Ein Betriebssystem “inspiriert von der Cloud”
Kurz nach dem offiziellen Marktstart von Windows Server 2012 tourt Microsoft mit der neuen Software durch Deutschland. Anwender sollen so von den Vorteilen und von einem raschen Umstieg überzeugt werden. Wie ein roter Faden zieht sich ein Thema durch die Launch-Veranstaltungen: Ein Server-Betriebssystem als Basis für die Cloud.
Mit Windows Server 2012 will Microsoft eine Vielzahl von Problemen adressieren, mit der Firmen beziehungsweise IT-Verantwortliche heute kämpfen. Konkret sind ist das die Gerätevielfalt, neue Anwendungen sowie die zunehmende Datenflut. Anders ausgedrückt: Der Trend zu “Bring your own device”, der App-Boom, soziale Netzwerke und flexible Arbeitsmodelle hinterlassen zunehmend Spuren in der IT-Infrastruktur der Unternehmen.
“Unsere Antwort ist die Vision eines Cloud-Betriebssystem”, sagt Andrew Conway, Director Product Marketing bei Microsoft. “Es unterstützt IT-Verantwortliche bei den Themen Transformation des Rechenzentrums, moderne Apps, Datenanalyse und modernes Arbeiten. Und die Basis für dieses Cloud-OS ist Windows Server 2012.”
Doch Cloud Computing ist längst kein reines IT-Thema mehr, betont Wafa Moussavi-Amin, Deutschlandchef des Analystenhauses IDC. “Aktuell ist das Thema in 56 Prozent der Firmen Teil der IT-Strategie”, zitiert er aus einer IDC-Umfrage unter westeuropäischen Unternehmen. “In einem Drittel der Unternehmen ist es bereits Teil der Unternehmensstrategie.”
Diese Zahlen seien bemerkenswert, sagt Moussavi-Amin und blickt zum Beweis zwei Jahre zurück. Damals war das Thema Mobility noch neu genug, um als Trend zu gelten – aber ausreichend etabliert, um nicht mehr als Hype belächelt zu werden. Eine ähnliche Situation also wie heute beim Cloud Computing. Der große Unterschied: In 80 Prozent der Firmen erledigten damals Mitarbeiter ihre Arbeit bereits auch von Mobilgeräten aus. Eine Strategie für die Entwicklung hatte jedoch kaum ein Unternehmen. “Cloud Computing ist heute weiter entwickelt als das Thema Mobilität, das schon deutlich älter ist”, sagt deshalb der IDC-Experte.
Die Analysten haben auch herausgefunden, dass die IT heute näher an die Fachabteilungen herangerückt ist. Unter anderem den Vertrieb und die Produktion hat IDC als firmeninterne Treiber der Cloud identifiziert. Entsprechend werden die Fachabteilungen auch – im Gegensatz zu noch vor einigen Jahren – zunehmend in IT-Entscheidungen involviert.
Sollten sie auch, ansonsten droht der Alleingang. “40 Prozent der Fachabteilungen nutzen kostenpflichtige Cloud-Services für geschäftliche Zwecke ohne die IT-Abteilung zu involvieren”, warnt Moussavi-Amin. Besonders bedenklich ist aus seiner Sicht, dass in einem Drittel der Fälle auch Datenbanken eigenhändig in ein Cloud-Angebot ausgelagert werden. “IT-Verantwortliche sollten hier aufpassen, dass sie nicht getrieben werden, sondern das Thema selbst vorantreiben.”
Die IT-Abteilungen selbst haben sich derweil im vergangenen Jahr offensichtlich neu aufgestellt, um die Cloud-Strategie des Unternehmens mit dem entsprechenden Fachwissen umsetzen zu können. 21 Prozent der von IDC befragten Firmen nannten fehlendes Know-how als Hemmfaktor, der dem Aufbau einer Private Cloud im Weg steht. Vor einem Jahr zweifelten noch zehn Prozent mehr Unternehmen, an ihrer internen Cloud-Kompetenz.
