Einer aktuellen Prognose des Bitkom zufolge sind Cloud Computing, mobiles Computing, IT-Sicherheit und Social Media die vier wichtigsten IT-Trends des Jahres. Die beiden meistgenannten Themen sind dabei eng verknüpft: Für vieles, was Mitarbeiter mobil erledigen sollen, ist der Zugriff auf Cloud-Dienste vorgesehen, sei es nun E-Mail, CRM oder Kollaborationslösungen.
Die Bereiche Mobile Computing und mobile Applikationen werden zudem stark von zwei anderen Modeerscheinungen mitbestimmt: Einerseits dem als Consumerisierung der IT bezeichneten Vordringen von Geräten aus dem privaten Umfeld in Firmen, andererseits dem als Bring-your-own-Device (BYOD) bezeichneten Konzept, dass diese Geräte nicht mehr die Firmen anschaffen, sondern die Mitarbeiter selbst. Über beide wird viel diskutiert, oft ausgehend von Szenarien in den USA und auf Anregung von amerikanischen Herstellern. Aber wie sieht es in der Praxis in deutschen Firmen aus?
Dieser Frage ging eine vergangene Woche von Dell in München veranstaltete Podiumsdiskussion nach. Der Hersteller hatte auch zwei CIOs aufgeboten, die sich mit den genannten Trends bereits praktisch auseinandersetzen: Sowohl Stefanie Kemp, CIO bei Vorwerk, als auch Erich Ehbauer, CIO bei Apollo Optik, haben schon Nutzer, die selbst mitgebrachte Geräte im Unternehmen einsetzen.
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Allerdings hat sich weder das eine noch das andere Unternehmen entschieden, den Schritt zu privat gekauften Tablets und Smartphones zur strategischen Chefsache zu erklären und rasch im großen Stil durchzuziehen. Apollo Optik hat laut Ehbauer “ein bisschen mit BYOD begonnen” und bei Vorwerk verfügen von den etwas über 40 Prozent der Mitarbeiter mit mobilen Arbeitsplätzen derzeit rund zehn Prozent über “mobile Devices”, wie Kemp Tablets und Smartphones im Gegensatz zu Notebook bezeichnet.
Bei beiden Firmen handelt es sich bei den privat angeschafften, beruflich genutzten mobilen Geräten derzeit ausschließlich um Apple-Produkte. Aber die Gründe dafür sind unterschiedlich. Mobile Mitarbeiter bei Apollo Optik wurden in den vergangenen Jahren mit Blackberrys ausgestattet. Das hat sich geändert: “Wir mussten zu Apple gehen, weil sich ein paar VIP-User entschieden haben, dass das das geilste Teil ist”, so Ehbauer. Mit dieser Erfahrung steht er nicht alleine da: Ähnlich äußern sich CIOs und IT-Leiter immer wieder – meist jedoch nur hinter vorgehaltener Hand.
Für Vorwerk-CIO Kemp – selbst iPad-Nutzerin – führt die allmähliche Consumerisierung in ihrem Hoheitsgebiet weniger auf den Drang der Mitarbeiter zum Wunschgadget zurück, als vielmehr auf deren Wunsch, “Always-on” zu sein. Dabei stünden Funktionen wie E-Mail und Kalender ganz klar im Vordergrund. Außerdem seien für einige Mitarbeiter die Möglichkeiten der Präsentation vorteilhaft. Es sei aber auch möglich, mit dem privaten Gerät Firmendaten zu bearbeiten.
Die damit einhergehenden Risiken sind Kemp bekannt. Erste Sicherheitsmaßnahmen wurden getroffen, weitere sind in Vorbereitung: “Wir erarbeiten gerade Worst-Case-Szenarien und prüfen, wie wir damit umgehen”, so Kemp. Eines davon sei etwa der Verlust oder Diebstahl eines Geräts.
Sicherheitsgründe sind es auch, warum Vorwerk heute noch ausschließlich Apple-Geräte zur privaten Nutzung zulässt: “Derzeit ist über iTunes die App-Versorgung einfach noch besser, weil Apple da schon sehr sorgfältig vorgeht. Dieselbe Sicherheit sehe ich im Android-Umfeld noch nicht.”
