Auch Reis nicht – er selbst profitierte auch wirtschaftlich nicht von der Entwicklung. Seine Ergebnisse waren unter Wissenschaftlern zwar bekannt, diese erkannten das Potenzial jedoch nicht. Das könnte auch daran gelegen haben, dass die Versuchsanordnung von Reis nur die Kommunikation in eine Richtung ermöglichte: man konnte lediglich etwas durchsagen. Außerdem war die Qualität der Übertragung schlecht. Der berühmte erste Satz “Das Pferd frisst keinen Gurkensalat” wurde vom Telefon zwar übertragen, der Empfänger verstand jedoch nur “Das Pferd frisst.”

1876, 15 Jahre nach dem Vortrag von Reis in Frankfurt, ließ der US-amerikanische Taubstummenlehrer Alexander Graham Bell einen Apparat patentierten, der diese Schwächen beseitigte. Sein Gerät hatte eine Muschel, mit der man Sprache sowohl übertragen als auch empfangen konnte. Bell kannte die Arbeiten von Reis. Mit der Patentanmeldung legte Bell den Grundstein für die Bell Telephone Company – heute AT&T.

Auch in Deutschland hielt das Telefon über Bells Geräte Einzug. Siemens begann, sie zu Tausenden nachzubauen. Die ersten Telefone wurden in Firmen und wohlhabenden Haushalten eingesetzt – es wurde etwa nach dem Schichtleiter oder nach dem Diener gerufen. Das erste Telefonbuch wurde im Volksmund freilich “Buch der Narren” genannt. Das ‘Verzeichniss der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten’ erschien 1881 und hatte 187 Einträge.

Öffentliche Telefonnetze entstanden bereits 1881 in Berlin und Mülhausen (im heutigen Elsass), ab 1883 wurden dann Verbindungen zwischen den Städten aufgebaut. Doch man wählte nicht selbst, die Verbindung wurde über die Vermittlungsstelle hergestellt. In den Vermittlungsstellen wurden zunächst junge Männer eingesetzt. Sie wurden jedoch bald durch Frauen ersetzt, weil deren höhere Stimmlage am Telefon besser zu verstehen war. So entstand ein neues Berufsbild: das “Fräulein vom Amt“.

Doch kaum hatte sich dieses etabliert, sinnierte der Bestatter Almon Strowger aus Kansas City über seine Abschaffung. Er argwöhnte, die Damen in der Vermittlungsstelle würden Anrufe von Hinterbliebenen an die Konkurrenz weiterleiten. Motivation genug für Strowger, im Jahr 1889 den Hebdrehwähler zu entwickeln. Dieser Mechanismus bildete die Basis für die ersten automatisch arbeitenden Telefonvermittlungsstellen.

Ab 1896 wurden die ersten Telefone mit Wählscheibe eingesetzt. Öffentliche Fernsprecher gab es ebenfalls schon, zunächst allerdings nur in Postämtern. Wer dort telefonieren wollte, musste Telefonbilletts erstehen. Die erste Telefonzelle wurde 1904 in Berlin aufgestellt. 1989 zählte man in Deutschland rund 162.000 Telefonzellen, 2009 waren es nur noch etwa 94.000.

1930 gab es in Deutschland bereits rund 3,2 Millionen Telefonanschlüsse. Auch während der ersten Kriegsjahre wurde das Telefonnetz zunächst weiter ausgebaut – bis die zunehmenden Zerstörungen den privaten Telefonverkehr fast zum Stillstand brachten. Der Vorkriegsstand wurde erst Anfang der 50er Jahre wieder erreicht.

Schon früh wurde parallel zum Aufbau des Festnetzes daran gearbeitet, auch unterwegs mobil telefonieren zu können. Erste Ansätze zum Mobilfunk gab es bereits in den 20er Jahren. Auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin wurde 1926 in allen D-Zügen die “Zug-Telefonie per Funk” eingeführt. Die Waggons verfügten über Antennen, die Signale ins Telefonnetz entlang der Strecke übertrugen. Aus einem speziellen Telefonabteil konnten sich Reisende ins öffentliche Telefonnetz verbinden lassen.

Der Mobilfunk erhielt seinen nächsten Schub im Jahr 1958: In Deutschland ging das erste flächendeckende Netz (A-Netz) an den Start und blieb bis 1977 in Betrieb. Die damaligen Mobiltelefone waren allerdings nicht wirklich mobil: Sie wogen um die 16 Kilogramm – ein Smartphone hingegen bringt heute gerade mal um die 100 Gramm auf die Waage.

Mobiltelefone waren anfangs deshalb vor allem für den Einbau in Fahrzeuge gedacht. Ab 1972 konnte man auch im Auto selbst wählen. Der Fahrer musste allerdings zum Telefonieren rechts ranfahren, da die automatische Übergabe von einer Funkzelle zur nächsten noch nicht möglich war. Das funktionierte erst ab 1986.

So rasant wie die Entwicklung der Mobilfunknetze weiterging, so rasant stiegen auch die Nutzerzahlen. Im Jahr 2000 wurden allein in den Netzen D1 und D2 rund 25 Millionen Kunden gezählt. Heute besitzt jeder Bürger statistisch gesehen 1,3 Mobilfunkverträge, es gibt 39 Millionen Festnetzanschlüsse. Und das Telefon ermöglicht mehr als nur Gespräche: man geht damit ins Internet, schreibt SMS oder fotografiert. In Zukunft könnte das Telefon weitere Funktionen übernehmen – etwa als digitale Brieftasche oder Haus- und Autoschlüssel.

Reis starb 1874 im Alter von 39 Jahren im hessischen Friedrichsdorf. Kurz vor seinem Tod soll er gesagt haben: “Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt; anderen muss ich überlassen, sie weiterzuführen.”

Silicon-Redaktion

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  • Fotostrecke Philipp Reis
    Philipp Reis war technisch wesentlich modernder als man gemeinhin annimmt. Wie das zweite Bild der Fotostrecke deutlich zeigt, verfügte er schon damals über ein Netbook....;-)

    Frank Raudszus

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