Outsourcing: Jobs für Indiens Dörfer
Nachdem die IT-Branche, besonders die Software-Entwicklung und das Business Process Outsourcing (BPO), bereits die indischen Städte umgekrempelt hat, erreicht sie nun die ländlichen Gegenden. Immer mehr BPO-Dienstleister eröffnen Filialen in Dörfern und kleinen Städten. Bei den Einwohnern sind die neuen Jobs begehrt.
Nach Angaben des IT-Branchenverbandes Nasscom hat die indische Outsourcing-Industrie 2010 insgesamt 60 Milliarden Dollar umgesetzt. Auf die “ländlichen BPO-Dienstleister” entfiel zwar nur ein geringer Anteil von 10 Millionen Dollar. Dafür wachsen diese Dienstleister jedoch sprunghaft. Derzeit beschäftigen rund 40 ländliche BPO-Dienstleister insgesamt 5000 Mitarbeiter – Ende 2012 könnten es jedoch zehn Mal so viele sein.
Angekurbelt wird das Geschäft von Leuten wie Sridhar Mitta, früher CTO des Outsourcing-Dienstleisters Wipro und jetzt Chef von NextWealth – einem Unternehmen, das bei der Gründung von BPO-Dienstleistern in ländlichen Gegenden berät. Mitta rät zur Gründung in Gebieten, in denen es viele Bildungseinrichtungen gibt, Breitbandanschlüsse verlegt sind, die Energie-Infrastruktur leistungsfähig ist und lokale Unternehmen als Partner einsteigen können.
In einem ländlichen Gebiet könne man einen BPO-Dienstleister zu 50 Prozent der Kosten betreiben, die in einer Großstadt wie Bangalore anfallen, sagt Mitta. Das mache es überhaupt erst möglich, bestimmte Services anbieten zu können. So zahle ein deutscher Anbieter von Online-Fotoalben beim BPO im ländlichen Chittoor nur 3 Dollar pro Buch, während er beim BPO in Bangalore 6 Dollar pro Buch zahlen müsste.
Ländliche BPO-Dienstleister sind auch politisch gewollt. Wenn die Jobs zu den Bewohnern der Dörfer kommen, ziehen diese nicht in die überfüllten Städte, so die Kalkulation. Der Lebensstandard der Landbevölkerung steigt, diese erhält ein regelmäßiges Einkommen. Bei BPO-Dienstleistern arbeiten vor allem Frauen, die – nach der Tradition – bis zur Heirat bei den Eltern leben und so zum Familieneinkommen beitragen.
Die Jobs sind begehrt. “Wenn ich Mitarbeiter brauche, mache ich einen Aushang”, sagt Venkat Gopal, Centre Manager bei RuralShores in Bagepalli. “Schon am nächsten Tag habe ich Dutzende Bewerbungen – von Mitarbeitern, Freunden und Verwandten.” Wie viel die Mitarbeiter verdienen, sagte er nicht. Man stelle jedoch bevorzugt Menschen aus Familien ein, die unter der Armutsgrenze von rund 290 Euro Jahreseinkommen leben.
Die Mitarbeiter von RuralShores haben in den meisten Fällen in der Schule Englisch gelernt. Sie erhalten einen 45-tätigen Trainingskurs in English und Computerschreiben und werden im Datenschutz unterwiesen. Die Mitarbeiter arbeiten in zwei Schichten, Frauen dürfen nur bis 18.00 Uhr tätig sein. Eine Klimaanlage gibt es nicht, jedoch Ventilatoren. Gekühlt wird nur der Serverraum. Im Fall von Stromausfällen kommen Generatoren und unterbrechungsfreie Stromversorgung zum Einsatz.
Die Fluktuation in Bagepalli liegt bei 3 Prozent, während es in den Städten 20 Prozent sind. Wenn Frauen RuralShores verlassen, tun sie das oft, weil sie zum Ehemann ziehen, der außerhalb des Ortes lebt. In vielen Familien gilt das Gehalt der Tochter auch als Vorteil, wenn es darum geht, den richtigen Ehemann zu finden.