Allerdings hat Kemp auch Kritik am App Store: “Bisher haben wir keine tolle App bei iTunes gefunden, die uns in der Firma wirklich vorangebracht hat.” Sowohl die Angebote für CRM, ERP als auch BI setzten auf der vorhandenen Anwendungslandschaft auf. Um wirklich etwas Neues zu haben, ist Vorwerk gerade dabei, eigene Apps für die Mitarbeiter zu bauen. Welche das sind, verriet Kemp nicht, ließ aber durchblicken, dass man plane, noch mehr zu entwickeln. “Order entry mit dem iPad ist etwa eine schöne Sache, das würde uns auch im Backlog entlasten.” Zudem könne man ein Tablet natürlich gut für Produktpräsentationen nutzen. “Das schauen wir uns gerade an”, so Kemp.
Sowohl Ehbauer als auch Kemp stellten fest, dass sie durch das Zulassen privater mobile Geräte bei den Anwendern in ihren Firmen die Zufriedenheit steigern konnten. Kemp führt das auch darauf zurück, dass Nutzer dadurch mit weniger Geräten auskämen – und das sei für sie auch schon ein Mehrwert. Einen darüber hinaus gehenden, konkreten Nutzen zu beziffern, fiel aber beiden schwer. Kemp sieht BYOD bei Vorwerk derzeit eher als Imagethema, weniger als Frage des ROIs. Ehbauer hält als positives Ergebnis fest:”Auf alle Fälle gehen mit Apple-Geräten die Service-Calls zurück. Das können wir auch eindeutig nachweisen.” Seiner Ansicht nach entsteht der Effekt durch die Nutzung der Geräte im privaten Umfeld, dadurch erhöhe sich die Sicherheit im Umgang mit den Produkten.
Ein wichtiger Baustein der Mobilstrategie ist sowohl bei Vorwerk als auch bei Apollo Optik die Kooperation mit einem Mobilfunkprovider. Bei Apollo Optik hat man es dadurch geschafft, dienstliche und private Geräte zu verknüpfen, nicht nur was die Daten, sondern auch was den Tarif anbelangt. Vorwerk hat mit einem Provider gerade einen Full-Service-Vertrag abgeschlossen – auch, um die Verwaltung der Geräte bei einem Sicherheitsvorfall zu gewährleisten. Dafür müssen Mitarbeiter, die private Geräte dienstlich nutzen wollen, allerdings im Verlustfall ihre Rechte an Dateien auf dem Gerät abtreten. Darüber habe es auch Gespräche mit dem Betriebsrat gegeben, die Mitarbeiter selber stünden dem aber offen gegenüber. Und schließlich werde keiner gezwungen, sein privates Gerät beruflich einzusetzen.
Unterm Strich haben die beiden CIOs ihre Entscheidung, die Nutzung privater Geräte zuzulassen, bisher nicht bedauert. Der Schritt hat sie auch nicht über Gebühr beansprucht, brachte aber auch noch keine wirklich messbaren und vorzeigbaren Kostensenkungen oder Produktivitätsvorteile. Allerdings warnen sowohl Kemp als auch Ehbauer davor, die Zufriedenheit der Anwender – die das von ihnen präferierte Gerät benutzen und flexibler arbeiten können – zu unterschätzen.
“Universitäten leben schon lange mit Bring your own Device”, gab Helmut Krcmar, Professor für Wirtschaftsinformatik an der TU München und ebenfalls Teilnehmer der von Dell organisierten Podiumsdiskussion, zu bedenken. Schließlich arbeiteten dort Studenten und Lehrkräfte schon seit Jahren mit eigenen Rechnern, bräuchten aber trotzdem regelmäßig Zugriff aufs Netzwerk. “Vielleicht lohnt es sich, anzuschauen, wie die das machen.”
Grundsätzlich, so Krcmar, seien Nutzer natürlich mit selbstgewählten Geräten zufriedener. Das liege aber vor allem daran, dass man im umgekehrte Fall, mit “mandated technologies”, wie er sie nennt, einfach immer deshalb unzufrieden ist, weil man nicht gefragt wurde und keine Wahl hatte. Da sei ein psychologischer Effekt und ganz unabhängig von der Qualität und den Eigenschaften des Geräts.
Der Akademiker warnt aber davor, sich zu sehr auf die technischen Details zu konzentrieren: “Firmen brauchen nicht nur technische, sondern auch Verhaltensregeln, wenn es mit Bring-your-own-Device klappen soll.” Und im Zuge der allmählichen Einführung müssten auch CIOs und IT-Leiter lernen, wo sie “Showstopper spielen müssen” und wo es nicht so schlimm sei. Die technische Seite sei derzeit ohnehin noch vergleichsweise einfach: “Im Moment rennen alle in eine Richtung: zu Apple. Aber das wird sich ändern. An der Uni stelle ich jetzt schon fest, dass es eine starke Android-Fraktion gibt.” In Firmen werde sich das in absehbarer Zeit ebenfalls bemerkbar machen.
