CIO als Staatsmodernisierer

silicon.de: Sie sind als CIO für das große Projekt Staatsmodernisierung in Sachsen verantwortlich?

Dr. Wilfried Bernhardt: Der Beauftragte für Informationstechnologie des Freistaates Sachsen – CIO – ist auf Staatssekretärsebene angesiedelt und insoweit im Staatsministerium der Justiz und für Europa auch zuständig für die Staatmodernisierung. Insoweit können wir Aspekte der Weiterentwicklung der Informationstechnologie mit Aspekten der Modernisierung der Verwaltungsstrukturen – Prozessverbesserung, Aufgabekritik, Fragen der Privatisierung – verbinden.


Staatssekretär Dr. Wilfried Bernhardt

silicon.de: Wenn wir Ihre Aufgaben teilen. Für wie viel Anteile Informationstechnologie sind Sie zuständig, wie viel ist Organisation und Verwaltungsstruktur?

Bernhardt: Das lässt sich sehr schwer in Prozentzahlen belegen. Ich bin nicht gezwungen, bei jeder Entscheidung der Frage nachzugehen, in welchem konkreten Ausmaß jeweils IT oder Organisation betroffen sind. Beide Bereiche greifen ineinander. Jede IT-Frage hat auch einen Organisationsaspekt.

silicon.de: Sehen Sie sich als “Connected CIO“?

Bernhardt: Der Begriff in Deutschland ist offensichtlich noch nicht so weit verbreitet. Aber Connected CIO legt natürlich einige Vorstellungen nahe.
Meiner Meinung nach achtet der Connected CIO nicht ausschließlich auf die Lösung von technischen Fragen, sondern er schaut auch über diesen Tellerrand hinaus. Der Connected CIO hat offensichtlich nicht nur eine einzelne Funktion – sondern die Verantwortung für das Funktionieren der Organisation und ist mit anderen Funktionsträgern vernetzt.

silicon.de: Ihr großes Problem ist – wenn ich Sie richtig verstanden habe – der demografische Wandel in Sachsen. Das ist der Treiber für die “Staatsmodernisierung” …

Bernhardt: Der demografische Wandel ist eine wesentliche Rahmenbedingung, die unser Handeln bestimmt. Es ist richtig, insbesondere die Staatsmodernisierung vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Weiterentwicklung der Informationstechnologie gibt die passenden Antworten auf den demografischen Wandel. Beispielsweise fragen wir uns, was wir unternehmen müssen, wenn der Staat nicht mehr in allen Bereichen in gleicher Weise durch Bedienstete vor Ort präsent sein kann wie in der Vergangenheit.

Der Staat wird vollständig vom Funktionieren der IT abhängig

silicon.de: Sie selber sprachen von einer paradoxen Situation. Ein Unternehmen würde in einer ähnlichen Situation mit schrumpfenden Kundenzahlen Produkte einstellen, Services begrenzen, Unternehmensbereiche schließen. Diese Optionen zum Schrumpfen hat der Staat nicht.

Bernhardt: Ich habe nicht formuliert, dass der Staat nicht schrumpfen kann. Richtig ist: Er muss schrumpfen. Ich mache das auch an der künftigen Zahl der Mitarbeiter deutlich. Wir werden im Jahr 2020 erheblich weniger staatliche Bedienstete als heute haben.

Aber das kann nicht die einzige Antwort sein auf die Problemstellung des demografischen Wandels. Deshalb beschäftigen wir uns mit der Frage, wie der Staat Aufgaben auf andere Weise als gegenwärtig wahrnehmen kann. Dazu gehört die Frage, wie wir die Informationstechnologie so ausbauen können, dass Aufgaben künftig effizienter wahrgenommen werden.
Wir wollen den Bürgern mit Hilfe der Informationstechnologie auch eine Kompensation geben – etwa für längere Wege oder weniger Mitarbeiter in den Verwaltungsbehörden.

silicon.de: Sprechen wir über das Budget. Bevor Informationstechnologie Prozesse effizienter machen kann, wird sie viel Geld kosten. Haben Sie in Ihrer gemeinsamen Verantwortung für Prozesse und für Informationstechnologie bessere Argumente als andere CIOs, die häufig um ihr Budget kämpfen müssen?

Bernhardt: Wir haben ein Budget, aber ich wäre schlecht beraten, wenn ich sagen würde, dass das Geld immer reicht. Für Bereiche, in denen viel investiert werden muss, brauchen wir die hierfür erforderlichen Mittel.

