Stresstest für die Mars500-Crew
Am 4. November öffneten sich in Moskau die Tore des Mars500-Containers, in dem sechs Männer 520 Tage lang einen Flug zum Mars simulierten. Die Crew ist jetzt in Deutschland, um an medizinischen Untersuchungen teilzunehmen.
So wollen Forscher der LMU mit Magnetresonanztomographien (MRT) herausfinden, ob der Stress durch die Isolation und die ungewohnten Lebensbedingungen auch Veränderungen im Hirn auslöst. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finanziert dieses und zehn weitere Experimente.
Bereits vor dem simulierten Flug hatten die Astronauten Dr. Alexander Choukèr von der LMU einen Blick in die Regionen ihrer Gehirne gestattet, die für die Verarbeitung von Stress und der Regulation des Immunsystems zuständig sind. Jetzt geschah dies zum zweiten Mal. “Wir wissen, dass etwa bei Patienten mit chronischen Schmerzen Veränderungen der Hirnstruktur feststellbar sind”, sagt der Mediziner. “Es wäre nicht überraschend, wenn sich auch chronischer Stress mit neurophysiologischen Veränderungen auf den menschlichen Körper auswirken würde.”
Schließlich waren die Bedingungen extrem ungewöhnlich. Im geschlossenen Container setzten ein strikter Tagesablauf mit Experimenten, vorgegebenem Speiseplan und vorgetäuschten Notfällen die Mars-Crew unter Stress. “Diese Art von Stress schließt alle in unserer Lebenswelt erfahrenen Veränderungen ein”, erklärt Choukèr. “Dazu gehören Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Ernährung, Arbeit, Tag-Nacht-Rhythmen, den Kontakt mit Keimen, aber auch die soziale Miteinander.” Der Arzt ist gespannt, ob die Auswertung der bildlich dargestellten Hirnvernetzungen eine Veränderung ergeben. Dabei werden sowohl die Aufnahmen der Mars500-Crew miteinander verglichen, aber auch die Aufnahmen zweier Kandidaten berücksichtigt, die es bis in die Endauswahl für die Mars500-Mission schafften.
Wie der Körper letztendlich auf Stress reagiert, wird erst nach Auswertung aller Daten feststehen. Dafür nahmen die Probanden während ihres Mars-Flugs in der Isolation Blut-, Urin-, Speichel- und Atemluftproben zu verschiedenen Tageszeiten, die in den kommenden Monaten von den Forschern analysiert werden. Untersucht wird dabei unter anderem, ob Stresshormone wie das Adrenalin über längere Zeit erhöht waren, obwohl kein für den Körper sinnvoller Grund dafür vorliegt. “Wenn wir mit der Magnetresonanztomographie Veränderungen in den entsprechenden Hirnregionen feststellen, ist die Frage: Zeigt sich das auch in anderen Parametern, zum Beispiel den Hormonen?”
Bei der Suche nach dem Geheimnis des Stress stehen die Wissenschaftler dabei bei einigen Methoden noch ganz am Anfang. “Die neuesten Entwicklungen in der MRT-Technik ermöglichen uns jetzt erst, solche Untersuchung durchzuführen, bei der Analyse der Atemluft gilt: Es ist schnell gemessen, aber nur schwer verstanden”, sagt Choukèr. “Wir müssen viele Faktoren berücksichtigen, wenn wir lernen wollen, wie Isolation, Stress und Immunsystem miteinander zusammenhängen.”
Erste Untersuchungsergebnisse haben bereits gezeigt, dass sich die Immunfunktionen der Crew in der Stress-Situation veränderten und die Zellen teilweise in der Immunabwehr gehemmt waren. Dadurch werden auch die Ergebnisse anderer Experimente wichtig: So analysieren Wissenschaftler des DLR die Entwicklung von Mikroorganismen während der Isolation im Container – im Zusammenhang mit dem Immunsystem des Menschen ein wichtiger Faktor. Wenn alle Daten ausgewertet und miteinander in Verbindung gesetzt sind, soll ein Gesamtbild entstehen, wie Psyche und Immunsystem zusammenspielen.