“Steve Jobs schien wie von Dämonen getrieben”
In der jetzt erschienenen Biographie über Steve Jobs zeichnet der Autor Walter Isaacson Jobs als Vordenker, der aber im Umgang mit Freunden und Kollegen auch sehr verletzend sein konnte. Vor allem jedoch sei Jobs von Perfektion angetrieben gewesen.
Teilweise sind es sehr private Details, die Walter Isaacson in seinen Recherchen und den rund 40 Spaziergängen und Gesprächen mit Steve Jobs, dem aus dem Leben des vermutlich charismatischsten IT-Managers aller Zeiten, zusammengetragen hat.
Doch auf den 630 Seiten schildert Isaacson Jobs nicht nur als den brillanten Lenker und Ideengeber, als der er heute gesehen wird. Jobs, so Isaacson, habe es als seine Aufgabe gesehen, den Menschen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Dabei konnte er “charismatisch bis hin zu hypnotisierend sein, aber eben auch brutal und kalt”.
Einer der davon ein Lied singen kann, ist der enge Jobs-Vertraute Jonathan ‘Jony’ Ive, der Chef für Industriedesign bei Apple. Beide, Jobs und Ive, sprechen übereinander als enge Vertraute und Freunde. “Wenn ich einen spirituellen Partner bei Apple habe, dann ist es Jony”, erzählte Jobs seinem Biographen. Umso mehr schmerzte es Ive, wenn Jobs auf der Bühne bei der Vorstellung dann von neuen Produkten sprach, als ob es seine Ideen seien.
Ive notiere “wie manisch” jede Idee und dokumentiere somit auch, von wem sie stamme. “Daher schmerzt es, wenn er den Ruhm für meine Designs einstreicht.” Ive sah darin aber auch eine Gefahr für Apple, dass Jobs als der einzige galt, auf den die bahnbrechenden Ideen zurückgehen. “Das macht uns als Unternehmen verletzlich”, erklärte Ive gegenüber Isaacson. Dennoch schätzt Ive Jobs nach wie vor als Menschen, der sehr viel Energie darin investierte, diese Ideen in die Realität umzusetzen.
“In so vielen anderen Unternehmen gehen großartige Ideen und Designs im Prozess unter”, erklärte Ive. “Die Ideen, die von mir und meinem Team kamen, wären irrelevant oder verschüttet, wenn Steve uns nicht gepuscht, mit uns gearbeitet und uns durch alle Widerstände geleitet hätte, um schließlich Produkte daraus zu machen.”
Im Alter von 56 Jahren erlag Jobs nach einem verzweifelt geführten Kampf gegen ein Krebsleiden, den er, wie aus der Biografie hervorgeht, offenbar zu spät begonnen hatte. Neun Monate lang hat er versucht, mit alternativen Heilmethoden den Bauchspeicheldrüsenkrebs zu besiegen. Ein früherer Eingriff hätte ihm vielleicht das Leben gerettet. Er habe gegenüber seiner Familie auch erklärt, dass er geheilt sei, ließ sich jedoch geheim weiter behandeln. Als die Wucherung auch auf andere Gewebe übergegriffen hatte, bereute er seine Weigerung, sich einer frühen Operation zu unterziehen.
Der frühe Tod Jobs sorgte dafür, dass der Verlag Simon & Schuster, der wie silicon.de zu CBS gehört, die Veröffentlichung der Biografie von November auf Oktober vorverlegte. Schon jetzt scheint sich abzuzeichnen, dass das Werk zum Topseller 2011 werden könnte, auch wenn das Jahr nur noch zwei Monate hat. Auf Amazon USA ist die Jobs-Biografie bereits auf den ersten Verkaufsrang geklettert.
Trotz dieser Aussichten hatte Isaacson zunächst abgelehnt, als Jobs ihn anging, seine Biografie zu schreiben. Jobs aber hatte sich offenbar den richtigen Autor ausgesucht. Isaacson ist derzeit President und CEO des Aspen Institute und er ist Chairman Board von Teach for America. Zuvor war er CEO von CNN und davor Managing Editor des Time Magazine. Er verfasste Biographien über Einstein, Benjamin Franklin oder Henry A. Kissinger.