Für die Informationstechnologie gilt aber auch wie in anderen Politikbereichen: Wir sind gezwungen zu sparen. Aber genau das kann hilfreich sein bei der Setzung von Schwerpunkte oder Prioritäten.

silicon.de: Mit der angesprochenen Staatsmodernisierung legen Sie wichtige, staatliche Prozesse in die Verantwortung der Informationstechnologie. Die Aufgabe des CIOs ist es sicherlich hier Risiken zu analysieren und zu bewerten. Wird der Staat durch die von Ihnen betriebene ‘Staatsmodernisierung’ angreifbarer?

Bernhardt: Je stärker ein Verwaltungshandeln von der Informationstechnologie abhängig ist, desto stärker werden auch die Risiken. Unter dem Aspekt der IT-Sicherheit kann man nicht leugnen, dass es diese zusätzliche Gefährdung gibt. Wir sind uns dieser Bedrohung bewusst und es wird eine große Herausforderung sein, die zunehmende Durchdringung des Verwaltungshandeln durch IT so sicher zu machen, dass der Staat nicht automatisch anfälliger wird.

CIO muss Medienkompetenz vermitteln

silicon.de: Können Sie als CIO – oder Connected CIO – Ihren Kollegen diese Risiken augenscheinlich machen und zu Sorgfalt beim Umgang mit der Informationstechnologie motivieren?

Bernhardt: Das sehe ich als einen großen Vorteil eines CIOs, der nicht nur für die Technik zuständig ist, sondern auch Verantwortung für einige im Zusammenhang stehende Organisationsfragen. Es ist ein Vorteil, wenn ich bestimmte organisatorische Aspekte tatsächlich technisch begründen kann – und umgekehrt.

Nehmen Sie als Beispiel die elektronische Aktenverwaltung. Diese Art der Aktenverwaltung wird innerhalb der staatlichen Organisation eine bestimmende Bedeutung bekommen. Die Mitarbeiter in den Verwaltungen werden in Zukunft vollständig von dem Funktionieren dieser Technologie abhängig sein. Das gesamte staatliche Verwalten nach Innen und nach außen wird von Informationstechnologie abhängen. Umso entscheidender ist, dass diese Technologie sicher ist.

silicon.de: Damit die Verwaltung funktioniert, ist es sicherlich wichtig, dass auch die Bevölkerung bei ihren Anfragen mit der Informationstechnologie umgehen kann. Sehen Sie bei einer immer älter werdenden Bevölkerung eine immer kleiner werdende Affinität zum Computer und damit weniger Bewusstsein für IT-Sicherheit.

Bernhardt: Ich denke das Verständnis für die Notwendigkeit einer IT-Sicherheit hängt nicht ohne weiteres vom Alter ab. Da macht man sich zu Unrecht Sorgen, wenn man sagt, Achtzigjährige würden ungezwungener mit den Risiken der Computernutzung umgehen als jüngere Leute, eher im Gegenteil. Die Skepsis gegenüber der Informationstechnologie wächst sicherlich bei vielen älteren Menschen. Ich denke, IT-Sicherheit wird kein spezifisches Problem für Ältere sein. Oder umgekehrt: Das Alter der Menschen ist kein explizites Problem der IT-Sicherheit.

Es kommt allerdings darauf an, bei der Fortentwicklung der Informationstechnologie stets den Sicherheitsaspekt mitzudenken.

silicon.de: Das ist dann eher ein Problem, das bereits in Schulen oder im Kindergarten vermittelt werden sollte.

Bernhardt: Das wird ja auch unter dem Gesichtspunkt der Medienkompetenz diskutiert. Kinder, die spielend in die IT-Medien hineinwachsen, müssen genauso auch über die Risiken zum Beispiel bei der Nutzung der IT informiert werden, etwa bei der Preisgabe ihrer eigenen Daten in ‘Sozialen Netzen’. Das ist ja neben dem Aspekt der IT-Sicherheit auch eine Frage der Selbstachtung und der Selbstbestimmung.

silicon.de: Liegt denn die Medienkompetenz in Sachsen ebenfalls in dem Verantwortungsbereich des CIOs?

Bernhardt: Ja, insoweit es die Fortentwicklung von Instrumentarien betrifft. Aber die Kollegen, die für Schulen und Bildung verantwortlich sind, entwickeln hier auch viele eigene Konzepte, die wir gemeinsam umsetzen.

silicon.de: Als Connected CIO sind Sie auch mit diesen Kollegen in anderen Ministerien im Gespräch?

Bernhardt: Ja natürlich, so ist das.

Silicon-Redaktion

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