‘Managing Trust’: Streit um CeBIT-Leitthema

Das Web werde sich immer seinen Weg bahnen, so Google-Aufsichtsratschef Eric Schmidt. Und er zielt damit auf die Tatsache ab, dass auch in totalitären Regimen, die Menschen Mittel und Wege finden werden, sich untereinander auszutauschen. Auch dann, wenn Regierungen die Bürger eines Landes vom Internet abzuschneiden.

“Technologie wird Gesellschaften verändern und das Verhältnis zwischen Bürger und Staat neu definieren”, so Schmidt bei der großen Eröffnungsfeier der CeBIT in Hannover. Die Tatsache, dass die Bürger eines Landes, Informationen weltweit vergleichen können, mache es für staatliche Propaganda schwierig. Als Beispiel nennt Schmidt Syrien. Aus diesem Land dringen immer wieder Aufnahmen über Militäraktionen von Assads Regime nach außen. Derzeit versuchten rund 40 Länder, das Internet auf entsprechende Inhalte zu filtern. Die Themen Datenschutz und Privatsphäre lässt Schmidt in seiner Ansprache unberührt.

Google selbst hat bei einigen staatlichen Zensuren, wie etwa in China, teilweise selbst an Zensur mitgewirkt. Zudem steht das Unternehmen in der massiven Kritik von Datenschützern.

Kanzlerin Angela Merkel sieht bei Cloud-Angeboten, wie sie auch von Google angeboten werden, neben den Chancen auch erhebliche Risiken, je mehr man sich auf solche Dienste verlasse, desto wichtiger sei es, dass man sich darauf verlassen können müsse. Daher müsse sichergestellt werden, dass diese Daten nicht von Dritten missbraucht würden.

Kritik an Google äußert auch David McAllister, Ministerpräsident des Landes Niedersachsens: Der Nutzen von Cloud-Diensten, Sozialen Netzwerken oder Angeboten für Unternehmen sollte niemals auf Kosten der persönlichen Privatsphäre oder des Urheberrechts geschehen. Dieter Kempf, Präsident des Bitkom erklärt, dass Vertrauen die unerlässliche Voraussetzung für das Cloud Computing ist.

Ohne auf die Forderungen der Vorredner einzugehen, erklärte Schmidt, dass es bis 2020 in jeder Stadt 1Gb/s-Glasfaserverbindungen geben wird, dass auf deutschen Autobahnen Fahrzeuge ohne Fahrer unterwegs sein werden und es werde holographische Telepräsenzsysteme geben. Eine schöne neue Technik-Welt also, die aber den Graben zwischen den Gesellschaften weiter aufreißen wird. Fünf Milliarden Menschen werden weiterhin keinen Zugang zu diesen Segnungen und zum Internet haben. Doch es werden die Schwachen stark werden und sich voraussichtlich mobil ins Internet ‘einwählen’. Die digitale Dividende jedoch werde weiterhin bestehen und der Abstand zwischen ganz oben und ganz unten werde größer sein als heute. “Dennoch können wir eine Welt von Gleichberechtigten schaffen.”

Die Frage, ob eine Technologie sich positiv oder negativ auf demokratische Werte und Staaten auswirkt, hat durchaus einiges mit ‘Vertrauen’ und nicht zuletzt mit Sicherheit zu tun. Doch dass Google den Schwarzen Peter auf Despoten schiebt und nicht erst einmal vor der eigenen Türe kehrt, scheint einigen in der Branche sauer aufzustoßen.

Einer ist Ralph Haupter, Vorsitzender der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland. Haupter bedauerte, dass sich Schmidt zum Leitthema der Messe – Managing Trust – nur vage geäußert hat.

“Ich hätte von Eric Schmidt zum Thema ‘Managing Trust’ eine klarere Position erwartet. In der Schule würde man sagen: Thema verfehlt! Das ist schade, denn ich finde, dass sich die IT-Branche auch den unbequemen Fragen der digitalen Debatte stellen muss”, so Haupter in einer Mitteilung an die Presse. Schmidt habe jedoch auf diese Fragen keine Antworten gegeben, sondern stattdessen über die digitalen Möglichkeiten der Zukunft gesprochen.

“Das reicht meines Erachtens nicht aus. Als Branche müssen wir uns den zentralen Herausforderungen des Datenschutzes, der Sicherheit, des Zugangs und der Transparenz in der digitalen Welt jetzt stellen. Wir müssen die Debatte darüber aktiv führen. Diese Chance wurde heute nicht genutzt”, so Haupter weiter.