Das glaubt auch PAC-Experte Frank Niemann. “Unsere Umfragen zeigen alle, dass Firmen künftig mit mehreren Plattformen leben müssen.” Die wichtige Frage, die sich CIOs und Firmen stellen sollten, ist seiner Ansicht nach: “Was mache ich damit eigentlich?” Die Wahl zu lassen sei schön und gut, aber die Entscheidung für das eine oder andere Gerät kann auch eine Reihe von Kosten nach sich ziehen, etwa durch Anpassung oder Neuentwicklung von Software. Welche Kosten das sind und wie hoch diese ausfallen können, solle man vorher gut abwägen.
Fasst man die während der Dell-Veranstaltung gemachten Schilderungen und Aussagen zusammen, stellt man schnell fest, dass die Praxis wie so oft etwas anders aussieht als die Marketingwelt der Produktstrategen. Erstens ist bei beiden Mittelständlern bisher nur ein geringer Prozentsatz der Mitarbeiter mit eigenen Smartphones oder Tablets ausgerüstet. Zweitens sind das oft noch Zusatzgeräte: Sie bewahren zwar das Unternehmen davor, ein Smartphone oder Tablet anschaffen zu müssen, ersetzen aber nicht das ohnehin bei diesen Mitarbeitern schon vorhandene Notebook.
Drittens fällt es Firmen schwer, über Komfortmerkmale für die Mitarbeiter hinausgehende Nutzungsszenarien für die neuen Geräte zu schaffen. Der Zugriff auf E-Mail und Kalenderfunktionen ist jetzt schneller und einfacher, war aber für mobile Mitarbeiter mit Laptop auch früher schon prinzipiell möglich. Außerdem sind viele in Firmen genutzte Anwendungen entweder grundsätzlich oder zumindest bisher noch nicht für Tablets geeignet. “Stückerfassungslisten auf dem iPad zu bearbeiten ist eine Aufgabe, die deutlich unterhalb der Grenze liegt, wo es noch Spaß macht”, nennt Krcmar ein Beispiel.
Andere, kleinere Aufgaben haben da deutlich mehr Chancen: Urlaubsanträge, Reisekostenerfassung und vergleichbare, in vielen Firmen ähnliche Aufgaben lassen sich leichter in eine App-gerechte Form und damit auf Tablets und Smartphones bringen, so wie das auch SAP schon anbietet. Viele Anbieter arbeiten mit Hochdruck daran, ihre ERP-Anwendungen mobil zu machen, andere stellen mobilfähige-ERP-Lösungen schon auf der CeBIT vor. Das Interesse der Anwender ist im günstigsten Fall verhalten. “Die können das lange anbieten, ich werde es nicht kaufen”, lehnt Vorwerk-CIO Kemp diese Ansätze sogar deutlich ab.
Den Unternehmen geht es eben nicht darum, alles mobil zu machen. Sie wissen sehr wohl, dass auch künftig viele Aufgaben noch am besten am Schreibtisch am 19-Zoll-Monitor erledigt werden. Sie brauchen aber zusätzlich zu Mail und Kalender weitere Anwendungen, die den Mitarbeitern, die mobil sind helfen, ihre Arbeit besser zu machen. Am Ende wird das ein Mix sein. Einerseits gehören dazu allgemein verfügbare Apps, etwa für die Reisekostenabrechnung oder die Zeiterfassung, die Daten lediglich aufnehmen und in andere Systeme weiterreichen. Andererseits sind es selbst entwickelte Apps, etwa für die Präsentation hochwertiger Produkte.
Die eine, alle seligmachende Tablet- oder Mobilstrategie wird es nicht geben: Der Mehrwert entsteht nämlich gerade durch die branchen- oder firmenspezifische Nutzung. Und die kann sich bei Vorwerk (Staubsaugerpräsentation), Apollo Optik (Stilberatung für Brillenträger) erheblich von Organisationen aus dem Gesundheitswesen (Röntgenbildanalyse) oder Servicetechnikern (mobile Zeiterfassung und Produktdokumentationen) erheblich unterscheiden. Um zu wissen, was den meisten Nutzen bringt, sollten IT und Fachbereiche viel und frühzeitig miteinander reden.
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