Stallman spannte in seiner Rede einen weiten Bogen von der Geschichte des Kopierens im Mittelalter über die ersten Copyright-Gesetze im Zeitalter des Buchdrucks bis hin zu den umstrittenen DRM-Maßnahmen der Film- und Musikindustrie (DRM, Digital Rights Management).
Der Free-Software-Pionier lehnt das Copyright nicht durchweg ab. Es müsse nur an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters angepasst werden. Buchverlage sowie Filmstudios und Plattenfirmen würden mit ihrer Copyright-Politik die Freiheit der Anwender einschränken. Denn diese wollen Musik, Software oder Filme genießen und vielleicht weitergeben und mit anderen teilen. Doch die Verbraucher hätten die Einschränkungen durch das Urheberrecht und DRM satt. Die Rechtfertigung für Copyright sei heutzutage dahin. Stallman fordert in diesem Zusammenhang, die Geltungsdauer des Urheberrechts für Autoren auf zehn Jahre zu beschränken.
Auch Regierungen bekamen ihr Fett weg. Eine “wahrhaft demokratische Regierung” würde das Urheberrecht im Interesse der Bürger einschränken und das Recht auf Kopieren und Weitergabe von Software, Musik oder auch Filmen stärken. Stattdessen agierten die Regierungen als Erfüllungsgehilfen der Industrie.
Die Freiheit des Anwenders zog sich denn auch wie ein roter Faden durch den Vortrag. Wenn der Anwender die oben erwähnten Freiheiten nicht habe, dann hat er laut Stallman auch keine Kontrolle über die Software. Stattdessen kontrolliert die Software den Anwender. Und damit geraten die Hersteller und Anbieter der Programme ins Visier. Darum ist für Stallman “unfreie Software” ein Werkzeug “ungerechter Machtausübung”.
Sony ins Gefängnis
Dieses Urteil fällte Stallman auch für Konzerne wie Microsoft, Sony, Apple und Amazon. Für deren Geschäftsgebaren hat der FSF-Gründer nur Verachtung übrig.
So habe Sony einen “cleveren und fiesen Plan” gehabt, um Audio-CDs durch Kopierschutz zu korrumpieren. Der Konzern habe einen raffinierten Kopierschutz auf die Musik-CDs gepackt, der als unsichtbares Rootkit sogar das Betriebssystem des PCs gekapert habe. Das sei ein “schweres Verbrechen” gewesen, dafür hätten die Sony-Verantwortlichen “für Jahre ins Gefängnis wandern können”. Mehr noch: Für den Kopierschutz hätte Sony sogar einen Software-Code missbraucht, der ursprünglich unter Free-Software-Lizenz (Video General Public License) verteilt worden sei.
Seine Kompromisslosigkeit machte Richard Stallman mit einer Anekdote deutlich. Einst habe man ihm nach einem Vortrag in Spanien eine CD mit Musik aus der Region geschenkt. Als er darauf das Symbol “Copy Control” entdeckt habe, habe er das Geschenk zurückgegeben und gesagt: “Hier sehen Sie das Gesicht des Feindes”.
Vom MIT-Programmierer zum Free-Software-Aktivisten
Stallmans rhetorischer Feldzug gegen Software-Anbieter, Filmstudios und Plattenlabels hat eine lange Geschichte. Der 1953 geborene Computerspezialist und Harvard-Absolvent arbeitete von 1971 bis 1984 im berühmten MIT (Massachusetts Institute of Technology) am Labor für Künstliche Intelligenz und hat dort sein Handwerk als Programmierer gelernt. 1983 startete Stallman das Projekt GNU. (GNU, GNU is not Unix). Das Betriebssystem sollte Unix ersetzen und dabei dem User alle Freiheiten lassen. 1985 gründete Stallman dann die Free Software Foundation (FSF) – sicherlich sein größter Verdienst.
Free Software Foundation: Freiheit für die Anwender
Die FSF versteht sich weniger als Organisation für Technikstandards, sondern eher als soziale Bewegung. Ihr Hauptziel ist es, Freie Software zum Erfolg zu führen. Als Freie Software gelten Betriebssysteme und Programme, bei denen der Anwender den Quellcode einsehen, die Software modifizieren sowie kopieren und weitergeben darf. Das soll die völlige Freiheit des Anwenders im Umgang mit dem Programm garantieren.
In den 90er Jahren avancierte Richard Stallman zum gefragten Redner auf Kongressen oder auch in Universitäten. Das liegt nicht nur an seinen griffigen Thesen: Wie wenige IT-Experten verbindet er technisches Know-how mit einem gesellschaftlichen Anliegen.
Die Veranstaltung endete so wie eine Veranstaltung in der TU München mit einem Star eben endet. Richard Stallman musste fast eine Stunde lang Autogramme geben, für Fotos lächeln und T-Shirts signieren. Eine Aufgabe, die er mit gut gelaunter Nonchalance erledigte. Schließlich ist das Autogramme schreiben deutlich einfacher als die Massen von den Vorzügen der Free Software zu überzeugen.
Im Anschluss nahm er sich dann noch Zeit für ein ausführliches Interview ZDNet.de. Das Gespräch mit Richard Stallman finden Sie hier.
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Stallmann hat in vielen Punkten Recht. Unrecht hat er aber, wenn er meint, "die Industrie" profitiere von den strengen Urheberrechtsvorgaben. Richtig ist, dass ein großer Teil der "Industrie", im Wesentlichen die Hersteller von Hardware, aber auch kleinere Softwareanbieter unter den Regelungen leiden. Stets lauert bei Eigen- und Neuentwicklungen die Gefahr, dass auf Grund angeblicher Urheberrechtsverletzungen der Produktverkauf (teilweise vorerst und zunächst) untersagt wird und erst dann wieder möglich ist, wenn das Produkt technisch überholt ist. Eine Innovationsbremse ersten Ranges.