Dem Microsoft-Deutschland-Chef zufolge entsteht Vertrauen nur durch Verantwortung. Als Leitthema der weltgrößten IT-Messe dürfe Managing Trust deshalb kein Feigenblatt für die ungelösten Fragen der digitalen Debatte sein. “Als Branche müssen wir uns den zentralen Herausforderungen des Datenschutzes, der Sicherheit, des Zugangs und der Transparenz in der digitalen Welt stellen. Wir müssen die Debatte darüber aktiv führen und Verantwortung für die gesellschaftlichen Folgen unserer Innovationen zeigen. Dabei geht es auch darum, ob wir als IT-Anbieter konkrete, nachprüfbare Schritte unternehmen, durch die sich das Vertrauen in neue Technologien weiter festigen lässt.”

Zu Diskussionen um das Thema war es bereits gestern bei der Pressekonferenz des Bitkom zusammen mit Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gekommen. Messe-Chef Ernst Raue hatte erklärt, das Thema sei nicht von der Messegesellschaft festgelegt, sondern in Gesprächen mit der Branche vereinbart worden. Für Bitkom-Präsident Dieter Kempf ist das Thema die logische Fortsetzung des letztjährigen Leitthemas Cloud Computing: Gerade in der Cloud spiele Vertrauen eine besondere Rolle.

Kempf verwies dabei auf eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Bitkom. Deren Ergebnissen zufolge veröffentlichen oder speichern vier von fünf Anwendern persönliche Daten im Web. 71 Prozent der Internetnutzer möchten ihre Inhalte mit vielen anderen Menschen teilen, immerhin bereits 22 Prozent legen Sicherheitskopien von Bildern oder anderen Dateien online auf fremden Servern ab. Doch jeder fünfte Onliner nutzt keine dieser Möglichkeiten – entweder, weil ihm Informationen fehlen, oder, weil er sich um seine persönlichen Daten sorgt.

“Im Internet öffnet sich derzeit ein neuer digitaler Graben – zwischen Web-2.0-Profis, die sich gekonnt und sicher im Netz bewegen und einer großen Gruppe, die aus mangelndem Know-how oder Angst um Daten lediglich E-Mails verschickt und wenige ausgewählte Webangebote nutzt”, so Kempf. Wichtigste Kriterien für Vertrauen im Internet sind der Bitkom-Umfrage zufolge Datensicherheit, Datenschutz, verständliche und faire Geschäftsbedingungen sowie eine transparente Abwicklung von Bestellungen. Diese Punkte nennen jeweils mindestens sieben von zehn Internetnutzern.

Kempf zufolge legen der Umgang mit Daten, Fairness und Transparenz die Basis für Vertrauen. Für Bundesverbraucherministerin Aigner gehören dazu aber auch verbraucherfreundliche Technik und datenschutzfreundliche Voreinstellungen im Design der Angebote. Außerdem sollten von vornherein nicht mehr Daten erhoben werden, als für den konkreten Zweck erforderlich ist.

Die Debatte ist durch die aktuellen Änderungen von Googles Datenschutzerklärung zu sehen. Sie war bereits von deutschen und EU-Datenschützer kritisiert worden. Auch Ministerin Aigner hatte sich gestern auf der Bitkom-Pressekonferenz noch einmal kritisch dazu geäußert: Sie bemängelte, dass Google Daten von Diensten zusammenführe, von denen es seinen Nutzern zuvor versprochen habe, genau dies nicht zu tun.

[Mit Material von Peter Marwan, ZDNEt.de]

Silicon-Redaktion

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  • vom Regen in die Traufe...
    Das nun ausgerechnet Microsofts DE Chef die IT Welt auffordert zu sagen, was man als Unternehmen denn an vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Kunden unternähme, klingt weithin irrational:

    War und ist es doch Microsoft, das sich wehement, mit Händen und Füßen gegen jeden neuen und die meisten etablierten Standards wehrt, sie nach Stasi-Manier "zersetzen" lässt und/oder kaputtgemacht den Kunden unterjubelt.

    Woher soll das Vertrauen kommen, das ich zB eine MS Excel 2000 Datei in 50 Jahren nochmal geöffnet bekomme, wenn MS selbst alles dafür tat, das niemand das Format nachvollziehen kann - oder das ich schon morgen meine defekte Outlook PST Datei samt Mails der letzten 10 Jahre komplett vergessen darf, nur weil darin ein Bit klappert?

    Vertrauen, davon bin ich überzeugt, funktioniert anders...

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