Social Media meets Arbeitsrecht: Die Kontakte gehören mir!

Situation

Entstehen Kontakte über Social-Media-Netzwerke, so kann es besonders schwer sein, hinterher festzustellen, ob es private Kontakte des Mitarbeiters oder Geschäftskontakte des Arbeitgebers sind. Der Einsatz von Social Media ermöglicht eine weit höhere Anzahl an Kontakten in kürzerer Zeit als alle anderen Mittel, die schon vor dem Zeitalter Web 2.0 genutzt wurden, um Kunden und andere Geschäftspartner zu gewinnen. Viele Mitarbeiter verwalten ihre Kontakte und Kundenverbindungen per se über Social-Media-Netzwerke. Alles geht schneller, einfacher, flächendeckender und heimlicher, kurzum mit weit größerer Hebelwirkung als bisher. Der Wert im Positiven oder der Schaden im Negativen können deswegen auch besonders hoch sein.

Beispiele

Das Internetportal Phonedog verklagt seinen ehemaligen Mitarbeiter Noah Kravitz auf 340.000 Dollar Schadenersatz, weil er Twitter-Follower seines ehemaligen Phonedog-Accounts namens “@Phonedog_Noah” mitnahm, indem er den Namen des Accounts zu “@noahkravitz” änderte. Der geforderten Schadenssumme liegt zugrunde, dass der ehemalige Arbeitnehmer 17.000 Follower zu einem Wert von je 2,50 Dollar für die Dauer von 8 Monaten auf seinen Account übertrug. So rechnet jedenfalls der Arbeitgeber.

Im Sommer 2011 nahm die BBC-Journalistin Laura Kuenssberg 60.000 Twitter- Follower zu einem Wettbewerber ihres vormaligen Arbeitgebers mit, indem sie den Account von @BBCLauraK in @ITVLaurak umbenannte.

Diese und ähnliche Fälle sind genauso in Deutschland und in Zusammenhang mit jedem beliebigen Social-Media-Netzwerk denkbar.

Herausforderung

Wenn das Arbeitsverhältnis endet, stellen sich Fragen wie:

  • Muss der Mitarbeiter die Zugangsdaten zum Account überhaupt preisgeben oder dem Arbeitgeber abtreten?
  • Muss der Account nach dem Austritt des Arbeitnehmers brachliegen?
  • Wie darf der Account nach dem Austritt des Mitarbeiters weiter verwaltet werden, falls er weitergenutzt werden darf?
  • Muss der Mitarbeiter die Kontakte herausgeben?
  • Was passiert, wenn der Mitarbeiter die Herausgabe zu Unrecht unterlässt?
  • Darf der Mitarbeiter die Kontakte oder einen Teil davon selber oder für Dritte weiterverwenden?

Die Zugangsdaten und damit die Zugangsberechtigung gehören demjenigen, dem der Account gehört. Wer das sein soll, lässt sich anhand von Indizien wie etwa Zahlungsverpflichtung, Account-Name, E-Mail-Anschrift, Profildaten und Schwerpunkt der Nutzung (geschäftlich oder privat oder gemischt) feststellen. Sprechen alle diese Indizien klar für den Arbeitgeber, darf er den Account auch weiter verwalten und nutzen. Der Mitarbeiter muss dann auch die Kontakte an ihn herausgeben.

Allerdings ist die Indizienlage häufig nicht eindeutig, wie die Beispiele eingangs bereits aufgezeigt haben. Das fängt schon bei der Namensbezeichnung des Accounts an, von der man meinen könnte, sie wäre das einfachste Kriterium. Diese Mischformen aus den genannten Kriterien sind deutlich schwieriger einzuordnen. Mögliche Varianten sind,

  • dass es sich zwar formal um einen geschäftlichen Account handelt, der Mitarbeiter aber auch private Kontakte darüber verwalten darf,
  • dass es sich zwar um einen privaten Account handelt, aber der Arbeitgeber bezahlt,
  • dass zwar die Arbeitgeber E-Mail-Anschrift angegeben ist, aber die private Adresse dahintersteht usw.

