Das Sturmtief Ansgar im Wasserglas
Wenn überhaupt, dann hat man sich bislang an schönen Flecken dieser Welt wie Oberviechtach im Oberpfälzer Wald oder Tittmoning an der Salzach die Frage, um wen es sich bei Ansgar Heveling handelt, dahingehend beantwortet, dass man sich den Mann vorstellen muss wie eben den CDU-Ortsvereinsvorsitzenden von Korschenbroich – also eigentlich gar nicht. Seit dieser Woche aber ist das anders.
Der Besagte ist “a member of German Parliament from Chancellor Angela Merkel’s conservative Party”, merkte gleich am Montag sogar Techpresident an. Und dabei handelt es sich immerhin um die Beta-Version einer US-amerikanischen Internet-Publikation, obwohl Ansgar Heveling seinerseits doch noch lange nicht den Beta-Status der politischen Bedeutsamkeit erreicht hat.
Einen Gastkommentar im Handelblatt hat er verfasst, was wieder einmal darauf hinweist, dass die Not vieler einst renommierter Blätter nicht nur finanzieller, sondern oft auch intellektueller Natur ist. “Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren!” überschrieb er seinen Artikel.
In Ermangelung eines solchen ist dessen Inhalt nur schwer zu analysieren. Feststeht bloß, dass der aktuell nach Hans-Hubert, “Berti” Vogts berühmteste Sohn der Stadt Korschenbroich irgendwie den amerikanischen Stop Online Piracy Act unterstützt, was dem aber wohl auch nicht zum Durchbruch verhelfen wird, und dass er in einer geradezu barocken Bildersprache schwelgt, die durchaus mit der Leibesfülle eines bewegungsarmen Hinterbänklers korrespondiert.
Er warnt vor “digitalen Maoisten” und lässt dabei – belesen wie er ist – den Namen eines Technikphilosophen: Jaron “Lavier” fallen. Wer sich dahinter verbirgt, bleibt allerdings im Unklaren. Der bekanntere Jaron Lanier jedenfalls kann nicht gemeint sein. Denn der hat Bücher geschrieben, in denen auch blättern kann, wer Internet-Lexika wie Wikipedia nicht mag.
Der Korschenbroicher Wüterich prophezeit, “dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen” und er fragt sich, “wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird”.
Polizeibeamten etwa in Oberviechtach oder in Tittmoning sind ähnliche Phänomene bekannt. Auch sie haben es des Öfteren mit stämmigen Mannsbildern zu tun, die lallen, wirr daherreden und ohne ersichtlichen Grund Streit suchen. Denen nehmen sie dann Proben ihres nicht-digitalen Blutes ab.
Aber so kann man with a since this week well-known member of German Parliament from Chancellor Angela Merkel’s conservative Party natürlich nicht umspringen. Und deshalb brach diese Woche ersatzweise ein Shitstorm aus dem Netz über Ansgar Heveling herein. So nennt man es, wenn die Leute sich dort aufregen.
Das Verb “hevelingen” für “dumm daherreden” wurde erfunden, analog zu “kaudern” für “arg deutsch daherreden”. Und wie unter #wulfffilme wurden für ihn, einen einfachen Abgeordneten, der während der Sitzungswochen immer in den höher gelegenen Stuhlreihen des Reichstags Platz nehmen muss, Filmtitel kreiert.
Für so viel öffentliche Aufmerksamkeit müssen Politiker ansonsten wirklich etwas leisten, beziehungsweise, was meist dasselbe ist, sich etwas leisten, also im Staatsamt andere Nationen beleidigen oder nahezu ihren gesamten Lebensunterhalt ausgesprochen kostengünstig finanzieren, einschließlich des Eigenheims, der Urlaubsreisen, der Kleider für die Frau Gemahlin und des Audis. Ansgar Heveling hat sehr viel eleganter und mit deutlich geringerem Aufwand Schlagzeilen gemacht.
Eine TCP/IP-basierte Light-Version Abimael Guzmans hat sogar die Website des Kämpfers wider die digitalen Horden gehackt. Die soll durch ein Passwort, bestehend aus den Buchstaben h, e, v, e, l, i, n, g geschützt gewesen sein, so dass der, dessen Namen ebenfalls aus diesen Buchstaben besteht, jetzt als terrorisiertes Opfer einer digitalen Kulturrevolution gelten kann, quasi als der Deng Xiaoping von Korschenbroich.
Dorothee Bär hat Ansgar Heveling ebenfalls kritisiert. Sie ist stellvertretende Generalsekretärin der CSU und als solche zuständig für alles, was ihre Partei ansonsten nicht so recht vertreten mag: Liberalität etwa und die Moderne überhaupt. “Effekthascherei” warf sie ihm vor. Es wird sie wohl tierisch gefuchst haben, dass er in dieser Königsdisziplin der Stellvertreter und Hinterbänkler sich als begabter erwiesen hat als sie.
So, jetzt aber noch was Versöhnliches zum Schluss: Ein bisschen hat er ja auch recht, der Ansgar Heveling, MdB und Mitglied der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft: Mit der Digitalisierung der Welt wird manchmal schon auch übertrieben.
Man sieht das an dem Shitstorm, der diese Woche über ihn hereingebrochen ist. So einem Typen wie diesem Heveling, dem würde man doch auch eine nicht-digitale Version von so was gönnen.