“2.0-Software wehrt sich gegen Dokumentation”, sagt Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der Project Consult Unternehmensberatung. Mit seinem Vortrag auf dem IBM Social Business JamCamp in Frankfurt – Überschrift: “Social Business und Compliance” – will er auch provozieren. Deshalb stellt er viele jener Fragen, die von Social-Web-Jüngern gerne mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt werden.
Muss – und kann ich überhaupt – kontrollieren, welche Informationen Mitarbeiter über ihr Unternehmen in sozialen Netzwerken weitergeben? Muss ich das regulieren? Welche rechtlichen Folgen hat der Wandel zum Social Business?
“Für das Web 2.0 gelten dieselben Gesetze wie für die Papierdokumentation.” Was das bedeutet, beschreibt Kampffmeyer mit einem Beispiel aus der Welt der Schnäppchenplattformen. Werbung für ein Sonderangebot flattert Anwendern inzwischen auch schon mal per Twitter ins Haus – solche Tweets mahnen beispielsweise zur Eile: Nur wer bis 17 Uhr bestellt, bekommt 5 Prozent Rabatt extra.
Ein solcher Tweet habe im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) Belegfunktion, sagt Kampffmeyer, und sei somit relevant für das Steuerrecht. “Aber wer archiviert schon einen Tweet, der ein Sonderangebot anpreist?”. Eine rhetorische Frage.
Der eigentliche Kern des Problems liegt aber nicht im Social Web, sondern existiert, seit Menschen Informationen austauschen: “Wie erkenne ich den Wert einer Information”, bringt der Experte die Herausforderung auf den Punkt. “Das haben wir bei E-Mails schon nicht geschafft.”
Bei IBM beispielsweise gibt es nach eigenen Angaben inzwischen 12.000 interne Blogs. Ende des Jahres – so die Vorgabe des Managements – sollen 20 Prozent der Mitarbeiter in sozialen Netzwerken aktiv sein. Policies und Richtlinien stecken die Grenzen dessen ab, was erlaubt ist. Compliance-Experte Kampffmeyer zweifelt, dass das funktionieren kann: “Wer entscheidet, was geschäftsrelevant ist und sorgt dafür, dass die Inhalte so archiviert werden, dass sie wieder auffindbar sind? Wer weiß überhaupt noch, wer was wo und über wen veröffentlicht hat?”
Dennoch ist der Berater kein Gegner des Social-Business-Gedanken. Nach seiner Meinung können aber nur Unternehmen in sozialen Netzwerken aktiv werden, die auch über eine entsprechende Kultur verfügen. Letztendlich gehe es um das Vertrauen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern. “Wir können nicht alles regeln, aber Entscheidungen treffen, wie man mit Risiken umgeht.”
Ähnlich sieht das auch IBM-Manager und JamCamp-Organisator Stefan Pfeiffer, der am Ende von Kampffmeyers Rede auf die Bühne tritt. Die beiden Manager haben nach eigenen Worten schon oft über ihre Sicht auf das Social Business heiß diskutiert. Einen gemeinsamen Nenner haben sie inzwischen gefunden: “Aufklärung ist das beste Risk Management.”
Auf diesem Gebiet engagiert sich unter anderem Joachim Haydecker, der Firmen auf ihrem Weg ins Social Web berät. Er hat, wie viele andere Konferenzteilnehmer, die Beobachtung gemacht, dass Firmen aktuell vor allem mit sozialen Netzwerken experimentieren, wenn es um die interne Kommunikation geht. An den Austausch mit Kunden, Partnern, Entwicklern über offene soziale Plattformen wagen sich bislang nur wenige. Das führt zu einem Phänomen, das Haydecker im Video-Interview mit silicon.de als “Doppelleben im Internet” bezeichnet.
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Wie der – interne – Start ins Social Business gelingen kann, wurde in Frankfurt von mehreren Sprechern beschrieben. Kurt De Ruwe, CIO bei Bayer MaterialScience, plädierte vor allem für ein Ende persönlicher Ordnerstrukturen – etwa im E-Mail-Posteingang. “Ordner-Strukturen sind etwas persönliches, wer nicht eingeweiht ist, hat keinen Zugang zu den dort abgelegten Informationen.” Gift also für den Austausch im Sinne sozialer Netzwerke. De Ruwe baut dagegen auf Social Tagging und hat E-Mails für Informationen aus dem Management abgeschafft. Stattdessen gibt es einen Blog, auf dem die relevanten Informationen nachgelesen werden können.
IBM Vice President Sandy Carter beschrieb in ihrer Eröffnungs-Keynote den kanadischen Eletronik-Herstellers Celestica, dem der Wechsel zu einer Social-Business-Kultur bereits gelungen sei. Die Firma motiviert Mitarbeiter – auch dank eines Incentive-Systems – Ideen weltweit auszutauschen. Die Zahl der Innovationen ist seitdem gestiegen, die Entwicklungskosten sind gesunken.
Carter ist überzeugt, dass Firmen zukünftig keine andere Wahl haben, als das Social Web auch in die externe Kommunikation mit einzubeziehen: “Eine Firma kann entscheiden, sich nicht an den Diskussionen im Social Web zu beteiligen – aber sie kann die Anwender nicht daran hindern, über die Firme zu sprechen.”
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