Es ist mal wieder einer jener Abende, an denen man am PC hängen geblieben ist. Aber was will man auch machen? Man kann es sich halt nicht aussuchen.
IT-Sicherheit hat Konjunktur. Die Leute merken, wie die vermeintlich schicken Gadgets, wofür sie ihr meist schwer verdientes Geld oder ihre Freiheit bei der Provider-Wahl hingegeben haben, sich mehr und mehr als ekelige Wanzen herausstellen, die zudem noch von Viren und anderem digitalen Ungeziefer befallen werden.
Also muss man jetzt darüber schreiben, solange es dafür eine Nachfrage gibt. Wohlfeile Worte des Bedauerns über die Lage des von der binären Pest bedrohten Users fließen einem pflichtschuldigst in die Tastatur.
„Sollen sich nicht so haben“, raunzt da eine Stimme aus dem Nichts. – Wer…? – „Na, ich, der Zombie. Den Mist, den du wieder tippst, den kann ich doch wirklich nicht auf meine Drop-Zone hochladen. Wie würde ich da denn dastehen?“
Ein digitaler Untoter, aufgestiegen aus den tiefsten Abgründen des Windows-Systemverzeichnisses. Ein binärer apokalyptischer Reiter auf einem trojanischen Pferd. Und er scheint, Arbeitsethos zu haben, dieser Zombie.
Er ist halt ein Bot. Das Wort kommt vom tschechischen „robota“, arbeiten. Man merkt’s ihm an. Eigentlich macht ihn das ja richtig sympathisch. Man fühlt eine gewisse Seelenverwandtschaft. Er ist eigen, aber irgendwie ein Kollege.
Er beruhigt sich denn auch schnell wieder und erzählt von seinen Sorgen – dass anständige Arbeit heutzutage einfach nichts mehr gilt angesichts der Globalisierung und der Billigkonkurrenz. „Was ist ein Botnet gegen Facebook?“ jammert er. „Eine Milliarde User! So viele Rechner kann unsereins doch nicht einmal im Drei-Schicht-Betrieb infizieren.“
Er habe seinerzeit ja noch gelernt, wie man Zero-Day-Lücken nutzt, erinnert er sich wehmütig. „Um einen Arbeitsplatz auf einem Rechner zu bekommen, musste man damals richtig was können! Aber diese neumodischen Bots, diese Apps…“ – er schüttelt sich vor Abscheu – „die laden sich die Konsumenten selber auf den Rechner. Selbstbedienungs-Malware sei das, schimpft er, und billig, „richtig billig“.
Jetzt regt er sich doch wieder auf. Vielleicht sollte man ihn etwas beruhigen: Na ja, das war doch schon immer so. Was haben die Leute nicht schon alles für ein Linsengericht verkauft? Ihr Erstgeburtsrecht…
„Hör auf mit deinen biblischen Geschichten“, blafft er. „Die kenn’ ich alle. Ich arbeite schließlich schon seit über einem Jahrzehnt auf deinem Rechner. Der Markt für immaterielle Güter war damals noch absolut hochpreisig. Heute hingegen lassen sich die Leute ihre Privatsphäre doch schon mit einem Cookie abknöpfen. Linsen, dass ich nicht lache!“
Er ist wirklich schlecht drauf, der Zombie. Und dann erzählt er seine Geschichte, nichts Besonderes eigentlich, nur die ganz gewöhnlich traurige Geschichte eines Untoten.
Gleich nach seiner Kompilation leistete er seinen Wehrdienst ab. „Estland, Georgien, Operation Shady Rat, ich war dabei“, plustert er sich auf. – Und schön war’s, gell? Kameradschaft hat geherrscht. Und gesoffen habt ihr. – „Jau,“ grunzt er, „wenn wir gerade keine dDoS-Attacken geritten haben, dann haben wir Daten gesaugt bis Oberkante Unterlippe.“
Anschließend ging’s ihm dann nicht mehr so gut. „Irgendwas mit Internet“ wollte er halt machen, hat eine Marketing-Ausbildung durchlaufen und anschließend eine Zeit lang in seinem so erlernten Beruf als Spam-Bot gearbeitet. „Das ist vielleicht dröge“, schaudert er, „ständig kommunizierst du – im Transitiv! – und immer die gleiche Botschaft. Aber nur ein Trottel pro tausend Zugemüllten springt drauf an.“
Und seine Chefs? – „Du immer mit deinen Führungspersönlichkeiten“, grummelt er, „ich hab’ alles gelesen, was du gespeichert hast, auch die Kopie von diesem Zeitungsartikel in deinem Verzeichnis ‚Realsatire’, den mit der Headline ‚Führen heißt dienen’. Von meinem Server kam immer bloß eines: Command and Control.“
Warum, so fragt man sich, soll das in der Virtualität auch anders sein als sonst? Der Zombie hat dann noch vergeblich versucht, sich verbeamten zu lassen. Aber die geplanten Stellen für Bundestrojaner und Staatstrojaner sind bislang nicht geschaffen worden.
Darüber ist er alt geworden. Jetzt möchte sich noch ein paar schöne Jahrhunderte machen und einen neuen Untodes-Abschnitt beginnen. Migrieren will er zu einer schönen Zombie-Dame, die er kennengelernt hat – über’s Internet, versteht sich. „Ganz zarte, grüne Haut hat sie“, schwärmt er.
Und: „Sie ist Apple-Spezialistin“, fügt er stolz hinzu. Man gönnt den beiden ihr Glück. Finanziell ausgesorgt müssten sie ja haben – bei dem iBoom der letzten Jahre.
„Nö“, widerspricht der Zombie und schaut wieder traurig aus seinen eingefallenen Augenhöhlen, „sie war fast ihren ganzen Untod lang arbeitslos. Bei Apple gibt’s für Unsereins einfach nichts zu tun.“
Ja, ja, die legendäre Apple-Sicherheit. – „Quatsch, die greifen die User-Daten selber ab. Da bleibt für uns einfach nichts mehr übrig.“
Themenwechsel! Rasch, bevor ihn die Depression völlig packt. Jemand mit Arbeitsethos wie er lässt sich ja leicht ablenken. Für wen er denn jetzt gerade arbeite.
„.va“, flüstert er verschwörerisch. – .va? – „Na, die TLD. Mein Bot-Herder ist der oberste aller Hirten.“
Jetzt entwickelt sich die nette Plauderei doch zum Albtraum. Ist der Zombie vielleicht auf Suche nach Blasphemischem auf dem Rechner?
Stockdunkel wird’s. Zefix!
Die Stromsparfunktion hat den Bildschirm ausgeschaltet. So ist sie konfiguriert. Nach 15 Minuten ohne Aktivität geht die Hintergrundbeleuchtung aus.
Eingeschlafen vorm PC! Vielleicht sollte man wirklich nicht so lange arbeiten. Aber IT-Sicherheit hat halt gerade Konjunktur. Und da muss man drüber schreiben, solange es Nachfrage gibt.
Ob der Zombie wohl glücklich wird mit der Dame seines kalten Herzens in der neuen schicken Welt, wohin er migriert? Man wünscht es ihm.
Obwohl: Da gab’s ja schon mal so eine Geschichte mit einem Apple und einer schönen Eva. Zum Glück glaubt er nicht an so was. Aber Geschichte nahm ein böses Ende.
Also, Zombie, altes Stück Malware, pass auf dich auf! Du weißt ja – für dich auf Englisch – Life is a bitch. And then you die! Aber es wird schon schiefgehen. Zumindest Letzteres kann dir schließlich nicht mehr passieren.
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