Umfassend und scharfsichtig wie kaum ein zweiter hat der Netscape-Gründer und Finanzier Marc Andreessen im August in einem Essay im Wall Street Journal die Veränderung der Weltwirtschaft und damit auch der Gesellschaft, in der wir leben beschrieben. “Software eats the World” heißt der Artikel, und mit dieser einen Zeile ist dieses Mal ausnahmsweise alles gesagt.
Es ist das Zeitalter der Software, in dem wir leben. Kaum eine Finanztransaktion, ob wir einen Latte Macchiato im Cafe bezahlen, oder ob SAP SuccessFactors kauft, kommt heute mehr ohne Software aus. Autos bestehen zu großen Teilen aus Elektronik, der Schrauber hat weitgehend ausgedient.
Die wertvollsten Unternehmen in den USA sind heute IT-Unternehmen und heißen zum Beispiel Apple. Auch wenn Facebook in einem Börsengang 100 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung anstrebt, mag das in den Augen Andreessens vielleicht eine finanzielle Überbewertung sein. Doch ungeachtet dessen, verändert sich derzeit vieles. Andreessen: “Meine Theorie ist die, dass wir derzeit inmitten einer breiten technologischen und wirtschaftlichen Umwälzung sind, in der die Software-Unternehmen in der Lage sind, die größten Teile der Wirtschaft zu übernehmen.” Software frisst die Welt auf. Andreessen sieht mit 5 Milliarden Mobilfunknutzern mit Zugriff auf das Internet, die es seiner Ansicht nach in den nächsten zehn Jahren weltweit geben wird, und günstigen Cloud-Angeboten im Backend, die Utopie einer globalen Wirtschaft verwirklicht, die zum ersten Mal “vollständig digital verkabelt ist”.
Müssen wir davor Angst haben?
Andreessen sieht durchaus auch negative Auswirkungen und zwar vor allem auf diejenigen Arbeiter und Kräfte, die sozusagen auf der Verliererseite dessen stehen, was der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter, “schöpferische Zerstörung” nennen würde. Denn die angestammten traditionellen Beschäftigungsmuster werden laut seiner Prognose nicht mehr zurückkommen. Steigende Arbeitslosigkeit ist eine der Folgen. Und das sei paradox, denn die Software-Industrie giere nach neuen Talenten. Er kenne Fachleute, die jederzeit zwischen Dutzenden Jobangeboten wählen könnten. Doch nur eine bessere Bildung könne dazu führen, dass ein Arbeiter auch in dieser neuen Form der Wirtschaft einen neuen Platz finden kann.
Doch was heißt das für den CIO?
Zur Jahreswende hat man nicht nur die Ziele für das Jahr 2012 abgesteckt, sondern man blickt vielleicht auch drei bis fünf Jahre zurück. Der Forrester-Analyst Kyle McNabb rät in einem Blog, sich nicht zu sehr von den Reizthemen Big Data, App Internet oder Cloud vereinnahmen zu lassen, sondern die mögliche Entwicklung jenseits dieser Technologien zu erahnen. McNabb: “Konzentrieren sie sich darauf, was man braucht, um gute Software zu liefern.” Dabei gelte es, drei Dinge zu berücksichtigen.
Software ist IHR Geschäft: Das Software-Zeitalter bedeutet weit mehr als Online-Buchhandel, Spieleentwicklung oder Online-Servic-Delivery. “Software ist heute Teil des alltäglichen Lebens!” Sogar der moderne Backofen kommt heute mit einem Display daher. Egal welches Business, man könne Software heute nicht mehr nur im Sinne von Anwendungsentwicklung oder als eine Support-Funktion sehen. “Software ist Ihr Geschäft!”, erklärt McNabb.
Entwicklung ist kein Commodity, es bedeutet Kompetenz: “Man wird nicht darum kommen, die Mitarbeiter zu fördern und zu verändern, um die neuen Anforderungen des Business umsetzen zu können. Man muss Schlüssel-Kompetenzen rund um Solution Architecture, Software Design, Experience Design und Business- und Process-Analysis aufbauen, Fähigkeiten, die sowohl die linke wie die rechte Gehirnhälfte beanspruchen.” McNabb warnt davor, dass das Scheitern in dieser Frage das Gleiche bedeuten könnte, wie der Fehler den der Online-Buchhändler Borders 2001 gemacht hatte, als das Unternehmen dieses Businessmodell an Amazon abgetreten hatte, weil es darin keinen Zukunftsmarkt sah.
