Anfang März fanden sich vier Bundesminister und 30 DAX-Personalvorstände zusammen, darunter auch Technologie-Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Infineon, SAP oder Siemens. Das Thema des Berliner Treffens: Wie können mehr Frauen in Spitzenpositionen gebracht werden? Denn auch nach einer zehn Jahre alten Selbstverpflichtung der Unternehmen sind Frauen in den meisten Vorstandsetagen häufig Sekretärinnen.
Wie sich das ändern lässt, diskutierten damals für die Politik Familienministerin Kristina Schröder (CDU), Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).
“Der Mittelstand hat gut aufgeholt, aber bei den großen Dax-Unternehmen hat sich quasi null Komma nichts getan”, sagte von der Leyen. Im Mittelstand, im öffentlichen Dienst und in der Politik sei mittlerweile ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht und überschritten. “Es wird Zeit, dass die großen Unternehmen nachziehen.”
Schröder hatte sich für einen Stufenplan sowie eine Flexi-Quote stark gemacht, zu der auch Sanktionen gegen Unternehmen zählen sollten, falls sich der Frauenanteil in Vorständen und anderen Führungsgremien nicht bis 2013 verdreifache.
Damals diskutierte auch noch in der Funktion des SAP-Personalvorstands Angelika Dammann: “Ich bin gegen eine Quote, weil sie zu kurz greift. Wir brauchen eine gesellschaftliche Bewusstseinsänderung, zu der alle beitragen.” Es könne nicht sein, dass es die deutsche Politik und Wirtschaft nicht schaffe, Frauen und Männern flexible Tätigkeiten anzubieten und Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder zu schaffen. “Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam, also die Dax-Vorstände und die Politiker, eine Strategie entwickeln”, so Dammann. Offenbar ist die Mehrheit der Unternehmen gegen eine Quotenregelung.
Die Deutsche Telekom hatte bereits im März 2010 angekündigt, bis Ende 2015 weltweit 30 Prozent Frauen in Führungspositionen zu bringen. “Ich habe immer gesagt, dass eine gesetzliche Quote nur Ultima Ratio sein kann”, so der Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger damals. Sattelberger sprach sich für eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft mit klaren und messbaren Zielen aus. Ansonsten müsse eben der Gesetzgeber aktiv werden.
Unternehmen | Größe des Aufsichtsrats | Frauen Anfang 2011 | Frauen Ziel | Zeitrahmen |
Deutsche Telekom | 20 | 4 | 6 | 2015 |
Infineon | 12 | 2 | 2 | nicht definiert |
SAP | 16 | 1 | 2 | 2012 |
Siemens | 20 | 4 | 4 | nicht definiert |
Tabelle: PWC
Lediglich 17 Prozent aller IT-Experten in Deutschland sind Frauen, wie die Personalberatung Kienbaum für den Bitkom in einer Studie erhoben hat. Und nur 6 Prozent der Führungspositionen im IT-Bereich sind von Frauen besetzt. “Der geringe Frauenanteil bei IT-Experten verwundert nicht, denn nur wenige Frauen absolvieren eine Berufsausbildung oder ein Studium in diesem Bereich”, so der Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Und dieses Bild ziehe sich offenbar durch alle Altersschichten, denn nur 18 Prozent aller Studienanfänger im Fach Informatik sind weiblich. In IT-Ausbildungsberufen sind es sogar nur 9 Prozent. Damals kündigte der Bitkom die “Initiative für Frauen” an.
Außer schönen Worten und wenig tiefgreifenden Selbstverpflichtungen hat sich aber bislang nur wenig in der deutschen Führungsebene getan.
Und schon im Juli trat dann auch der erste und bislang einzige weibliche Vorstand der SAP “auf eigenen Wunsch” wieder zurück. Angelika Dammann war mit einem Flugzeug zwischen Walldorf und Hamburg hin und her gependelt, wo sie ihrer Familie nahe sein wollte. Ihr Vertrag hätte ihr dieses Privileg zugesichert, dennoch widerspreche das den neuen SAP-Nachhaltigkeitsrichtlinien.
Dammann entschied sich darauf hin, näher bei ihrer Familie zu sein. Dammanns Rücktritt markiert einen schweren Rückschritt bei der Erfüllung der Absichtserklärung, dass das Unternehmen weiblicher werden sollte.
Ebenfalls ein Rückschlag für mehr Frauen-Power in großen Unternehmen war die Kündigung von Carol Bartz durch den Aufsichtsrat von Yahoo. Auch wenn der Rauswurf sicher keine schöne Sache war, so fand Bartz doch erfrischend ehrliche Worte für das Verhalten des Aufsichtsrates: “Diese Typen haben mich verarscht”, so Bartz in einem Interview mit dem Magazin Fortune. Der englische Wortlaut war: “These people have fucked me over”. Der Aufsichtsrat sei eine Bande von “Idioten” und “Blödmännern”, die nach der gescheiterten Übernahme durch Microsoft den Druck von den Anlegern fürchteten.
