen verlautete zudem, dass der Apple-Auftragsfertiger Foxconn Interesse habe. Bei der PC-Fertigung gehe es vor allem um Skaleneffekte, sagte ein Bank-Mitarbeiter. Ein Unternehmen, das sich für die PSG interessiere, wolle vor allem seinen Marktanteil ausbauen. Quanta Computer, der größte HP-Zulieferer, gelte dagegen nicht als potentieller Käufer, da es bei einer Übernahme zu Konflikten mit anderen Quanta-Kunden kommen könne. Quanta mache derzeit 30 Prozent seines Umsatzes mit HP.
Ein heißer Anwärter ist Lenovo, derzeit nach HP und Dell einer der größten PC-Hersteller. Nach diesen Angaben verfügt Lenovo über eine Bargeldreserve von 3,8 Milliarden Dollar. Erst im Juni übernahm Lenovo den Aldi-Lieferanten Medion für 629 Millionen Euro. HPs PC-Geschäft zu kaufen, könne für Lenovo sinnvoll sein, so ein Banker. IBMs PC-Geschäft sei damals mehr auf Firmen ausgerichtet gewesen, während HPs PC-Fertigung vor allem an Privatkunden gerichtet sei.
Ein anderer potentieller Käufer ist Samsung. Laut Reuters verfügte das Unternehmen zum Ende des zweiten Quartals über einen Bargeldbestand von 17,7 Milliarden Dollar. “Nur Samsung und Lenovo haben das Geld, um HPs PC-Geschäft zu kaufen – sie müssen jedoch prüfen, ob das überhaupt zu ihren Geschäftsmodellen passt”, sagte Vincent Chan, Analyst bei Yuanta Securities. Wenn HP das PC-Geschäft zusammen mit dem Server-Geschäft anbiete, komme auch Huawei als Käufer in Frage, so Chan.
Acer und Asus haben nach Angaben von Analysten nicht genug Mittel, um die gesamte PSG zu kaufen, könnten jedoch zum Zuge kommen, wenn die PSG teilweise veräußert wird. Asus habe kein Interesse an HPs PC-Geschäft, sagte David Chang, Asus Chief Financial Officer, gegenüber Reuters. Asus konzentriere sich auf das eigene Geschäft. Ob Acer an einer PC-Fertigung Interesse hat, ist ebenfalls fraglich. Der Hersteller hat sich in jüngster Zeit auf mobile Geräte konzentriert, erst im März trat CEO Gianfranco Lanci zurück.
“Der Countdown für PSG läuft”, kommentierte Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer des Marktforschers IDC Deutschland. HP müsse sich jetzt mit dem Verkauf beziehungsweise der Ausgründung der PSG-Sparte beeilen. “Die Meldung wird zweifellos die besten PSG-Mitarbeiter zum Abwandern bewegen.” Schon in drei Monaten werde die PSG ein wenig anders aussehen als heute. “In 18 Monaten ist PSG als Organisation wahrscheinlich nicht mehr wiederzuerkennen.”
Solange die Lage der PSG noch unklar sei, müsse HP hart daran arbeiten, mit Hilfe seiner Technology Services auch in Zukunft für Wachstum im Unternehmens-PC-Geschäft zu sorgen, so Moussavi-Amin. Preisbewusste Kunden kauften PCs auch weiterhin zum günstigsten Preis im Laden, doch bei den Unternehmenskunden sehe das anders aus. Schaffe es HP nicht, hier schnell eine Lösung zu finden, würden Großunternehmen – die von ihren Lieferanten klare Produkt-Roadmaps, ein stabiles Image und eine garantierte langfristige Verfügbarkeit für die Geräte fordern – der HP-Konkurrenz den Vorzug geben. “Eben diese Konkurrenten werden sich jetzt wohl rüsten und aggressiv um das HP-Geschäft kämpfen.”
Mit seinen Technology Services könne HP jedoch den Support für diese Produkte auch lange nach einem etwaigen Deal sicherstellen. Zudem stehe – wie es auch bei dem Lenovo-Deal der Fall war – zu erwarten, dass HP über eine langfristige Reseller-Vereinbarung “HP-PCs” auch nach einer Ausgründung verkaufen könne.
Sicher werde der eine oder andere Anbieter – insbesondere Samsung und Lenovo – den Kauf von PSG in Erwägung ziehen, so Moussavi-Amin. “Das wäre in jedem Fall ein Riesending, egal wer nun letztlich der Käufer ist. Beide Hersteller verfolgen aggressive Wachstumspläne und wenn diese umgesetzt werden, dann werden die Karten in der gesamten PC-Welt wohl neu gemischt.”
HPs Pläne, die PC-Sparte abzustoßen, seien nichts Ungewöhnliches, sagte Ronald Paschen, Partner beim Outsourcing-Berater TPI Deutschland. Das Outsourcen der Hardware-Produktion sei in der PC-Industrie Usus. “Meine Schlussfolgerung ist, dass dieser Schritt für HP zu einer langfristigen Rentabilität führen wird.” Durch den weiteren Umbau in Richtung Dienstleistung könne sich HP in der Produktion auf Kernbereiche wie Drucker und medizinische Geräte konzentrieren.
Léo Apotheker sei seinerzeit mit dem Ziel angetreten, den Software- und Servicebereich bei HP zu verstärken, und dies sei ganz klar ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Paschen: “Allerdings drängen sich für mich in diesem Zusammenhang zwei Fragen auf: Wird HPs Field Service quasi als Nächstes zur Diskussion stehen? Und was passiert mit Dell? Schließlich ist der PC-Bereich dieses Unternehmens der margenschlechteste…”