Eine Möglichkeit rechte und linke Gehirnhälfte in der eigenen IT-Abteilung nutzbar zu machen, kann in einem modernen Outsourcing-Modell bestehen. Bernhard Kraft, Executive Partner Accenture und Bereichsleiter Global Delivery DACH, rät CIOs “die Zügel nicht aus der Hand zu geben”. Aus seinen Erfahrungen mit Kunden berichtet er gegenüber silicon.de, dass “die eigentlich spannenden Aufgaben meist externe Freelancer machen”. Die interne IT-Mannschaft sei häufig mit einfach reproduzierbaren Aufgaben beschäftigt, wie etwa mit dem Application Management oder damit, neue Nutzer anzulegen.
Seine Antwort lautet hier “Global Delivery”. In diesem Modell werden solche reproduzierbaren Aufgaben zum Beispiel nach Indien ausgelagert. Die eigene IT-Mannschaft bekommt damit – salopp formuliert – den Rücken frei, um sich mit neuen Projekten zu beschäftigen, einen Piloten aufzusetzen, oder verschiedene Szenarien durchzuspielen. “Die Mitarbeiter sind so in der Lage, sich strategische Überlegungen zu machen.” Verlierer in diesem Spiel sind jedoch die Freelancer, die dadurch Kunden und einen Absatzmarkt verlieren. Allerdings wird man auch in Zukunft nicht ganz ohne Freelancer auskommen, auch davon ist Kraft überzeugt.
Doch nur so könne man die Kompetenz der eigenen Abteilung steigern und die wichtigen Entscheidungen nicht von Externen treffen lassen, die häufig eigentlich kein Interesse daran haben, ihre Kompetenzen zu teilen. Eine Chance für die externen Experten sieht Kraft jedoch darin, ihre Kompetenz als fest angestellter Mitarbeiter in einem Unternehmen einzubringen. Ein Trend, der schon heute bei einigen Freelancern zu beobachten ist, die immer häufiger in Festanstellungen wechseln.
In der Regel würde sich laut Kraft diese Transformation in etwa zwei Jahren vollziehen lassen. Natürlich müssen dabei die Mitarbeiter geschult werden, aber auch das zähle mittlerweile zum Angebotsspektrum von Accenture. Die Mehrkosten für so ein Projekt würden sich eben über die globale Arbeitsverteilung in einigen Fällen bereits nach einem Jahr amortisieren, verspricht Kraft.
Verbraucher-orientiertes Design entscheidet über Wohl und Wehe. McNabb ist bei Unternehmen skeptisch, die zwar von sich behaupten, ein gutes Design-Team zu haben, jedoch noch keine Consumer-Experience-Prinzipien wie Persona-Design, Scenario-Design oder Reisekarten eingeführt haben. “Gestern haben uns Nutzererfahrung und menschliche Faktoren dabei geholfen, nützliche Lösungen zu bauen. Aber morgen reicht ‘nützlich’ einfach nicht mehr aus. Wer hochgradig begehrenswerte Software – wie Mike Gualtieri es nennt – liefern will, kommt um Customer-Centric-Design nicht herum”, prognostiziert McNabb. Doch dabei könnten grundlegende Prinzipien, die man sich als Unternehmen gibt, helfen. Doch diese lassen sich nicht auslagern. Gutes Design sei weit mehr als nur gutes Aussehen, es geht vielmehr um das gesamte Erlebnis einer Anwendung oder eines Produktes.
2017, so McNabb, wird man auf ein Jahrzehnt zurückblicken, das von Unternehmen geprägt sein wird, die “die Rolle der Software in ihrem Business verstanden haben”. Und McNabb meine damit nicht Unternehmen wie Zynga oder Groupon. “Dieses Jahrzehnt wird von Organisationen definiert werden, die aufgehört haben, Software und Application-Development als unterstützende Funktion zu begreifen und stattdessen eine Kompetenz daraus gemacht haben.”
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Neue Erkenntnisse? Keine.
Es wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben, warum sich Menschen mit Offensichtlichem zu Wort melden, als ob es völlig neue Weisheiten wären, die sie gerade durch Erleuchtung gewonnen haben.
Und die Leier geht ja nun auch schon erfolreich seit Jahrzehnten.
Mein persönliches Highlight war allerdings "Customer-Centric-Desing". Und ich reite jetzt nicht auf dem Tippfehler herum, sondern auf dem Inhalt dieser Allerwelts-Phrase.
Wurde jemals Software mit der Intention entwickelt, den Kunden NICHT in den Mittelpunkt zu stellen? Die Frage kann wohl jeder für sich selbst beantworten.
Einzig das Ergebnis der Bemühungen variiert stark. Und deshalb wird es immer Marc Zuckerbergs und namenlose geben.