Doch das war es im Jahr 2011 aber auch weitestgehend mit prominenten weiblichen Niederlagen. So berief Mitte April IBM Martina Koederitz als Nachfolgerin des Deutschland Geschäftsführers Martin Jetter. Seit Mai ist Koederitz damit Deutschland-Chefin von IBM. Koederitz leitete zuvor den Vertrieb von IBM in Deutschland. Vor diesem Posten verantwortete sie das Geschäft mit mittelständischen Firmen und mit Geschäftspartnern in Deutschland.
Die vielleicht wichtigste Neubesetzung eines Chef-Postens ist aber wohl die Nachfolgerin von Sam Palmisano. Der wird, so verkündete IBM im Oktober, seinen Stuhl an Virginia Rometty abgeben. Damit steht der vielleicht wichtigste IT-Konzern der Welt unter der Führung einer Frau. Rometty kennt sich in den Kerngeschäften IBMs bestens aus. So hat sie bei IBM, der sie seit 1981 angehört, bereits den Bereich für Global Services geleitet und auch IBM Wachstumsmärkte betreut. Den Wechsel hatte IBM bereits in den vergangenen Monaten angedeutet. Auch stand Rometty mehr oder weniger als Nachfolgerin fest. Die genauen Details jedoch wurden erst jetzt bekannt.
Deutlich mehr Zweifel an den Führungsfähigkeiten wurden aber bei der Einberufung der Nachfolgerin von Leo Apotheker im September laut. Meg Whitman, die das Auktionsportal Ebay erst zu voller Größe geführt hat, war bereits seit Januar 2011 im HP-Verwaltungsrat vertreten. Zuvor hatte sie erfolglos für den Gouverneursposten in Kalifornien kandidiert. Zweifel herrschen in Analystenkreisen allerdings darüber, ob sie in der Lage ist, ein technologiegetriebenes Unternehmen nach IBM-Vorbild zu führen. Immerhin, Whitman will offenbar die Drucker-Sparte behalten und hat mit der Offenlegung von WebOS ein halbwegs würdiges Ende für das Mobilbetriebssystem gefunden. Seit einigen Montanen scheinen sich bei HP auch die internen Turbulenzen wieder gelegt zu haben.
Von Zwist begleitet war auch die Personalie der 52-jährigen Marion Schick, die zusammen mit Claudia Nemat im Juli in den Vorstand der Deutschen Telekom kam. Schick soll 2012 das Personalressort von Thomas Sattelberger übernehmen. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat stimmten laut Berichten gegen die Berufung von Schick. Der Arbeitnehmerseite habe bei dieser Personalie “ausreichende Dialogbereitschaft und Verständigungswille” der Arbeitgeberseite gefehlt, hieß es. Man befürchte, dass Schick die Interessen der Mitarbeiter nicht ausreichend vertreten könnte. Daher hätten die Arbeitnehmervertreter aus Protest die Sitzung des Aufsichtsrates vorzeitig verlassen. Schick könnte bei der Telekom “ein eiskalter Wind ins Gesicht wehen”, hieß es weiter.
Claudia Nemat hat seit Oktober den Vorstandsbereich Europa inne. Deutlich ruhiger ging es bei der Berufung von Nemat zu. Die Diplom-Physikerin wechselte von der Unternehmensberatung McKinsey und leitet dort den Technologie-Sektor für die Region EMEA. Sie hat bereits Projekte für die Telekom betreut und war unter anderem an der Ausarbeitung der neuen Unternehmensstrategie beteiligt. Als neuer Vorstand ist sie für die Führung der Beteiligungen des Konzerns in Europa zuständig.
Als Nachfolger des Recht- und Compliance-Vorstandes, Manfred Balz, ist ebenfalls eine Frau im Gespräch. Der Vertrag von Balz läuft bis Oktober 2012, der 66-Jährige will dem Vernehmen nach jedoch früher aufhören. Nach Angaben des Handelsblattes ist Justiz-Staatssekretärin Birgit Grundmann (FDP) eine aussichtsreiche Kandidatin.
Derzeit ist Nemat noch der einzige weibliche Vorstand unter den acht Vorständen der Telekom. Ein Problem das Marianne Janik, Director Public Sector von Microsoft Deutschland, nicht kennt.
Im Management-Team von Ralph Haupter sitzen sechs Männer aber mit Janik seit Juli 2011 auch sechs Frauen. Der Konzern macht sich seit Jahren dafür stark, auch die Karriere von Frauen zu fördern – unter anderem mit Rahmenbedingungen, die es erleichtern, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
“Im Laufe der Jahre ist neben dieser Selbstverpflichtung und dieser Überzeugung auch mehr und mehr der Nutzen in der Vordergrund getreten”, so Janik. Wir sehen, dass das Arbeiten in gemischten Teams auch deutliche Vorteile für das Team mit sich bringt.”
So habe sie auch in ihrem eigenen Team festgestellt, dass die Diskussion vielleicht etwas länger dauern, aber mehr Tiefgang haben. “Das heißt, wenn Entscheidungen anstehen, mehr Argumente auf den Tisch kommen und ein Sachverhalt von vielen Seiten beleuchtet wird – das hilft uns bei der Entscheidungsfindung.”
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