Freiburg: Geheimgutachten gegen OpenOffice?

Open Source in der öffentlichen Verwaltung ist und bleibt ein heikles Thema. Immer wieder scheitern Projekte, prominentestes Beispiel dafür ist die Stadt Wien, wo sich der Linux-Desktop nicht gegenüber der proprietären Konkurrenz durchsetzen konnte. An anderen Stellen, wie etwa das LiMux-Projekt der Stadt München, läuft die Umstellung nach Plan.

In einem offenen Brief fordern die Organisationen Open Source Business Alliance OSB-Alliance, die Free Software Foundation Europe (die FSFE) und der Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie (BIKT) die Stadtverwaltung Freiburg auf, sich zu zwei Punkten näher zu erklären: Sie wollen erstens wissen, warum ein Gutachten, das den Wechsel von OpenOffice zu Microsoft Office stütze, nicht öffentlich gemacht wird. Zweitens soll erklärt werden, wie die Umsetzung eines Gemeindaratsbeschlussses von 2007 zum Open Document Format sichergestellt werden soll.

Der Freiburger Gemeinderat hat 2007 beschlossen, das Dokumentenformat “Open Document Format” (ODF) als Standardformat für den Dokumentaustausch festzulegen. Auf Grundlage dieses Beschluss wurde seitdem auch “OpenOffice” in der Freiburger Verwaltung als Standardsoftware für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation verwendet. Die Stadt unterhält auf auf ihrer Website zudem einen Bereich, in dem die Vorteile von offenen Standards in der Verwaltungdargestellt werden.

Wie die Verfasser des offenen Briefes erfahren haben wollen, gehe die Verwaltung zurzeit jedoch wieder die Ablösung von OpenOffice durch ein proprietäres Office-Paket an oder bereite diese Ablösung zumindest vor. Grundlage sei das extern angefertigte Gutachten, dass jedoch unter Verschluss gehalten werde. Allerdings seien für die Umstellung benötigte Budgets bereits genehmigt und Mitarbeiter würden über die bevorstehende, erneute Umstellung informiert.

Auf Anfrage von ZDNet weist eine Sprecherin der Stadt diese Aussagen als “Unterstellungen” deutlich zurück. Bei dem Gutachten handle es sich um ein internes Organisationsgutachten der IT-Abteilung. Davon beziehe sich nur ein Teil auf den Umgang mit Office-Software und das Open Document Format. In die Erstellung dieses Gutachtens seien alle Dienststellen einbezogen worden. Es sei im Gegensatz zu den Vermutungen der Verbände völlig transparent erstellt worden und liege seit Juni den Ämterleitungen vor.

Richtig sei, dass der Gutachter die Rückkehr zu Microsoft Office empfehle – allein dadurch sei jedoch noch gar nichts entschieden. Derzeit stünden noch Stellungnahmen der Dienststellen aus, erst danach werde formuliert, “was wir wollen und was nicht.” Im Augenblick sei vorgesehen, dass sich der Gemeinderat im November mit dem Gutachten und den Stellungnahmen beschäftigt. Vorher sei eine Veröffentlichung nicht geplant – aber das sei bei allen internen Organisationsgutachten so. Möglicherweise ändere sich jedoch der Zeitplan noch, dazu könne aber erst später im Laufe der Woche Auskunft gegeben werden.

Warum aber Unternehmen wie Microsoft so großes Interesse daran haben, in der öffentlichen Verwaltung vertreten zu sein zeigt ein Beispiel aus der Schweizer Stadt Dietikon. Eine Anfrage, ob man nicht Microsoft Office durch eine quelloffene Alternative ersetzen sollte, um Kosten zu sparen, wurde nun mit folgendem Argument abgelehnt: Die Dietiker Stadverwaltung arbeite mit den Rechenzentrum St. Gallen zusammen, was aber die Verwendung von Microsoft-Produkten voraussetze. Eine Umstellung sei daher zu aufwändig, zu teuer und daher nicht nötig, wie der Schweizer Branchendienst inside-it.ch berichtet.

[mit Material von Peter Marwan, ZDNet.de]

Redaktion

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  • "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing".
    Nach dem Motto schreiben viele sog. Gutachter, was der Auftraggeber erwartet und bezahlt.

  • Nun, Open Source hat keine finanzstarke Lobby und kann "nur" mit Vernunft und Kompetenz punkten.

    Ich bin der Ueberzeugung, das in einer Informationsgesellschaft alle (!) in der öffentlichen Verwaltung anfallenden Protokolle, Formate und Schnittstellen offen standardisiert sein müssen, denn nur so kann der Bürger (dessen Dienstleister ja die Verwaltung ist) anbieterunabhängige wie plattformtransparente Dienste erbringen. Die Entwicklung hin zu Open Source wäre dann - wenn auch langsam aber sukzessive - selbstverständlich, abgesehen von ggf einzelnen Spezialanwendungen, die aber durch den Zwang zu offenen Standards interoperabel wie austauschbar werden.

    Die Datenhaltung ganzer kommunaler Archive in dem geschlossenen Format eines amerikanischen Herstellers bergen Kostenrisiken, welche heute noch gar nicht überblickbar sind. Dennoch zahlt der Staat eine Menge Fördergeld für die Migration von Papier nach MS Office - man kann nur munkeln, wessen Interessen da massgeblich sind.

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