Der Nationale IT-Gipfel sei ein Gipfel, bei dem es ganz und gar nicht um Krisenbewältigung gehe, sagte Bitkom-Präsident Professor Dieter Kempf während des Abschlussplenums zur Kanzlerin. Die IT-Branche sei auf einem guten Weg und könne weitermachen wie bisher. In Sachen IT-Gipfel könnte es das nächste Mal vielleicht ratsam sein, sich auf drei oder vier Kernthemen zu fokussieren.
Kempf fasste Positionen des Bitkom zusammen und betonte die Bedeutung des Themas Vertrauen – auch Leitthema der CeBIT 2012. Er erhielt Applaus, als er einen “Datenschutz mit Augenmaß” forderte. Ohne den Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, beim Namen zu nennen, schilderte Kempf, dass Seitenbetreiber in Schleswig-Holstein damit rechnen müssten, für die Verwendung des Facebook-‘Gefällt-mir-Buttons’ 50.000 Euro Strafe zu zahlen. Nur wenige Kilometer weiter, in Hamburg, habe ein Seitenbetreiber jedoch gar nichts zu befürchten. Kempf verteilte mehrmals Komplimente an die Kanzlerin. “Ohne Sie gäbe es diesen IT-Gipfel nicht.”
Merkel ließ in ihrer Ansprache wissen, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler habe ihr gesagt, dass die ITK-Branche die drittgrößte Branche in Deutschland sei. Nach dem im Auftrag des BMWi erstellten ‘Monitoring Report Deutschland Digital 2011‘ sei Deutschland im Jahr 2011 unter den größten ITK-Nationen um einen Platz auf Rang sechs geklettert. “Das ist zwar nicht schlecht, aber da kann man noch den einen oder anderen Platz aufholen.” Merkel hantierte mit IT-Fachbegriffen wie Cloud Computing und RFID und schien auch zu wissen, was damit gemeint ist. Heute habe sie beim Rundgang gelernt, was Cyber-Physical Systems sind, sagte sie. Beim Essen habe man zudem darüber gesprochen, wo der nächste IT-Gipfel stattfinden könnte. “Und daher findet dieser im Dezember 2012 in Essen statt.”
Bundeswirtschaftsminister Rösler teilte während einer Podiumsdiskussion mit, dass der zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die seit 2009 angekündigte Stiftung Datenschutz 2012 gründen werde. Die Stiftung soll Produkte und Verfahren nach dem Vorbild der Stiftung Warentest testen und Gütesiegel vergeben.
Franz Josef Pschierer, CIO des Freistaats Bayern, stellte das Projekt x-trans.eu – cross border transport vor – ein Portal zur Genehmigung von grenzüberschreitenden Großraum- und Schwertransporten zwischen Deutschland und Österreich. Hier flossen Ergebnisse des Projektes ‘Prozess-DatenBeschleuniger’ (P23R) ein, an dem 13 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft bis November 2011 arbeiteten. Die wissenschaftliche Begleitung lag beim Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der TU München, an der technischen Umsetzung waren Software AG und init AG beteiligt. “Wir brauchen diese Leuchtturmprojekte”, sagte Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG. Der öffentlichen Hand komme als Nachfrager eine Schlüsselrolle zu.
Laut Pschierer wurden bei x-trans.eu Grundlagen für einen einfachen und sicheren elektronischen Datenaustausch zwischen Unternehmen und Behörden erarbeitet. Das “P23R Prinzip” sei generell auf die zirka 10.000 Meldepflichten anwendbar, die in Deutschland bestehen, so Pschierer. Die Erfahrungen aus dem Projekt sollen jetzt in die Entwicklung weiterer Lösungen im Bereich E-Government einfließen.
“Mit P23R wird es erstmalig eine einheitliche elektronische Schnittstelle der Wirtschaft zur Verwaltung geben”, sagte Cornelia Rogall-Grothe, Beauftragte der Bundesregierung für IT. “Nach meiner Überzeugung kann der Prozessdaten-Beschleuniger einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten und zur Erreichung der Einsparziele der Bundesregierung leisten.”
Laut Rogall-Grothe erarbeitet das BMI derzeit den Entwurf für ein E-Government-Gesetz des Bundes. “Das Gesetz wird es Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen, eine effizientere elektronische Verwaltung und medienbruchfreie Prozesse anzubieten.” E-Government brauche einheitliche Infrastrukturen. “Der neue Personalausweis und De-Mail bieten diese für Verwaltung und Wirtschaft.” Die Behördenrufnummer 115 sei ein Beispiel für eine gelungene verwaltungsübergreifende Kooperation. “Ich freue mich, dass die ersten bayerischen Kommunen – darunter München – die Einführung der 115 planen.” Im Laufe des Jahres 2012 solle die Nummer in diesen Kommunen freigeschaltet werden. Derzeit hätten 18 Millionen Bürger über die 115 einen direkten telefonischen Draht in die Verwaltung, seit Dezember sei auch die Bundesverwaltung vollständig angeschlossen.
Das Leuchtturmprojekt Theseus stellte auf dem IT-Gipfel Technologien für das Internet der Dienste vor. Das Programm wurde Ende 2007 gestartet und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Nach Angaben des Projektes wurden bislang fünf Unternehmen gegründet, 19 Standardisierungsaktivitäten umgesetzt, 20 Entwicklungspartnerschaften initiiert, 30 Anschlussprojekte angeworben, 50 Patente und andere geschützte Ergebnisse angemeldet, 130 Prototypen entwickelt sowie 1000 Publikationen veröffentlicht.
Henning Kagermann, Präsident der acatech, verwies auf das wirtschaftliche Potential, das im Export von Dienstleistungen über Internetplattformen liege, wie sie von Theseus entwickelt werden. 2010 habe die deutsche Wirtschaft Waren und Dienstleistungen im Wert von 1.153 Milliarden Euro exportiert, davon entfielen 85 Prozent auf Waren und 15 Prozent auf Dienstleistungen. Der Anteil der Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt betrage jedoch über 71 Prozent – Tendenz steigend. Obwohl Deutschland mit einem Anteil von knapp sieben Prozent nach den USA und Großbritannien drittgrößter Exporteur von Dienstleistungen sei, lägen hier noch enorme Potenziale für die deutsche Wirtschaft.
“Deutschland liegt im internationalen Vergleich zwar relativ weit vorne, dennoch hinken wir den führenden IT-Nationen hinterher”, kommentierte Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters GFT. “Wir können uns einen Spitzenplatz erkämpfen, indem wir unsere traditionell starken Branchen wie den Maschinenbau oder die Automobilindustrie durch die Möglichkeiten der IT unterstützen.”
“Wir brauchen mehr Mut zu industriepolitischen Entscheidungen”, so Streibich. “Ob es die steuerliche Forschungsförderung, die Stimulierung von Wachstumskapital, der Datenschutz oder der Breitbandausbau sind, es gibt viele Rahmenbedingungen, die die IT-Industrie am Standort Deutschland maßgeblich beeinflussen. Hier brauchen wir strategisch kluge politische Entscheidungen.” Der IT-Gipfel bleibe eine der wichtigsten Plattformen, um den IT-Standort Deutschland voranzubringen. “Alle wichtigen politischen Entscheidungen der letzten Jahre – 115, CIO der Bundesregierung, IT-Strategie der Bundesregierung, Breitbandausbau, Software-Campus – wären ohne den Gipfelprozess nicht denkbar.”
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