silicon.de-Umfrage, Bild: Facebook

2012 wird nach Angaben des Bitkom von drei Trends bestimmt: Cloud Computing, IT-Sicherheitslösungen und mobile Apps. 15 Millionen Deutsche haben demnach bereits Apps auf ihren Handys installiert. Doch ist die Rede vom “App-Zeitalter” gerechtfertigt? Sind Apps etwas, das die IT-Branche grundlegend prägen wird oder stehen wir gerade vor einer “App-Dämmerung“?

Apps erfordern Aufwand

Möglicherweise sind wir mit den Apps auf dem falschen Dampfer, sagt Dr. Hellmuth Broda vom Marktforscher Experton Group. Wozu solle man eine eigene App herunterladen, wenn man den ‘Spiegel’ auch über die Bookmarks des mobilen Browsers lesen könne? Broda zählt Probleme in Sachen Apps auf:

  • Sie sind sehr plattformspezifisch. Es nützt also nichts, wenn meine Versicherung eine neue App für das iPhone veröffentlicht hat, ich aber ein Android-, Blackberry-, Symbian- oder Windows-Smartphone benutze. Solche Apps müssen von den Entwicklern für jede einzelne verfügbare Plattform umgeschrieben werden. Und wenn dann neue Plattformen auftauchen, geht es von vorne los.

  • Apps müssen installiert werden. Mit den meisten App Stores ist das kein Problem, aber es ist eine manuell zu erledigende Aufgabe. Und dabei kann es passieren, dass das Gerät beim Download nicht mehr reagiert oder sehr langsam wird.

  • Der Nutzer muss selbst Updates für die Apps auf seinem Gerät durchführen; das kann zwar (halb-)automatisch ablaufen, aber Vorsicht ist geboten, wenn man keine Flatrate nutzt oder das Update im Ausland über Roaming stattfindet.

  • Die Apps machen den Hauptspeicher des Geräts ziemlich schnell voll. Mein letztes Smartphone war ein HTC Desire, und ich hatte ständig Memory-Probleme damit und war gezwungen, möglichst viele meiner Apps auf die Speicherkarte zu schieben.

  • Nach einiger Zeit weiß man vielleicht gar nicht mehr, wozu die App eigentlich gut ist und warum man sie überhaupt heruntergeladen hat.

Keine Goldgrube für Entwickler

Ohne Entwickler keine Apps – doch können Entwickler an Apps wirklich etwas verdienen? Laut Bitkom existierten im September 2011 weltweit 520.000 Apps. Der Durchschnittspreis kostenpflichtiger Apps lag demnach im Jahr 2010 bei 3,25 Euro – fast 90 Prozent der in Deutschland heruntergeladenen Apps waren jedoch kostenlos.

Für Entwickler scheint es auf den ersten Blick einfach zu sein. Man programmiere eine App, stelle sie in einen App Store, setze einen Preis fest und warte auf Geldeingang. Doch so einfach ist es nicht, sagte VisionMobile. Der Marktforscher hat in der Studie ‘Developer Economics 2011‘ untersucht, auf welche Weise sich mit Apps Geld verdienen lässt.


Grafik: VisionMobile, Lizenz CC-BY 3.0

Demnach verdient nur die Hälfte der Entwickler am Erfolg der App. Davon erhalten 44 Prozent Provisionen von ihren Auftraggebern. 53 Prozent vermarkten ihre App selbst. Aus der letzteren Gruppe bieten 23 Prozent ihre App in einem Store gebührenpflichtig an. Immerhin 20 Prozent versuchen ihre Entwicklungskosten mit Werbung zu finanzieren. In-App-Verkäufe nutzen nur acht Prozent der Entwickler.

Etwa ein Drittel verdient pro App insgesamt weniger als 1000 Dollar (etwa 700 Euro). Berücksichtigt man Entwicklungszeiten von einigen Monaten und einen angemessenen kalkulatorischen Unternehmerlohn, kommt insgesamt sogar ein Verlust heraus.

App oder mobile Webseite?

Bei dieser Frage handelt es sich um eine Scheindebatte, sagt der Forrester-Analyst Thomas Husson. Der Blog Appadvisors zählt die Nachteile mobiler Webseiten in Sachen Technik und Vertrieb auf. Der Bitkom hat bei 500 Experten nachgefragt. Dabei zeigte sich eine Kluft bei den künftigen Einsatzmöglichkeiten. Apps eignen sich demnach eher für den Einsatz im privaten Umfeld, mobile Webseiten sind für Unternehmen prädestiniert.

Typische App-Lösungen im privaten Umfeld sind Informationsdienste, Social-Media-Anwendungen, ortsbezogene Dienste oder Spiele. Mobile Webseiten hingegen werden eingesetzt für Mobile Commerce, CDM, Advertising und Supply Chain Management. “Im geschäftlichen Umfeld sind mobile Webseiten die Hidden Champions des Internet”, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Fast drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass sich Apps in den kommenden fünf Jahren bei Verbrauchern durchsetzen. Nur 22 Prozent sehen mobile Websites und sonstige browserbasierte Anwendungen vorne. In Sachen B2B ergibt sich ein umgekehrtes Bild: Hier erwarten 61 Prozent der Experten eine Dominanz spezieller Websites. Nur halb so viele Befragte (31 Prozent) erwarten, dass sich Apps auch im Unternehmensumfeld durchsetzen werden.

Vision eines konvergenten Webs


Dr. Hellmuth Broda, Bild: Experton Group

“Wirklich offene Web-Applikationen würden im Browser laufen und die App vom Gerät abstrahieren”, sagt Experton-Analyst Broda. Die Java-Technologie konnte etwa eine Abstraktionsschicht mit der Java Virtual Machine aufbauen, habe aufgrund der Fragmentierung inzwischen jedoch an Beliebtheit eingebüßt.

“Offene Web-Applikationen sind plattformunabhängig; der Nutzer muss nichts herunterladen oder updaten.” Webbasierte Software aus dem Desktopbereich werde inzwischen auch für mobile Geräte angeboten und an webfähigen Geräten herrsche kein Mangel.

Broda verweist auf die “Vision eines konvergenten Webs mit Apps für alle Endgeräte und Plattformen”. Standards wie HTML5 könnten diese Vision in die Praxis umsetzen. “Meine Hoffnung ist, dass mit diesen Ansätzen eine Konvergenz möglich ist, die es den Dienstleistern erlaubt, Apps ins Web zu stellen, die wirklich von jedem überall und jederzeit und auf allen Geräten genutzt werden können. Täusche ich mich?”

Silicon-Redaktion

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