Social Media meets Arbeitsrecht: Wozu den Betriebsrat fragen? (Teil 4)

Im vierten Teil unsere Serie zum Thema “Social Media meets Arbeitsrecht” gehen wir der Frage nach ob Unternehmen auf jegliche Social-Media-Nutzung und -Regelungen besser ganz verzichten sollten, um sich Diskussionen mit dem Betriebsrat, Zeit und Kosten von vornherein zu ersparen.

Oder anders herum gedacht: Was passiert, wenn der Arbeitgeber Social-Media-Nutzung kommentarlos duldet, ignoriert oder davon überhaupt nichts wissen will, weil “er mit Social Media ohnehin nichts am Hut hat”?

Diese Frage betrifft nicht nur Unternehmen, die einen Betriebsrat haben und Konfrontationen mit diesem nach Möglichkeit aus dem Weg gehen möchten. Sie betrifft im Besonderen auch Unternehmen, die wegen ihrer Größe nicht mitbestimmungspflichtig sind oder dessen Mitarbeiter keinen Betriebsrat gewählt haben.

Situation

Auch wenn Social Media mittlerweile in aller Munde ist, wollen die meisten Unternehmen am besten immer noch nichts damit zu tun haben. Dies liegt insbesondere auch daran, dass sie die Risiken und Gefahren nicht richtig kennen und sich darüber auch nicht hinreichend aufgeklärt fühlen. Häufig bleibt nur der vom Marketing getriebene Eindruck, dass man etwas tun muss, an der notwendigen Übersicht und Aufklärung mangelt es aber trotzdem häufig. So macht man am besten erst einmal gar nichts und wartet ab oder baut – noch proaktiver gedacht – innerbetriebliche Sperren und Firewalls für Social-Media-Plattformen ein, in der Hoffnung, dass damit jedwede Gefahr für das Unternehmen, die von missbräuchlicher Social-Media-Nutzung ausgehen könnte, gebannt ist.

Weit gefehlt: Zunächst kommt in Zeiten von Mobil Device und internetfähigen Smartphones, welche häufig die Unternehmen selbst zur betrieblichen und privaten Nutzung zur Verfügung stellen, die eingangs gestellte Frage schnell wieder zur Hintertüre herein. Und selbst wenn die Mitarbeiter während der Arbeitszeit nicht dürfen, so hindert sie das nicht daran, dies in ihrer privaten Zeit umso mehr zu tun.

Denkbar ist die weitere Situation, dass der Mitarbeiter seinen privaten Social Media Account nutzt, in dem Ansinnen, seinem Unternehmen etwas Gutes zu tun. Man stelle sich hierzu folgendes Beispiel…
vor:

Der Projektleiter eines mittleren Unternehmens mit mäßig vorhandenem Personalmanagement sucht dringend eine Verstärkung für sein Team, da ihm das Projekt droht “um die Ohren zu fliegen”. Er sucht eine Fachkraft mit hoher Qualifikation. Er denkt, dass sich diese eher meldet, wenn er die Anfrage unter “Neues aus meinem Netzwerk” in Xing postet und das Projekt in groben Zügen schildert. Da es auch nicht jeder lesen kann, weil er sein Profil nur für sein Netzwerk freigeschaltet hat, hinterfragt er sein Handeln nicht weiter. Der Arbeitgeber begrüßt grundsätzlich, dass die Teamleiter selbst auch Werbung für das Unternehmen betreiben und auf diese Weise helfen will, in Zeiten des Fachkräftemangels gute Mitarbeiter zu rekrutieren.

Was der Projektleiter jedoch nicht bedenkt, ist, dass er über die Beschreibung dieses Projektes gleichzeitig Geschäftsgeheimnisse nach außen gibt. Jeder der sich auskennt, und das sind gerade die Mitglieder seines Netzwerks, können aus der Beschreibung wichtige Informationen ziehen.

Nicht genug, dass der Projektleiter damit die Geheimhaltungsklausel in seinem Arbeitsvertrag verletzt. Noch gravierender ist, dass sich das Unternehmen gegenüber einem dritten Geschäftspartner, der ebenfalls in das Projekt involviert ist, unter Vertragsstrafe ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet hat. Da ein Mitarbeiter dieses Geschäftspartners wiederum im Netzwerk dieses postenden Projektleiters ist, kommt die Sache raus. Gleich ob der Geschäftspartner des Unternehmens eine Vertragsstrafe anmeldet oder nicht. Die Geschäftsbeziehung ist jedenfalls erheblich gestört.

Ursachen und Konsequenzen

Der Projektleiter wollte etwas Gutes tun, hat aber dabei nicht nur seine eigene vertragliche Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt, sondern diesem auch noch eine Vertragsstrafe des Geschäftspartners beschert. Aber warum das Ganze?

