Ein offener gesellschaftlicher Austausch sei nur durch überwachungsfreie Kommunikation möglich, so der Tenor aller Reden. “Das Internet als digitalen Raum für mehr Demokratie muss bewahrt und weiterentwickelt werden”, sagte die Bürgerrechtlerin Rena Tangens. Wie die Demokratie im Informationszeitalter aussieht, werde jetzt entschieden.
Matthias Monroy von der Redaktion Bürgerrechte & Polizei/CILIP sagte, mit dem künftigen “Terrorrismusbekämpfungsergänzungsgesetz” wolle die Bundesregierung die vor zehn Jahren erlassenen Befugnisse zur Überwachung und Kontrolle permanent etablieren. Weiterhin sollten Daten von Fluggesellschaften und internationalen Reservierungssystem abgefragt, Kontaktdaten von Banken erfasst, Stammdaten beim Bundessteueramt eingesehen sowie Bestands- und Verkehrsdaten bei Telekommunikationsfirmen abgefragt werden. Diese umfassende Vorratsdatenspeicherung sei abzulehnen. Zudem würden neue polizeiliche oder geheimdienstliche Vollmachten nicht evaluiert und unterlägen keiner gesellschaftlichen Auseinandersetzung.
Gerade im Internet begangene Straftaten würden auch ohne Vorratsdatenspeicherung weit häufiger aufgeklärt als sonstige Straftaten, sagte Patrick Breyer, Jurist und Mitglied des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. Nach Einführung einer Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten im Jahr 2009 sei die Aufklärungsquote gesunken. Eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung führe dazu, dass Straftäter auf geschützte, anonymisierte oder nicht-elektronische Kommunikationskanäle auswichen und dadurch selbst bei dringendem Verdacht einer schweren Straftat nicht mehr zu überwachen seien.
“Ohnehin führt eine IP-Adresse häufig nur zu einem Internetcafe, einem Hotspot oder einem Anonymisierungsdienst, so dass Opfern durch Vorratsdaten nicht geholfen ist,” so Breyer. “Sie würden nicht sicherer leben in einem Staat, in dem jede E-Mail, jeder Klick und jede Veröffentlichung im Internet rückverfolgbar ist.” Umgekehrt gebe es viele Situationen, in denen eine Vorratsdatenspeicherung Opfern von Straftaten schade. Beispielsweise habe die Telefonseelsorge einen verzweifelten Schüler, der einen Amoklauf plante, nur deshalb von seinem Plan abbringen können, weil dieser ohne Furcht vor Rückverfolgung anrufen konnte. Auch Missbrauchs- und Stalkingopfer könnten sich nur im Schutz der Anonymität untereinander austauschen und helfen.
“In einem Staat, der uns nicht wie Kinder unter ständige Aufsicht stellt, sondern uns vertraut, leben Sie sowohl glücklicher als auch sicherer!” Wir sollten uns weder von Betrügern, noch von Terroristen unsere Freiheit kaputt machen lassen, so Breyer. “Wir wollen diesen wichtigen Schutz, diese wichtige Unbefangenheit nicht allen wegnehmen lassen, nur weil Einzelne sie missbrauchen. Wir dürfen uns nicht aus Angst vor dem Tod selbst umbringen!” Breyer verwies auf eine Online-Petition gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die bislang von mehr als 25.000 Menschen unterzeichnet wurde.
Der AK Vorratsdatenspeicherung hatte sich in einer Stellungnahme kritisch zum jüngsten Vorschlag der Bundesjustizministerin für eine neuerliche Internet-Vorratsdatenspeicherung geäußert. Damit drohe das Ende der anonymen Information und Kommunikation im Internet. “Die IP-Vorratsspeicherung unserer Identität im Internet würde zu dem führen, was vom Bundesverfassungsgericht als ‘diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins’ bezeichnet worden ist. Das wäre Gift für eine demokratische Gesellschaft.”
Zwar werde von Politikern immer wieder betont, es gehe nur um ‘Verkehrsdaten’, so Katarzyna Szymielewicz von der polnischen Stiftung Panoptykon. Zudem werde behauptet, es handele sich um Wunderwaffe der Sicherheitspolitik. “Beides ist falsch. Unsere Kommunikations- und Lokationsdaten sagen sehr viel über unser Leben aus.” Im Ernstfall lasse sich damit der Alltag eines Menschen abbilden und sogar vorhersagen. Den Nachweis, dass es für ein Mehr an Sicherheit der Datensammelei bedürfe, seien die Behörden europaweit schuldig geblieben.
