Telekom: Ein Schlamassel namens “Volksaktie”
Der Börsengang des ehemaligen Staatskonzerns Deutsche Telekom vor fünfzehn Jahren steht gleich für zwei Superlative: den größten Börsengang eines Unternehmens und den größten Zivilprozess in Deutschland. Kurze Chronik eines nicht angekündigten Abstiegs.
“Die Telekom geht an die Börse und ich gehe mit”, warb der Schauspieler Manfred Krug im Jahr 1996. Und viele folgten ihm. Beim Börsendebüt am 18. November kauften etwa 1,9 Millionen Kleinanleger die “Volksaktie” für einen Ausgabekurs von 14,57 Euro (28,50 DM) – für viele Anleger war es der erste Aktienkauf überhaupt.
Am 28. Juni 1999, auf der Höhe des New-Economy-Booms, erfolgte der zweite Telekom-Börsengang. Der Ausgabepreis kletterte auf 39,50 Euro (77,25 DM). Kurze Zeit später, am 6. März 2000, erreichte die T-Aktie mit 104,90 Euro (205,16 DM) ihren bisherigen Höchststand. Als am 19. Juni 2000 die dritte Tranche an die Börse kam, lag der Ausgabepreis noch höher als beim zweiten Börsengang – bei 66,50 Euro (130,06 DM). Die Telekom konnte dennoch 200 Millionen Aktien verkaufen – da viele Anleger immer noch optimistisch waren.
Was dann kam, ist bekannt: Die New Economy brach zusammen und die Telekom litt an selbst gemachten Problemen wie dem überteuerten Kauf des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream – des späteren Sorgenkindes T-Mobile USA (siehe Fotogalerie). Im Juli 2002 musste Telekom-Chef Ron Sommer den Hut nehmen, am 30. September 2002 fiel die T-Aktie auf einen Tiefpunkt von 8,42 Euro.
Wie dramatisch der Preisverfall damals war, zeigt ein Vergleich, der im Sommer 2002 in Diskussionsforen kursierte. “Wer vor 18 Monaten 1000 Euro in die Aktien der Deutschen Telekom investiert hat, musste sich 18 Monate lang über fallende Kurse ärgern und hat heute noch 130 Euro übrig. Wer vor 18 Monaten 1000 Euro in Krombacher (das Bier, nicht die Firma) investiert hat, konnte 18 Monate lang jede Woche einen Kasten herrliches Pils genießen und hat heute noch Leergut im Wert von über 200 Euro. Na denn, Prost!”
In den Jahren 2004 bis 2008 überstieg der Kurs der T-Aktie mehrmals den Ausgabepreis der ersten Tranche von 14,57 Euro. Am 3. Januar 2005 landete der Kurs sogar bei 16,80 Euro. Anfang 2008 fiel der Kurs jedoch unter den Ausgabepreis – und hat ihn seitdem nicht mehr erreicht. Am 13. September 2011 gelangte die Aktie auf ihren bisherigen Tiefpunkt von 7,88 Euro. Derzeit liegt der Kurs bei 9,40 Euro.
Kein Wunder, dass sich Anleger von den Versprechungen der Telekom-Manager, Politiker und Werber getäuscht fühlen. Am 8. April 2008 begann vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Mammutprozess gegen die Telekom: Sage und schreibe 17.000 Anleger fordern Schadensersatz. Sie fühlen sich von der Telekom getäuscht – der Konzern habe in den Prospekten zu den Börsengängen 1999 und 2000 falsche Angaben gemacht.
Bereits im Jahr 2001 gingen die ersten Klagen bei dem Frankfurter Gericht ein. Als die Klageflut immer mehr anschwoll, griff der Bund ein – der aktuell noch 14,83 Prozent an der Telekom hält. Im Jahr 2005 wurde das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) verabschiedet, auch ‘Lex Telekom’ genannt. Das Gesetz erleichtere Massenklagen, hieß es.
Das Gericht hat nach diesem Gesetz zwei Klagen stellvertretend als Musterverfahren ausgewählt. Die Kläger werfen der Telekom vor, in den Prospekten zum zweiten und dritten Börsengang Informationen verheimlicht zu haben. Der Kläger im ersten Musterverfahren ist ein Pensionär aus Baden-Württemberg, der beim dritten Börsengang investiert und 1,2 Millionen Euro verloren hat. Sein Fall wird stellvertretend für 8500 Kläger verhandelt, die im Jahr 2000 investiert hatten. Die Entscheidung wird für Januar 2012 erwartet.
Manfred Krug hat sich bereits 2007 in einem Interview mit der Zeitschrift Stern “aus tiefstem Herzen” für seine Telekom-Werbung entschuldigt. Dies sei sein “größter beruflicher Fehler” gewesen. Er wolle seine T-Aktien jedoch weiter halten. “Ich betrachte es als eine Art Selbstbestrafung.”