Dieses ist inzwischen ohne Globalisierung auch nicht mehr denkbar – so wie das iPhone.
Im Frühherbst verwandelt sich Gegend um den Münchner Hauptbahnhof stets in einen einzigen Basar für Original Bavarian Lederhosen. Hirschlederne hießen die früher. Heute allerdings werden sie vorzugsweise aus gegerbten Schweinehäuten gefertigt – in sri-lankischen Fabriken, die man seinerzeit Sweat-Shops genannt hätte. Das liegt daran, dass für Rotwild Schonzeiten gelten, nicht aber für billige Arbeitskräfte in Drittweltländern. Hirschen also kann man heutzutage nicht mehr so leicht das Fell über die Ohren ziehen.
Das iPhone nun kommt da auf zweierlei Weise mit hinein. Einmal ganz direkt in die kleine Seitentasche rechts an der Hirsch- respektive Schweinsledernen. Eigentlich gehört in die ein Dolch. Aber das wäre dann doch Legacy. Wenn da aber statt dessen ein iPhone steckt, halten das viele auch für recht zünftig.
Und im übertragenen Sinne hat das Nobel-Gadget mit der traditionellen Ausgeh-Uniform herbstlicher Trinker ebenfalls viel gemein. Beide bringen gutes Geld in die Metropolen, einmal an den Münchner Hauptbahnhof, das andere Mal nach Cupertino.
Gerade mal gut 200 Dollar kostet die Hardware eines iPhone, steht auf silicon.de. Für 600 bis über 800 Dollar wird es verkauft. Die Differenz ist für ein paar Apps, ein bisschen iOS und ansonsten dazu da, um den Kurs der Apple-Aktie in jene aufsehenerregende Rekordhöhen zu treiben.
Ermöglicht wird das Ganze durch Apple’s Sweat-Shop. Der heißt Foxconn und zeichnet sich dadurch aus, dass es sich darin bedeutend unangenehmer schwitzt als in einem Wiesn-Zelt. Vor zwei Jahren geriet der Apple-Zulieferer in die Schlagzeilen, weil sich Arbeiter aus Verzweiflung vom Dach ihres Wohnheims in den Tod stürzten.
Diesem markenschädigenden Verhalten begegnete man mit Fangnetzen an den Kasernen der Wanderarbeiter und mit einer Berechnung, die Steve Jobs in Person und im US-Fernsehen anstellte. Demnach ist – irgendwie richtig betrachtet – die Suizidrate in den iSweat-Shops auch nicht höher als in den USA, dem iHome-Market. Sowas konnte dieser Mann vorrechnen, ohne dabei rot zu werden. Er war halt ein Genie.
Und ausgerechnet jetzt, zum Verkaufsstart des iPhone 5, hätten beinahe wieder ein paar Tausend von den 1,2 Millionen Foxconn-Arbeitern den Apple-Fans das Einkaufserlebnis und dem Unternehmen das Geschäft verdorben. In einem Werk gab’s Aufruhr, offiziell eine Massenschlägerei aus persönlichem Anlass.
„Apple drohen wegen Krawall in iPhone-Fabrik Lieferengpässe“ befürchtete schon die Aargauer Zeitung. Die SZ meldete: „Produktion gestoppt“. Und die BZ: „Apple-Zulieferer Foxconn dicht“. Die Welt schließlich sorgte sich darum, ob „Apples Verkaufsmotor“ abgewürgt werden könnte.
Ein ganz kritischer Geist in Bild behauptete dann noch, Foxconn würde seine Arbeiter „wie Roboter“ behandeln. – Das stimmt natürlich nicht und kann so nicht stehen bleiben. Ein richtiger Industrieroboter kostet schließlich ein paar Zehntausend Euro. Und mit solchen Geräten wird dementsprechend pfleglich umgegangen.
Schon seit geraumer Zeit rätseln feinfühlige US-Blogger ja über der Frage, ob es ethisch verantwortbar sei, ein iPhone zu besitzen. Diese lässt sich allerdings nur dahingehend beantworten, dass es moralisch ungefähr so vertretbar sein dürfte, wie ein Galaxy-Smartphone zu haben. Die Zustände in den chinesischen Fabriken von Foxconn und Samsung sind wohl vergleichbar.
Aber am Dienstag gab dann zum Glück der Stern Entwarnung: „Foxconn-Werk nimmt Betrieb wieder auf“. – Alles ist also wieder gut. Die iPhone-Dichte auf der Wiesn hat auch nicht unter dem dummen Zwischenfall gelitten. Dutzende Besucher knipsen mit dem Telefon ihre vom Alkohol derangierten Freunde und Geschäftspartner.
Der Schreiber konnte sich gestern selbst davon überzeugen. Ein russisches IT-Sicherheitsunternehmen hatte ihn eingeladen. Journalisten sind schließlich für kleine Geschenke sehr empfänglich, unsereins allerdings nicht für allzu viele, weil: Mehr als ein Mass geht halt einfach nicht.
Aber schön war’s! Die Blaskapelle intonierte: „Ein Prosit, ein Prooosit der Gemühühtlichkeit!…“ Und der Russe gegenüber – ein sehr zurückhaltender junger Mann übrigens, der sich als einer der Wenigen im Zelt nicht mit einer Hirschledernen verkleidet hatte – fragte, was denn der professionelle Trunkenbold-Imitator auf Bühne, von dem er gerade ein Erinnerungsfoto mit seinem Handy geschossen hatte, gerufen habe.
Tja, so was ist schwierig zu beantworten. Denn: Was heißt „G’suffa!“ gleich wieder auf Russisch – oder wenigstens auf Englisch?
Na ja. Aber das ist dann doch eines der geringsten Probleme, die die Globalisierung mit sich bringt.
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