Das Unternehmen hat den möglicherweise im Umgang mit Social Media nicht geschulten Projektleiter hinsichtlich der Grenzen seines Handels nicht hinreichend aufgeklärt und geschult. Das Unternehmen dachte, das Thema gelöst zu haben, indem man Social-Media-Plattformen innerbetrieblich sperrt und für die eigenen Vorhaben völlig von der Agenda nimmt.

Will das Unternehmen arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, muss sich das Unternehmen von dem Arbeitnehmer womöglich mangelnde Aufklärung und damit Verletzung seiner Fürsorgepflichten gegenüber dem Arbeitnehmer entgegenhalten lassen.

Ein Verstoß gegen die allgemeine Geheimhaltungspflicht in dem Arbeitsvertrag reicht für eine Abmahnung, Vertragsstrafe oder Kündigung womöglich nicht aus, wenn sich der Arbeitnehmer geschickt darauf berufen kann, dass er ausschließlich im Sinne des Unternehmens gehandelt hat, nur Gutes bezweckte und im Umgang mit Social Media auch nicht genügend geschult gewesen sei, um die Konsequenzen dieses Eintrags zu umreißen. Außerdem umfasst der Arbeitsvertrag in aller Regel gerade ein außerdienstliches Verhalten zumindest nicht per se.

Gibt es weder Schulung, Handlungsanweisungen und auch keine Social Media Guidlines für die Mitarbeiter, die sich nicht nur auf dienstliche sondern auch auf außerdienstliches Verhalten beziehen, so kann das Unternehmen dem Arbeitnehmer ein schuldhaftes Verhalten in aller Regel auch nicht nachweisen – bei schwereren Verstößen bis hin zu strafbaren Handlungen gegebenenfalls keinen für die Ahndung notwendigen Vorsatz.

Die Verschuldensfrage ist auch in anderem Zusammenhang von Bedeutung, nämlich dann, wenn es für das Unternehmen darum geht, sich von dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens zu exkulpieren. Der Arbeitgeber haftet in aller Regel für ein Organisationsverschulden, das heißt dafür, dass er seine Mitarbeiter nicht ausreichend ausgewählt, angelernt und angewiesen hat. Unterlässt ein Unternehmen im Umgang mit Social Media von vorne herein, seine Mitarbeiter zu schulen oder Handlungsanweisungen zu treffen, so liegt ein Organisationsverschulden nahe, wenn dann trotzdem unternehmensbezogene Verstöße mit haftungsrechtlichen Konsequenzen für das Unternehmen passieren.

Fazit

Mitarbeiterschulung im Umgang mit Social Media und Regelung in Form von Social Media Guidlines, ist unabhängig davon, ob das Unternehmen diese Plattformen letztendlich betrieblich nutzt oder zulässt, wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Compliance.

Es ist deswegen unausweichlich, den Mitarbeitern solche Regelungen an die Hand zu geben, die auch eine externe Social-Media-Kommunikation mit einbeziehen. Davon sollten nicht nur große Unternehmen sondern auch kleinere Unternehmen Gebrauch machen, gerade dann, wenn sie sich ihrerseits gegenüber großen Unternehmen und anderen Dritten zur Einhaltung bestimmter Standards verpflichtet haben. Dies müssen keine 200-Seiten-Regelwerke sein. Es reichen oft schon kleine Mitarbeiterworkshops, Hilfestellungen und kurze Verpflichtungserklärungen, um zumindest die grundsätzlichen Basics im Rahmen einer ordnungsgemäßen Compliance einzuhalten. Den Kopf gänzlich in den Sand zu stecken und sich auf die gängigen Klauseln in den (Alt-)Arbeitsverträgen zu verlassen, ist in diesem Zusammenhang jedenfalls die schlechteste aller denkbaren Lösungen.

Ausblick

In ihrem nächsten Beitrag behandelt die Autorin, ob und inwieweit das Verhalten von Führungskräften und innerhalb der Geschäftsführung im Umgang mit Social-Media-Nutzung besonderen Bedingungen unterliegt, besondere rechtliche Konsequenzen haben kann und was Unternehmen in diesem Zusammenhang beachten sollten.

Tipp: Lesen Sie in Teil 1 dieser Beitragsreihe, in welchen Fällen, wie und wann Unternehmen den Betriebsrat an der Umsetzung von Social Media Maßnahmen beteiligen müssen beziehungsweise sollten. Im zweiten Teil ging die Autorin den rechtlichen Schieflagen von Social Media Projekten in Unternehmen auf den Grund.