In einem Interview mit CNET spricht Isaacson über seine Erfahrungen mit Jobs: “Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum er so offen war und auch wiederholt erklärt hat, dass er keinerlei Kontrolle ausüben wird. Normalerweise ist er aber sehr darauf bedacht, seine Privatsphäre und sein Bild zu kontrollieren.” Je weiter die Gespräche fortgeschritten waren, desto mehr schien Jobs sich zu öffnen und auch daran interessiert, über sein Leben zu sprechen.
Das einzige, wo er offenbar Einfluss auf das Buch nahm, war das Cover. Er soll zu einem ersten, offenbar wenig gefälligen Entwurf gesagt haben: “Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute das Buch lesen, aber sie werden sich auf jeden Fall das Cover ansehen.”
Isaacson will Jobs trotz der überwältigenden öffentlichen Anteilnahme bei seinem Tod nicht mit Einstein auf eine Stufe stellen. Jobs aber habe auf seine Weise einen großen Beitrag geleistet: Er habe Schönheit und Emotionalität in die IT gebracht. Den oft zitierten Begriff des Genies will Isaacson offenbar nicht verwenden.
Emotionalität ist ein übergeordnetes Thema in Isaacsons Biografie und die speist sich aus den zwei Seiten des Steve Jobs. Die eine war ein zielstrebiger Ingenieur, der auch mal Leute bei Apple anschrie, ein Geschäftsmann, der keine Kompromisse zuließ – was Next zur Nische verdammte -, der trotz teilweise absurden Führungsstils eines der wertvollsten Unternehmen der Welt schuf. So sah er es als seine Aufgabe an, als kalifornisches Mittelklasse-Kind dafür zu sorgen, dass es in seinem Team keine durchschnittlichen Player gab und davon war er fest überzeugt. Er war Perfektionist und verfolgte die Umsetzung seiner Vorstellung, wie Isaacson festhält, “wie scheinbar von Dämonen getrieben”.
Auf der anderen Seite “stand er für eine Gegenkultur, Rebellion und es gab diese New-Age-Spiritualität an ihm”, berichte Isaacson. “Und das Thema seines Lebens ist, dass diese beiden Seiten im Konflikt miteinander standen, aber schließlich kombiniert er auch diese zwei Seiten.”
Auf Isaacs Frage, was seine wichtigste Schöpfung war – Isaacson dachte dabei an das iPad -, antwortete Jobs: “Apple, das Unternehmen.” Großartige Produkte seien nur möglich, wenn die Kreativität auch gefördert werde. In einer Garage sei so etwas nicht möglich gewesen. Es war seine Idee, Jony Ive, Tim Cook, Eddy Cue, Phil Shiller oder Scott Forstall als Team zusammenzubringen und dieses Team in die DNA von Apple einzupflanzen. “Daher war es für Jobs auch so wichtig, dieses neue Hauptquartier fertig zu stellen. Es sollte physischer Ausdruck seiner Fähigkeit werden, ein innovatives und langlebiges Unternehmen aufzubauen”, berichtet Isaacson. Vermutlich war er deshalb so unerbittlich gegenüber seinen Mitarbeitern und auch gegen sich selbst.
Darin sah Jobs seine wichtigste Aufgabe, nicht unbedingt ein Unternehmen aufzubauen, sondern den Betrieb am Laufen zu halten. Daher bewunderte er auch von allen CEOs den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg am meisten, denn er sei nicht nur auf Profit aus, sondern habe Facebook nach seinen Vorstellungen und damit ein langlebiges Unternehmen geschaffen.
Daher empfand er auch bei seinem letzten Besuch bei HP so etwas wie Trauer, wie sein Biograf festhält: “Hewlett und Packard haben ein großartiges Unternehmen aufgebaut, und sie haben geglaubt, es in gute Hände zu geben. Aber jetzt wird es zerlegt und zerstört. Ich hoffe, dass ich ein stärkeres Erbe hinterlassen, und so etwas bei Apple nie passieren wird.”