Ist Yahoos Niedergang noch zu stoppen?

Der Zeitpunkt für den Rauswurf der Managerin scheint ungünstig gewählt. Im September veranstaltet Yahoo ein großes Kunden-Event, zudem steht das vierte Quartal des Jahres bevor – traditionell eine Umsatzstarke und arbeitsreiche Zeit. Ausgerechnet jetzt die Firmenchefin rauszuwerfen, ist, wie Gartner-Analyst Allen Weiner es ausdrückt, “merkwürdig”.

Dass es so weit gekommen ist, ist derweil für Branchenbeobachter keine Überraschung. Seit Bartz im Januar 2009 das Ruder bei Yahoo übernommen hat, ist es ihr nicht gelungen die dringend benötigte Kehrtwende herbeizuführen. Mit weiteren Kündigungen hatte Bartz zwar in den vergangenen Monaten die Kosten gesenkt – auf der anderen Seite war es aber nicht gelungen, Branchenprimus Google ernsthaft die Stirn zu bieten.

Die Such-Allianz mit Microsoft wurde für beide Beteiligten zur Enttäuschung, zudem laufen Yahoo seit Jahren reihenweise die Manager davon. Der Mangel an pfiffigen Köpfen gilt als einer der Gründe für das schwache zweite Quartal.


Chairman Roy Bostock griff zum Telefonhörer. Quelle: CNET

Es gab also durchaus einleuchtende Gründe, Carol Bartz vor dem offiziellen Ende ihrer Vertragslaufzeit zu entlassen. Ebenso wie der gewählte Zeitpunkt löst aber auch die Art und Weise allgemeines Kopfschütteln aus. “Es tut mir sehr leid, Euch mitteilen zu müssen, dass mich der Aufsichtsratsvorsitzende von Yahoo gerade per Telefon gefeuert hat”, so die 63-Jährige in einer E-Mail an alle Mitarbeiter. Kurz darauf folgte das offizielle Statement von Yahoo.

Aufsichtsratschef Roy Bostock nennt darin keine Gründe für die Entscheidung. “In Namen des Aufsichtsrats möchte ich mich bei Carol für ihre Arbeit währen einer kritischen Übergangszeit in der Unternehmensgeschichte bedanken.” Im Nachsatz verweist Bostock dann noch auf die schwierige wirtschaftliche Lage während Bartz Amtszeit.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, die Board-Mitglieder hätten sich in den vergangenen Wochen einstimmig dafür entschieden, sich von Bartz zu trennen. An der entscheidenden Abstimmung hätten Bartz und Yahoo-Mitgründer Jerry Yang nicht teilgenommen – beide sind ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrats.

Interims-CEO wird nun der bisherige CFO Tim Morse. Ein neu gegründetes “Executive Leadership Council” soll ihm dabei helfen, die Aufgaben des Tagesgeschäfts zu meistern – solange bis ein neuer CEO gefunden ist. Zudem soll das Gremium die strategische Ausrichtung von Yahoo auf den Prüfstand stellen und so den Grundstein für künftiges Wachstum legen.

Yahoo sei es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, eine Identität aufzubauen und diese an Mitarbeiter, Werbetreibende, Partner und Kunden zu verkaufen, sagt Gartner-Analyst Weiner. Dabei hat der Konzern nach seinen Worten durchaus Potential: Der Messaging-Dienst werde weltweit von hunderten Millionen genutzt, hinzu kämen starke Geschäftsbereiche rund um die Themen Sport, Nachrichten und Finanzwirtschaft.


Ross Levinsohn. Quelle: Yahoo.

“Yahoo muss nur noch einen Anführer finden, der eine Vision vorgibt, wie sich die Einzelteile zu einem stimmigen Ganzen zusammensetzen lassen.” Morse spiele in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Kein erfolgreiches Medienunternehmen der jüngeren Vergangenheit werde von einem Finanz-Experten geleitet. Konkret bringt der Gartner-Analyst Ross Levinsohn als neuen CEO ins Gespräch. Levinsohn leitet aktuell als Vice President die Amerika-Geschäfte von Yahoo.

Oder aber der Konzern mache sich extern auf die Suche nach einer charismatischen Führungspersönlichkeit, die “an den richtigen Stellen von Yahoos ‘Rubic Cube’ dreht”. Einem “Manager wie Steve Jobs” könne es gelingen die frühere Kultmarke neu zu beleben.

Der Optimismus von Aufsichtsratschef Bostock klingt bodenständiger: “Der Aufsichtsrat sieht enorme Wachstumsmöglichkeiten, die Yahoo nutzen kann. Wir haben talentierte Teams, denen erhebliche Ressourcen zur Verfügung stehen, und wir beabsichtigen, das Unternehmen auf einen Wachstumspfad zurückzuführen.” Das hatte – nahezu wortgleich – Carol Bartz 2009 bei ihrem Amtsantritt auch gesagt.

Silicon-Redaktion

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