Die Empfehlung an den Arbeitgeber kann deshalb nur lauten, vorher eine klare Indizienlage zu schaffen, die keinen Zweifel an der Unternehmenszugehörigkeit des Accounts bestehen lässt.

Sind diese Vorkehrungen getroffen, wird der Mitarbeiter auch keine Geschäftskontakte mitnehmen dürfen. Insbesondere nicht in einer Art und Weise, wie es in den eingangs geschilderten Fällen geschehen ist. Was passiert, wenn der Mitarbeiter Kundenkontakte weiter nutzt, die er nicht technisch gespeichert sondern schlicht im Gedächtnis behalten hat, wäre dann alleine Thema des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes und nicht der hier im Mittelpunkt stehenden Fragen.

Sollte der Mitarbeiter Geschäftskontakte in unzulässiger Weise mitnehmen, indem er sie zum Beispiel von dem Geschäfts- in seinen Privat-Account oder den des neuen Arbeitgebers transferiert, bleibt zu klären, nach welchen Kriterien und in welcher Höhe der Arbeitgeber Schadensersatz verlangen kann.

Nach deutschem Recht wird man wohl keinesfalls einen Schadensersatzanspruch herleiten können, wie er in dem geschilderten “Phonedog-Fall” im Raum steht. Alleine die Art der Herleitung und der Berechnung der Schadenshöhe dürfte nach deutschem Recht in dieser Form ausgeschlossen sein.

Gleichwohl könnte ein Schadensersatzanspruch jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber konkret darlegt und nachweist, dass ihm aufgrund des Verlusts der Kundendaten wirklich ein Schaden entstanden ist. Wenn es ihm weiterhin dann noch gelingt, eine konkrete Schadenshöhe darzulegen, wäre ein Schadensersatzanspruch auch nach deutschem Recht denkbar. Führt man sich allerdings wieder die eingangs genannten Beispiele vor Augen, wird schnell klar, dass eine hinreichend konkrete Darlegung von Arbeitgeberseite in den wenigsten Fällen möglich sein wird. Es sei denn vielleicht, die Kriterien werden auch vorne weg definiert.

Empfehlung

Meine allgemeine Empfehlung ist deshalb, im Vorfeld klare Regelungen im Umgang mit Social Media und Kontaktpflege zu schaffen. Es sollte klar festgelegt werden, ob bzw. wie im Falle eines Ausscheidens der Account herausgegeben werden soll und wer zum welchem Zeitpunkt die Verantwortung dafür hat. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Umgang mit Geschäftskontakten sollte klar definiert sein.

Ob dies in Form einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, Betriebsordnung, Betriebsvereinbarung, Social Media Guidlines oder Vereinbarungen und Regelwerken mit anderen Bezeichnungen geschieht, hängt von der Unternehmensgröße, der Anpassung an andere in dem Unternehmen geltende Regelwerke, der Praktikabilität und schließlich davon ab, ob in dem Unternehmen ein mitbestimmungspflichtiger Betriebsrat besteht.

Resümee

Klare Regeln im Vorfeld sind das wirksamste Mittel für den Arbeitgeber, Risiken und Schäden des Missbrauchs vorzubeugen und zu minimieren. Sie bieten die Möglichkeit, das Verhalten des Arbeitnehmers zu steuern bzw. dessen Fehlverhalten transparent zu machen, bevor es zu einer Schädigung kommt. Die arbeitsrechtlichen Mittel der Abmahnung und Kündigung gehen ins Leere, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin schon zerrüttet oder beendet ist. Sich alleine auf eine ausreichende Kompensation in Form von Schadensersatz zu verlassen, birgt ganz erhebliche Rechtsunsicherheit.

Silicon-Redaktion

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