Von wegen Wonnemonat: Es herrscht Krieg!

Furchtbar erschrecken kann man sich, wenn man am PC fernschaut. – Plötzlich ploppt eine Meldung auf: “Sichern Sie…”

Adrenalin reißt den Körper aus der so angenehmen Feierabendmattigkeit. Denn was den Sicherungsbefehl ausgibt, ist die Anti-Viren-Software, ein vermeintliches Gratisprogramm.

Aber man bekommt im Leben halt nichts geschenkt und schon gar nicht im Wirtschaftsleben. Man muss immer bezahlen, manchmal sogar mit dem abendlichen Frieden.

Nicht vor einem erfolgreichen Trojaner-Angriff warnt die Security-Software und ordnet dementsprechend an, die letzte Möglichkeit zu Datensicherung zu nutzen, bevor das attackierte System zusammenbricht. Vielmehr soll man sich 200 Visitenkarten sichern, heute Business-Cards genannt, zu einem sagenhaft günstigen Preis, wie’s heißt.

Die Anti-Viren-Firma finanziert ihr Programm mit Reklame. Sein ökonomischer Sinn besteht also nicht etwa darin, Werbe-Trojaner abzuwehren, sondern ein solcher zu sein.

Na ja. Werbung ist wichtig für jedes Business. Und Business ist eben Krieg.

Zu den ausgefeimtesten Kriegslisten der Werbestrategen nun gehört es, am Angriffsziel, also in der Zielgruppe, eine Alarmstimmung zu verbreiten. Der Konsument im Informationszeitalter wird mental in die Steinzeit zurückversetzt, als Hominiden im Überlebenskampf Nahrung gegen ihre Fress-Konkurrenten sichern mussten.

Das Kalkül: Wer in Panik gerät, kann nicht denken. Und wer nicht denken kann, der kauft.

“Markt und Wettbewerb sind der beste Motor für Innovationen und technischen Fortschritt”, steht auf der Web-Site des Bundeswirtschaftsministerium. – Und der beste Motor für die Vermarktung ist offenkundig die Regression.

Sogar noch besser als der Webe-Trojaner beherrscht die Marketing-Abteilung des IDG-Verlags das verbale Kriegshandwerk. “Jetzt Test-Abo sichern!” raunzt einen der Banner an. – Das ist doch konsequent, ein militärisches Kommando ohne überflüssige Höflichkeitsfloskeln!

Jeder, der als Heranwachsender in olivgrüne Einheitskleidung gepresst wurde, weiß, was er da zu tun hat: Haltung annehmen! Wegtreten! Ausführung!

Und auch ansonsten wurden im Mai wieder etliche Schlachten geschlagen, die von Bayern München gegen den FC Chelsea etwa. Ein Ästhet vermag sich vielleicht nicht über Spitzenverdiener mit behaarten Beinen und in kurzen Hosen zu begeistern. Aber auch das war ein wichtiger Konkurrenzkampf, der wohl ausgefochten werden musste.

Es geht schließlich um Zukunftsmärkte. Gewonnen haben dann die elf Werbeträger des koreanischen Chip-Konzerns Samsung gegen die mobilen Litfaßsäulen der Deutschen Telekom.

Am Rande von solch sportlichen Ereignissen gibt’s dann üblicher Weise Randale. Hooligans beleidigen und hauen sich.

“Ich hasse Bayern München”, skandierte vor dem Champions-League-Finale die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger. Tobias Thalhammer, der parlamentarische Geschäftsführer der bayerischen Landtagsfraktion ihrer Partei, forderte sie deswegen zu Rücktritt auf, was eigentlich ein bedenkenswerter Vorschlag ist. Ganz spontan wäre einem allerdings eine deutlich bessere Begründung dafür eingefallen.

Überhaupt die Politik, das ist ja auch so ein Schlachtfeld. Früher prallten da Weltanschauungen auf einander.

Heute geht’s dabei um mehr. Jedenfalls den Akteuren ist es wichtiger. Es geht um Karrieren. Je kleiner die politischen Unterschiede, desto erbarmungsloser wird die Auseinandersetzung, weil’s eine wirtschaftliche ist – um Positionen, Einnahmen und Zukunfts-Chancen.

Eine bis dato steile Karriere fand denn auch diesen Monat ein abruptes Ende, die von Norbert Röttgen. Die Bundeskanzlerin hat ihn als Umweltminister geschasst.

Warum, das erschließt sich einem Außenstehenden nur schwer. Er hat halt eine Wahl verloren. Und “Vae Victis!” – “Wehe den Besiegten!” – gilt schon seit den Gallierkriegen als geflügeltes Wort. Für das zivilisatorische Niveau von Angela Merkel wiederum spricht, dass sie mit Norbert Röttgen nicht so verfahren ist wie weiland Cäsar mit Vercingetorix.

Schluss mit dem Kriegsgeschrei! Der Schreiber sehnt sich nach Frieden. Er wird deshalb das verlängerte Pfingstwochenende an einem paradiesischen Ort verbringen. Den Bayern ist es ja schon vor 200 Jahren gelungen, den Garten Eden in Form des Biergartens ganz hervorragend zu implementieren.

Die hiesigen Brauereien sind zwar auch meist multinationale Konzerne, die mit Miller, Carlsberg und Kirin auf dem Weltmarkt konkurrieren. Aber eine gibt’s, bei der hält man’s anders. Und wer von deren Bier eine Halbe oder gar eine Mass trinkt, der findet Frieden und schaut das Paradies.

Redaktion

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