IRQ 12-5: Free Speech and free Beer

Der Pressesprecher laviert etwas herum. Der Interviewpartner, den er offeriert, er sei vielleicht ein bisschen eigen, aber doch wohl sehr prominent, wie er rasch hinzufügt. Und dieser Prominente wolle halt nicht, dass in seiner Gegenwart von “Linux” gesprochen wird, sondern stets von GNU/Linux. Außerdem lege er großen Wert darauf, dass das, wofür er eintritt, “free Software” genannt wird und nicht “Open Source”.

Wie schön, denkt man sich da doch, Richard Stallman weilt mal wieder Lande. So jemanden interviewt man doch immer gerne. Baden-Württemberger in der Diaspora erinnert der immer so die alte Heimat. Der Mann isch nämlich ein Schaffer.

Nicht etwa, damit knauserige Leute umsonst an Programme kommen, hat er sich die freie Software ausgedacht, sondern weil er ein Arbeitsethos hat und deswegen sein Werkzeug liebt. Und das prächtigste Werkzeug, das jemals erfunden wurde, ist nun mal der Computer.

Sein Werkzeug aber – das weiß jeder Handwerker, und deswegen sollte es auch jeder Informationsarbeiter wissen – das muss man in Ordnung halten. Deshalb lassen Leute wie Stallman da nur Programme ran, die sie gründlich untersucht haben und angepasst. Und ihren Kollegen geben sie die angepasste Version dann auch gerne – und stolz – weiter. Wie man’s unter Arbeitsleuten halt so hält. Anerkennende Worte aus Kollegenmund ersetzen den Tage- und Stücklöhnern in der Informationsgesellschaft die Boni.

Das ist freie Software! “And by free I don’t mean ‘kostenlos’. I mean ‘frei’”, sagt Stallman. “So think of free speech, not free beer.”

Und da hat doch er verdammt recht! Ordentliches Werkzeug ist unabdingbar für ordentliche Arbeit. Und darin liegt nun mal die höchste Freiheit des Arbeitsmannes. Allein schon, weil er andere kaum hat.

Und man muss sich einmal vergegenwärtigen, in welchem Zustand man heutzutage als informationeller Handwerker sein Werkzeug aus dem Baumarkt, will sagen: aus dem Webshop, bekommt: Der PC ist vollgemüllt mit Testversionen, irgendwelchen Web-2.0.-Apps und ominösen Service-Programmen. Es ist völlig undurchschaubar, welches Stück Software welche Daten verschickt und welches den Rechner zum Absturz bringt. Offenkundig weil heute auf fast jedem Briefkasten “Bitte, keine Werbung einwerfen!” steht, stecken IT-Ramschläden ihren Reklame-Mist in PCs.

Deshalb putzt man, bevor man mit so einem neuen Universalwerkzeug der Informationsgesellschaft arbeit, tunlichst erst einmal gewissenhaft die Festplatte. Vor Gebrauch gründlich reinigen! Was würde ein schwäbischer Handwerksmeister sagen, der einen Aufkleber, auf dem sowas steht, an einem eben gekauften Werkzeug entdeckt?

Dann bemängelt Richard Stallman noch das Wort “Content” für alles, was man im Internet außer Software sonst noch kopieren kann, weswegen die, die daran verdienen wollen, sich so aufregen. Der Begriff stamme aus dem Wortschatz eines inhaltlich völlig desinteressierten Verlagsmanagers, der bloß Geld damit machen wolle, kritisiert Stallman.

Wieder hat er verdammt recht. Und wie abwertend erst über die Arbeit von schreibenden Leuten gesprochen wird, die Reportagen, Gedichte und Romane verfassen, weshalb sie Reporter, Dichter und Romanciers sind. “Text” sagen die Textverwerter dazu. Texter aber gehören in Werbeagenturen, wo sie sich dann, damit’s nicht gar so peinlich ist, “Kreative” nennen.

Und sogar die Arbeitsleute selbst werden heutzutage sprachlich verhunzt. Allenthalben nennt man sie “Mitarbeiter”. So spricht der Chef zu seinen Untergebenen. Und diese Chef-Perspektive nimmt inzwischen jeder Zeitungsvolontär ein. Wer aber von seinen Kollegen als von “Mitarbeitern” schreibt, der hätte nicht Journalist werden sollen, sondern Texter.

Das Kürzel DRM mit “Digital Rights Management” aufzulösen, wie seine Erfinder es tun, das findet Stallman ebenfalls empörend. Er besteht stattdessen auf “Digital Restrictions Management”, was es sicherlich besser trifft. Schließlich lädt man sich da ja ein Stück Software auf seinen Rechner, das nur dazu dient, dessen Funktionen zu beschränken, quasi eine Feature-Drossel, damit man damit nicht mehr kopieren kann.

Stallman hat wieder mal… na ja, recht halt, wobei sowas auf die Dauer ganz schön nervt. Der aus Lust an der Belehrung erigierte Zeigefinger ist halt eine denkbar schlechte Waffe im Kampf gegen die sprachliche Verluderung.

Auch das erinnert einen als Baden-Württemberger an die alte Heimat. Die traurige Kehrseite des schwäbischen Schaffers nämlich ist der freudlose Pietismus.

Deshalb braucht man als Ausgleich nach so einem Interview noch etwas bayerisch-barocke Lebensfreude, wie sie hierzulande in Biergärten gepflegt und – damit sie auch gedeiht – begossen wird. Und wenn man dann so eine prächtige Mass vor sich stehen hat, in deren Glas sich die Strahlen der Abendsonne brechen, dann fällt’s einem ein: Das hätte man Richard Stallman eigentlich sagen müssen, dass es nicht nur freie Software, sondern auch Freibier gibt.

And by free I don’t mean “kostenlos”. I mean “frei”. So think of free speech and free beer.

Redaktion

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