Auch die Verfassungsgerichte verschiedener Mitgliedsländer hätten die entsprechende EU-Richtlinie überaus kritisch beurteilt. Das Bundesverfassungsgericht habe einen ersten Umsetzungsversuch verworfen – aber auch in Rumänien, Bulgarien und Zypern seien die Vorratsdatengesetze wieder aufgehoben worden. Inzwischen rege sich in verschiedenen Parlamenten Europas und auf Regierungsebene Widerstand dagegen, die EU-Richtlinie unverändert fortzuschreiben. Die Richtlinie werde in den nächsten Monaten in Brüssel evaluiert. Dorthin laden die ‘Freiheit statt Angst’-Bündnispartner zwischen dem 17. und 19. September zu einer Demonstration und Aktionstagen ein.
Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft e.V. und Betreiber des Blogs Netzpolitik.org, sprach sich für die Netzneutralität und ein zeitgemäßes Urheberrecht aus: “Ohne Netzneutralität werden am Ende aus dem Internet schlechtere Fernseher, der Traum mancher Medienkonzerne, aber kein Traum der Nutzer. Wir müssen für ein modernes Urheberrecht streiten, bei dem sich niemand mehr traut, Dinge wie die Abschaltung des Zuganges zu fordern. Für mich ist der Zugang zu Information und Kommunikation ein Menschenrecht.”
Nach Angaben von Uta Wagenmann vom Gen-ethischen Netzwerk wächst die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes (BKA) pro Monat um 8000 Profile. Bisher seien in der Datenbank über 700.000 Personen mit DNA-basierten Profilen gespeichert. “Weniger als vier Prozent der Daten beziehen sich auf schwere Straftaten”, führte Wagenmann aus. Die Expansion der Datenbank des BKA gehe auf eine Gesetzesreform aus dem Jahre 2005 zurück. Seither dürfe die Polizei auch bei Bagatelldelikten die DNA von Beschuldigten aufnehmen. Zudem ermögliche das Gesetz auch die Aufnahme der DNA ohne richterliche Anordnung.
Wagenmann kritisierte, dass die Rechtmäßigkeit der DNA-Profile nur selten und wenn nur stichprobenartig erfolge. Die Aktivistin berichtete, dass nach einer Überprüfung durch den Landesdatenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg im Jahre 2007 mehr als 40 Prozent der Datensätze gelöscht werden mußten. “Wir fordern die Bundesregierung auf, die Erstellung von DNA-Profilen grundsätzlich zu beschränken.” Weiter forderte sie die routinemäßige Löschung von DNA-Datensätzen. Zudem müsse Deutschland aus dem Abkommen über den transatlantischen Datenaustausch mit den USA aussteigen.
Medizindaten seien kein Geschäftsfeld, sagte Dr. med. Silke Lüder, Allgemeinärztin in Hamburg-Bergedorf und Sprecherin des Aktionsbündnisses Stoppt die e-Card. “Nichts hat funktioniert”, sagte Lüder zu den Ergebnissen der Tests, mit denen die Tauglichkeit der elektronische Gesundheitskarte geprüft wurde. Die Abläufe in den Praxen verlangsamten sich. Nicht mehr, sondern weniger Gesprächszeit für die Patienten sei die Folge.
Normalerweise sollten Testergebnisse zur Einstellung kostspieliger Projekte führen, doch bei der digitalen Patientenkartei gehe es um viel Geld für die IT- und Gesundheitsindustrie, so die Ärztin: “Geld, das nutzlos verbrannt wird.” Etwa 14 Milliarden Euro solle das Projekt kosten. Die angeblichen Einsparpotenziale, welche die Chipkarte mit sich bringen soll, seien das Ergebnis von Phantasie-Kalkulationen. “Die Gesundheitswirtschaft wünscht, in den Besitz der Medizindaten zu kommen, das ist der tiefere Hintergrund der Weiterführung des schon im Vorwege gescheiterten e-Card-Projektes”, so Lüder.
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