Auf diese wird es in den kommenden Jahren verstärkt ankommen. Denn wenn sich die Analysten mit ihren Prognosen nicht irren, werden sich Private-Cloud-Lösungen in dem kommenden Jahren eindeutig durchsetzen. “Die Investitionen in die Privat Cloud sind derzeit fast doppelt so hoch wie die in die in Public-Cloud-Projekte”, sagt Moussavi-Amin. “Daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern.”
Auch eine Untersuchung von CA Technologies hatte jüngst ergeben, dass die Kunden der europäischen Partner mit Abstand das Privat-Cloud-Modell bevorzugen. Langfristig sehen die CA-Partner Hybrid-Cloud-Modelle vor reinen In-House-Lösungen.
“Ein Mix aus herkömmlichen IT-Umgebungen mit Private und Public Cloud wird die IT-Landschaft bestimmen”, sagt auch Analyst Moussavi-Amin.
So oder so scheint aber festzustehen, dass an der Cloud kein Weg vorbeiführt. Vor diesem Hintergrund hat Microsoft bei der Entwicklung von Windows Server 2012 “die Rolle eines Server-Betriebssystems noch einmal neu hinterfragt”, sagt Product Marketing Manager Dietmar Meng. Herausgekommen ist ein Betriebssystem mit Hunderten neuen Funktionen.
Um bereits vor dem Marktstart herauszufinden, ob Windows Server 2012 bei Firmen so wirkt wie vorgesehen, wurde das Betriebssystem im Rahmen des sogenannten Rapid Deployment Program (RDP) an 70 Pilotkunden – unter anderem Lufthansa Systems und Unilever – herausgegeben. Diese Early Adopter berichten beispielsweise von einer durchschnittlich 10 Mal schnelleren Live-Migration Dank verbesserter Virtualisierungstools und 40 Prozent Beschleunigung bei der Bereitstellung von Diensten – hier macht sich offenbar der Schwerpunkt auf dem Thema Automatisierung bemerkbar.
“Man braucht Erfahrung, um Windows Server 2012 in heterogenen IT-Landschaften zu implementieren”, sagt Michael Ehlert, Solution Manager Consulting Services bei Computacenter während einer Podiumsdiskussion bei der Münchner Launch-Veranstaltung. Das Unternehmen gehört ebenfalls zur Riege derer, die das Betriebssystem bereits vor dem offiziellen Start ausgerollt haben. “Deshalb haben wir das RDP genutzt, um selbst Erfahrungen zu sammeln, die wird jetzt an unsere eigenen Kunden weitergeben geben.”
Gefragt nach seinem Lieblingsfeature hat er eine klare Antwort: IP-Management. Konkret meint er damit das neue Framework IPAM, es ermöglicht das Auffinden, Überwachen, Überprüfen und Verwalten des IP-Adressbereichs in einem Unternehmensnetzwerk. “Bisher arbeiten IT-Abteilungen hier oft noch mit Excel-Dateien oder haben eigene Prozesse entwickelt. IPAM hat uns die Möglichkeit gegeben, unser Management in diesem Bereich zu vereinfachen. Das bedeutet gleichzeitig eine erhöhte Sicherheit.”
Auch bei Pilotkunde Lufthansa Systems haben die neuen Features des Betriebssystems messbare Auswirkungen, sagt Dietmar Meng, Product Marketing Manager Windows Server. “Die – bereits sehr hohe – Server-Verfügbarkeit konnte um 4,75 Prozentpunkte gesteigert werden. Das klingt nach nicht viel, bedeutet aber umgerechnet ein Plus von 18 störungsfreien Tagen pro Jahr.”
Einig waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion darin, dass viele Firmen den Einsatz von Windows Server 2012 nicht lange vor sich herschieben werden. Ab dem vierten Quartal dieses Jahres erwarten die Experten einen deutlichen Anstieg entsprechender Projekte. “Die Kunden wollen loslegen” beschreibt Computacenter-Manager Ehlers die Stimmung in den IT-Abteilungen. Seine Empfehlung: “Gute Vorbereitung, gutes Projektmanagement und ganz wichtig: In die IT rein hören, um herauszufinden, wo es die besten Ansatzpunkte für Windows Server 2012 gibt.”
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