Seit dem 3. Juni 2011 hatten die “Kosmonauten” im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) einen Flug durchs Weltall simuliert und dabei Experimente durchgeführt. Gerade einmal 180 Quadratmeter groß ist das “Raumschiff”, in dem der Spanier Diego Urbina, der Franzose Romain Charles, die Russen Alexey Sitev, Sukhrob Kamolov und Alexandr Smoleevskiy und der Chinese Wang Yue die vergangenen 520 Tage verbrachten. “Der Crew geht es gut”, sagt Dr. Peter Gräf vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Bei einem realen Flug zum Mars muss die Crew ohne Konflikte zusammenarbeiten. Mit Funksensoren, die die Kosmonauten zwei Mal wöchentlich am Körper trugen, verfolgte Dr. Bernd Johannes vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin die Gruppendynamik. Die Sensoren meldeten dabei, in welchem Abstand, wie häufig und wie lange die einzelnen Crewmitglieder miteinander Kontakt hatten.
Das bisherige Fazit: “Es gab keine Isolation in der Isolation.” Jeder Kosmonaut habe ein Mindestmaß an sozialen Kontakten gehabt, niemand sei aus der Gruppe ausgeschlossen worden oder habe sich zurückgezogen.”Wir haben eine erfreuliche und unerwartete Harmonie in der Crew festgestellt, das Beziehungsgefüge blieb die gesamte Zeit über relativ stabil.”
Dass bei der Isolation im virtuellen Raumschiff dennoch Wünsche offenblieben, erklärte der Italiener Urbina bereits Tage vor dem Ausstieg über die Lautsprecher im Kontrollraum: “Ich freue mich natürlich darauf, meine Familie und meine Freunde wiederzusehen. Aber ich habe es auch vermisst, fremde Gesichter zu sehen, andere Standpunkte kennenzulernen.”
Wichtig für einen Flug zum Mars sind auch Mikroorganismen im Raumschiff – diese untersuchten Wissenschaftler des DLR im Experiment MICHA. Dafür nahmen die Mars500-Probanden hunderte von Luft- und Oberflächenwischproben in ihren Wohn- und Arbeitsbereichen, in der Krankenstation und den sanitären Einrichtungen. Unter den Mikroorganismen befanden sich bisher keine, die für den Menschen gefährlich sind.
Darüber hinaus wurde auch die vermehrte Bildung von Biofilmen an Strukturelementen innerhalb der Raumstation (Metalle, Polymere) und am Lebenserhaltungssystem (Wassertanks, Luftfilter) festgestellt. Das wiederum kann ein Risiko für die Crew auf einer Langzeit-Weltraummission sowohl im Hinblick auf mögliche Infektionen als auch im Hinblick auf Materialschäden darstellen, die zu einer Fehlfunktion von wichtigen Instrumenten führen können.
Diese Ergebnisse sind auch für ein weiteres Experiment wichtig, in dem Mediziner die Auswirkung von Stress durch die Isolation und die ungewohnten Lebensbedingungen auf das Immunsystem untersuchen. “Wir haben deutliche Veränderungen im Immunsystem der Probanden festgestellt – diese sind vergleichbar mit den Veränderungen, die wir auch bei Astronauten auf Weltraumflügen feststellen konnten”, fasst Prof. Alexander Choukèr von der Ludwig-Maximilian-Universität München seine ersten Ergebnisse zusammen.
Der Mediziner untersucht Blut-, Urin- und Speichelproben und analysiert auch Atemproben, um so Aussagen über den Zustand des Immunsystems im Verlauf der 520-Tage-Mission treffen zu können. Übertragbar sind diese Ergebnisse später auch beispielsweise auf Patienten, die auf Intensivstationen Stress ausgesetzt sind. Eine weitere Untersuchung steht den Mars500-Kosmonauten noch bevor: Um zu erfassen, ob der Stress auf ihrem virtuellen Flug Auswirkungen auf die Struktur des Gehirns hatte, werden Ende November Hirnscans durchgeführt. “Im Vergleich mit den Hirnscans vor dem Einstieg können wir dann analysieren, ob sich die Verbindungen zwischen den Hirnarealen durch die Isolation und den Stress verändert haben.”
Eine entscheidende Auswirkung haben Isolation, Stress, veränderte Lichtstärke und Beengtheit auch auf die innere Uhr der Kosmonauten. “Die innere Uhr der Probanden tickt im Mars500-Container anders”, sagt Prof. Hanns-Christian Gunga von der Charitè Berlin. Der Wissenschaftler zeichnete über 520 Tage hinweg die Körperkerntemperatur auf, die sich während der anderthalb Jahre veränderte. Zum einen sank die Temperatur durchschnittlich um 0,4 Grad Celsius, zum anderen verschoben sich Temperaturminimum und -maximum auf andere Tageszeiten.”Die Temperatur ist der Dirigent, der gesamte Körper das Orchester”, so Gunga. “Während der Isolation ist dieses Orchester leicht aus dem Takt gekommen.” Übertragbar sind die kommenden Ergebnisse dieses Experiments auch unter anderem auf Schichtarbeiter.
Dass nicht nur der Alltag der Probanden vorgegeben war, sondern im ersten Jahr auch der Speiseplan, lag an einem Experiment der Universität Erlangen. Aus fast 400 Produkten, die alle auch in jedem Supermarkt zu kaufen sind, bastelte das Team von Prof. Jens Titze einen exakten Speiseplan zusammen, bei dem über ein Jahr hinweg die Kochsalzmenge deutlich reduziert wurde. Nach der Auswertung der ersten von 6000 Blut- und Urinproben ist sich Titze sicher: “Der Salzhaushalt des menschlichen Körpers ist wesentlich komplexer als bisher angenommen.”
So stellten die Mediziner fest, dass das aufgenommene Kochsalz vom menschlichen Körper zum Teil erst zeitverzögert wieder ausgeschieden wurde.”Das wurde bei bisherigen klinischen Untersuchungen nicht berücksichtigt.” Ein weiteres Fazit seines Experiments: “Nicht nur für Kranke lohnt es sich, die Kochsalzzufuhr über die Nahrung zu reduzieren – auch bei Gesunden wie den Mars500-Probanden senkt sich der Blutdruck.” Der Verzicht auf Kochsalz diene dann als effektive Vorbeugung vor Schlaganfall, Herzinfarkt und Arteriosklerose.
In weiteren Experimenten werden der Knochenstoffwechsel, das Erlernen von komplexen Steuerungsaufgaben am Computer, das Verbessern der körperlichen Fitness durch Vibrationstraining, die autonome notfallmedizinischen Patientenversorgung und die Auswirkungen von Sport auf Stress und Isolation untersucht. Die elf deutschen Experimente der Mars500-Mission werden vom BMWi über das DLR gefördert.
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