SAP Store: Vom Cloud-Angebot zu On-Premise

Wir erinnern uns: SAP strategische Technologieziele sind Mobility, Cloud und HANA. Das Unternehmen experimentiert schon längere Zeit mit Mobile Solutions. Insgesamt war bisher eine Präferenz für die Apple-Geräte iPhone und iPad zu erkennen. SAP nutzt bei einigen Apps sogar das native Interface dieser Geräte und keine abstrahierte Schnittstelle. Dabei ging es SAP in erster Linie darum, herauszufinden, was mit diesen Geräten machbar ist und wie der Markt SAPs Engagement aufnimmt.

Bisher waren diese Apps praktisch nur über den iTunes Store via Apple zu beziehen. Das ist sicher ausreichend im Experimentierstadium und im Hinblick auf die Eigeninitiativen von Mitarbeitern. Es ist allerdings keine praktikable Lösung für einen Enterprise-Einsatz. SAPs bisherige App-Experimente sind auch auf wenige branchenübergreifende Anwendungen zur Produktivitätssteigerung beschränkt, diese sind im Wesentlichen mobile BI und mobile CRM.

Um die drei oben angesprochenen strategischen Zielrichtungen weiter voranzutreiben, ist allerdings eine neue Gangart in Walldorf erforderlich: Eine Umstellung möglichst vieler Anwendungen und User-Interfaces für einen Zugriff durch mobile Geräte. Kein Zweifel: Mobile Geräte wie Smartphones und Tablet-Computer bilden das Zugriffsmedium der Zukunft – sowohl im privaten als auch im Business-Bereich.

Im letzten Jahr wurden mehr Smartphones ausgeliefert als klassische PCs und für das Jahr 2015 erwartet IDC, dass knapp eine Milliarde Smartphones verkauft werden. Der Druck auf Applikations-Anbieter wächst also deutlich. Und wer als Enterprise-Applikations-Anbieter auch noch im Jahr 2015 Gewicht im Markt haben will, muss bei der Umstellung sein User-Interfaces sehr schnell sein. IDC rechnet damit, dass bei dieser Marktveränderung weitere ERP-Anbieter auf der Strecke bleiben werden, da eine solche Umstellung nicht nur bedeutet, die Oberfläche der Produkte web-fähig zu machen, sondern es sind oft tiefgreifende Architekturanpassungen erforderlich, da mobile Anwender die erweiterten ERP-Produkte auch anderweitig nutzen.

SAP hat in der Zwischenzeit ein beachtliches Technologie-Portfolio zu den oben genannten Themen angesammelt. Neben BusinessByDesign als reines Cloud-SaaS-Angebot, der Mobility-Platform – zum Beispiel Afaria und Gateway – und einer langen Reihe von App-Initiativen drängt SAP nun auch mit einem eigenen App-Store in den Markt. Außerdem betreibt Apple den iTunes-Store mit einem SAP-ERP-Backend für Buchungen von Umsätzen. Auch an dieser Stelle hatte SAP also bereits sehr früh Berührungspunkte mit einer Unterstützung von mobilen Umgebung.

Auf der SAPphire Now im Mai 2012 in Orlando hat das Unternehmen nun nochmals seine neue Gangart bekräftigt: SAP will einen eigenen Zugang zu den Apps, die auf der Basis der SAP-Enterprise-Produkte laufen, schaffen. Dabei werden zunehmend auch Angebote für Android als mobile Plattform angeboten. SAP relativiert also sein Engagement bei Apple-Geräten. Aus IDC-Sicht ein Schritt, der schon seit Langem notwendig ist, da Android als Betriebssystem für Smartphones marktanteilsmäßig die Plattform Nummer Eins geworden ist. Im SAP Store – einem Public Store – werden somit neben den SAP-Apps für Apple-Geräte zunehmend auch Apps für Andriod angeboten.

Auch Windows-Phone-Anwendungen sollen künftig dazu kommen. Für Anwender hat das einen klaren Vorteil: Apple versucht zwar, seinen Marktplatz “sauber zu halten”; allerdings ist es für Apple bei über 200.000 Apps, die im iTunes-Store herunterladbar sind, praktisch unmöglich, sicherzustellen, die Apps, die für einen Zugriff auf SAP-Backend-System vorgesehen sind, qualitativ zu bewerten. So übernimmt also SAP diese Rolle und wird auf dem SAP Store nur solche Apps zulassen, deren Funktion (Kompatibilität mit dem Backend-System) und Qualität (wie etwa Sicherheitschecks) geprüft wurde.

Für Anwender ist das sicher eine gute Versicherung, mittelfristig dürfte allerdings die Test-Umfang, dem sich SAP ausgesetzt sieht, deutlich zunehmen, da der Store auch für Apps von Partner offen stehen wird. — Über einen Punkt sollte man sich aber auch zukünftig im Klaren sein: Wer eine App für ein Apple-Gerät über den SAP Store bezieht, wird auch in Zukunft bei Apple landen. Auch SAP ist es nicht gelungen, die strikten Vorgaben von Apple zu durchbrechen, was wiederum zeigt, welchen Einfluss Apple derzeit auf dem Smartphone-Mark besitzt.

Mit einem Public SAP Store ist das SAP Engagement im Mobility-Markt allerdings nicht beendet. Es ist zu erwarten, dass große Kunden, die bisher keine Anstalten gemacht haben, für ihre sensiblen Geschäftsbereiche Cloud-Lösungen einzusetzen, die aber dennoch Mobility-Lösungen benötigen, die Forderung stellen, dass auch für sie App-Stores verfügbar sind. Diese sollten dann nur unternehmensintern verfügbar sein. Das gilt sowohl für SAP wie auch für andere Enterprise-Applikations-Anbieter. Auf diese Weise lassen sich value-added und differenzierende mobile Applikationen unternehmensintern schützen. Das ist in solchen Zeiten ein klarer geschäftlicher Vorteil, in denen die Art und Weise beziehungsweise die Geschäftsprozesse und damit auch deren IT-Unterstützung wie ein Unternehmen betrieben wird als schützenswert – das heißt, als differenzierendes Intellectual Property – erachtet werden.

Es ist zu erwarten, dass SAP darauf in zweierlei Hinsicht reagieren wird. Erstens kann man erwarten, dass SAP in seinem SAP Store “private Bereiche” einrichten wird und zweitens wird SAP nicht umhin kommen, eine lokale, On-Premise-Lösung des SAP Store für ausgewählte Unternehmen, die den Store intern – also On-Premise im Kontext einer Private Cloud – betreiben wollen, anzubieten. Damit wäre der Kreis geschlossen: SAP hat den Weg in die Cloud und quasi gleichzeitig den Weg zu mobilen Lösungen gefunden. Am Ende wird es aber trotzdem eine On-Premise-Lösung geben. Und damit wird es mitnichten so sein, dass innerhalb von ein paar Jahren all Anwendungen aus der Cloud bezogen werden. On-Premise-Lösungen behalten auch weiterhin – wenn auch nicht überall – aber in signifikanten Bereichen der IT-Industrie ihre Berechtigung.

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