August-Rückblick: Die Apple-Ära
Um Pussy Riot ging’s diesen Monat. Um Wiki- und Vatileaks. Um Hitze-Rekorde und die Religionsfreiheit. Aber komisch: Man kommt immer auf Apple.
Hitzerekorde gab’s im August. Die an der Isar waren schön. Und… na ja, Apple wieder: Am 20. stieg die Aktie auf 664,74 Dollar, womit Apple nicht nur das wertvollste Unternehmen der Welt, sondern der Welt und aller Zeiten wäre.
Die Hitze lässt sich ja gut mit dem ertragen, was im Isar-Biergarten so verkauft wird. Aber der Apple-Hype?
Zum Kurs vom vorletzten Montag bringt es der Konzern auf eine Börsenkapitalisierung von 623 Milliarden Dollar. Und seitdem ist auch noch eine Milliarden-Forderung an einen südkoreanische Schuldner dazugekommen.
Den bisherigen Rekord hielt Microsoft mit 621 Milliarden – seit dem 30. Dezember 1999. Dem Vorabend des Dot-Com-Crashs. Nach der Logik der Märkte – auf die ja viele viel geben – müsste also demnächst die Bubble 2.0 platzen.
Ansonsten ging’s im August des Jahres 2012 – man glaubt es nicht, was ja bei diesem Thema durchaus zum Problem werden könnte – um Blasphemie. Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, findet, dass die mal wieder so richtig bestraft gehört.
Der hochwürdigste Herr hatte sich über eine Illustration der Titanic erregt – zu “Vatileaks”, benannt nach der Whistle-Blower-Plattform von Julian Assange, wegen dem die britische Regierung jetzt doch nicht die ecuadorianische Botschaft stürmen lässt. – An welche Strafe seine Exzellenz da wohl denkt?
Ein Staat, dessen Oberhaupt von einem lupenreinen Sozialdemokraten schon einmal demokratische Reife attestiert bekam, hat im August ja gezeigt, wie man mit solchen Leuten verfahren kann. Kyrill I, der Patriarch – auch so’n kirchlicher Titel, die Bamberger Bischöfliche Gnaden etwa nennt sich ebenfalls so – also der Moskauer Patriarch hat die Pussy Riots schließlich gleichfalls der Blasphemie geziehen. – War vielleicht doch ein schlecht koordiniertes inter-konfessionelles Timing.
Was einen ja bei solch exzellenten Äußerungen immer etwas verstört, ist, wie wenig sich diese Leute die Mahnungen der Heiligen Schrift zu Herzen nehmen. Heißt es doch schon beim weisen Salomon: “Wer den Spötter züchtigt, der muss Schande auf sich nehmen; und wer den Gottlosen straft, der muss gehöhnt werden.” (Sprüche, Kap.9. Vers 7).
Allerdings höhnen lassen wollen sich die Exzellenzen partout nicht. Und obwohl der Gottlose in fast jedem Hirtenwort sich der moralischen Minderwertigkeit bezichtigen lassen muss, soll er dabei schön stillhalten. Keinesfalls – so wird ihm abverlangt – darf er Widerworte geben, vor allem nicht, wenn es sich dabei um satirische Worte handelt – die einzige Wehr, die dem Friedfertigen zu Gebote steht.
Konsequent ist das ja schon. Die Heilige Mutter Kirche ist schließlich keine Fußball-Mannschaft, die auf irdischen Plätzen nach den Regeln des Fair Play zu spielen pflegt.
In Russland übrigens will die Partei Putins jetzt nachziehen und das Strafmaß für Blasphemie auf das Niveau der Bundesrepublik Deutschland anheben, obwohl es auch hier einigen Würdenträgern offenbar immer noch nicht hoch genug ist.
Ebenfalls ‘n Thema diesen Monat war die religiöse Beschneidung, also der Umstand, dass man kleinen Jungs, deren Eltern den anderen beiden monotheistischen Weltreligionen angehören, am kleinen Schwanz rumschnippelt. Blasphemisch wollte sich dazu niemand äußern. Dazu war die Geschichte denn doch politisch zu sensibel.
Lediglich ein Jura-Professor mochte sich erklären. Reinhard Merkel heißt er und ist Mitglied des Deutschen Ethik-Rats. Und das war gut, denn Juristen sind eh oft die begnadetsten Spötter.
Die eigene Freiheit und deswegen auch die Religionsfreiheit, schreibt Professor Merkel im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, sie enden stets “dort, wo die Nase des Anderen beginnt”. Und er fügt hinzu, dass das auch für “dessen Vorhaut” gilt.
Kulturell Beflissene halten dagegen, irgendwelche Juristen könnten doch nicht einfach über Jahrhunderte alte Traditionen urteilen. – Es stimmt: Diese Tradition ist wirklich sehr alt. Erzählungen nach geht sie zurück auf Abraham. Der soll zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus gelebt haben.
Just zu dieser Zeit haben auch die Assyrer in Abrahams mythischem Herkunftsland die Technik des Pfählens entwickelt. Darin, ihre Mitmenschen möglichst schmerzhaft zu Tode zu bringen, waren die Leute schließlich schon immer sehr erfinderisch.
Diese Tradition wurde ebenfalls Jahrhunderte lang gepflegt, bis in die Neuzeit hinein. Bekannt geworden ist dafür Vlad III (1431 – 1477), der Woiwode der Walachei, genannt “der Pfähler”. Nach seinem Vorbild schrieb Bram Stoker seinen Bestseller “Dracula”. Also eine kulturelle Dimension hat die Sache auch noch. – Trotzdem kommt niemand auf die Idee, sie im Sinne der Traditionspflege wieder aufleben zu lassen.
Wie nun geht die Informationsgesellschaft mit solchen überkommen geglaubten Konflikten um? – Einen Weg gewiesen hat – wie könnte es anders sein – wieder einmal Steve Jobs, selig. Dem kam Anstößiges einfach nicht auf’s iPhone.
Und dazu gehören nicht nur Bilder, die vielleicht der schönsten aller Todsünden Vorschub leisten, sondern auch satirische Spötterei und Blasphemie. Mark Fiore befindet sich deshalb in der angenehmen Gesellschaft unzähliger nackiger Mädels, die wie er vom iPhone ausgesperrt wurden. Er wollte eine App mit seinen Vatikan-Karikaturen schreiben. Würde die Titanic als App erscheinen, der Bamberger Chef-Hirte hätte sich nicht gar so erregen müssen.
So könnte sie doch aussehen, die Zukunft der Informationsgesellschaft: schick, sauber, Satire-frei. Blasphemisches kommt wie zu Zeiten von Vlads Kreuzzug auf den Index, nur dass der halt nicht im Vatikan, sondern in Cupertino gepflegt wird.
Noch aber ist es nicht so weit. – Gott sei Dank! Und damit ist ausnahmsweise mal, obwohl’s doch immer um Apple geht, ein Höherer als der iGod gemeint.