Zu viele Nörgler? Geschlossene Entwicklung bei Ubuntu
Es mag vielleicht auch eine gute Portion Marketing dabei sein. Aber für die nächste Version der verbreiteten Linux-Distribution Ubuntu werden nicht alle Entwickler an allen Funktionen mitarbeiten dürfen, wie das bisher der Fall war.
In seinem Bloghatte der Canonical-Gründer Mark Shuttleworth jetzt angekündigt, dass einige Funktionen der Version 13.04, Code-Name Raring Ringtail, unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen wird. “Auf dem Weg hin zur Version 13.04 gibt es einige Bereiche mit einem großen Tada-Faktor.” Shuttleworth wolle nun sichergehen, dass diese neuen Funktionen ausgereift sind, bevor man sie einer größeren Öffentlichkeit vorstellt.
Daher wolle Canonical zwar auch weiterhin mit Community-Mitgliedern zusammenarbeiten, allerdings werden das Entwickler sein, die sich bereits in der Vergangenheit das Vertrauen von Canonical erworben haben. Shuttlewort sei sich sicher, dass das Interesse an den neuen Funktionen groß sein werde und dass, sobald diese öffentlich gemacht wurden, auch viele daran mitarbeiten wollen.
“Wir haben es auf beide Arten ausprobiert und am Ende haben wir festgestellt, dass Kritiker eben Kritiker sind, egal ob man mit ihnen eine Idee im Vorfeld diskutiert oder nicht. Sich selbst die Möglichkeit zu geben, an etwas zu arbeiten und es verfeinern zu können, bis man das Gefühl hat, es ist fertig, hat daher gewisse Vorteile: Man hat Zeit, etwas zu bauen, man kann beurteilt werden, wenn man fertig ist und man hat einfach deutlich mehr Schlagkraft, wenn man seine Geschichte erzählt”, so Shuttleworth weiter.
Möglicherweise hat die umfangreiche Kritik zur Unitiy-Oberfläche von Ubuntu dazu beigetragen, dass Canonical jetzt diesen Schritt einführt. Und Shuttleworth will darin auch keine Abkehr vom Community-Modell missverstanden wissen. Schnell bemühte er sich, diese Position klarzustellen:
“Nichts in dem gestrigen Post darüber, dass wir jetzt Mitglieder der Community zu vertraulichen Projekten einladen”, so schreibt er in einem weiteren Blog, “soll darauf hindeuten, dass der Entwicklungsprozess bei Ubuntu weniger offen wird.”
Aber das ist natürlich der Eindruck, der auf den ersten Blick sofort entsteht, wenn nur gewisse, vertrauenswürdige Personen zur Entwicklung von einzelnen Funktionen zugelassen werden. Doch genau dieser Eindruck solle laut Shuttleworth nicht enstehen: “Was ich gestern und spontan vorgeschlagen habe, ist, Community-Member zu Projekten einzuladen, an denen wir persönlich arbeiten und das auch noch zu einem Zeitpunkt, bevor wir in der Lage sind, diese öffentlich mitzuteilen. Das bedeutet, dass es hier noch weniger Ubuntu gibt, das nicht von Canonical-Mitarbeitern gestaltet und poliert wurde. Wir glauben, dass dieser Schritt gut aufgenommen wird. Und das könnte Canonical sogar noch transparenter machen.”
Zumal ja Canonical schon seit geraumer Zeit, neue Standards bei der Transparenz setze. So sei hier schließlich jeder, der eine gewisse Begeisterung für das Thema mitbringe, eingeladen, an dem Projekt mitzuarbeiten. Bei Red Hats Fedora-Projekt hingegen sei es damals noch Voraussetzung gewesen, bei Red Hat angestellt zu sein.
“Wir wollen diese Tradtion fortsetzen, mit einem Leadership Community Council, das nach wie vor nicht voraussetzt, dass man bei Canonical angestellt ist, anders als bei unseren Konkurrenten. Nach wie vor ist jeder eingeladen am Design und der Entwicklung von Ubuntu mitzuarbeiten, was beim Ubuntu Development Summit und online über IRC und Launchpad stattfindet.”
Ubuntu mag vielleicht einer der ersten größeren Distributionen gewesen sein, die für sämtliche Interessierte offen stand. Doch inzwischen ist auch bei Fedora oder OpenSuse diese Beschränkung gefallen. Auch bei Googles Android-Entwicklung hat ein vergleichbarer Prozess eingesetzt.
Daher, so beruhigt Shuttleworth seine Kritiker, sollte man sich von der öffentlichen Hysterie anstecken lassen. Bei Canonical könne nun in jeder Phase der Entwicklung die Community mitarbeiten.
Es mag vielleicht tatsächlich so etwas sein, was der Brite als Sturm in der Teetasse bezeichnet. Denn viele Open-Source-Projekte treffen strategische Entscheidungen im Hinterstübchen hinter verschlossenen Türen. Es gibt auch Gegenbeispiele, wie etwa Debian. Hier läuft der gesamte Entscheidungsprozess zwar basisdemokratisch, dafür schleppt sich die Entscheidungsfindung häufig über sehr lange Zeiträume hinweg.
Und wenn man Shuttleworth glauben darf, soll ja die Community jetzt bereits zu einem Zeitpunkt involviert werden, in dem sie bislang nicht mitwirkte. Auf der anderen Seite, folgt Canonical nun auch dem Beispiel anderer Linux-Distributoren und auch dem von proprietären Plattformen wie Windows oder Mac OS X. Wenn es wirklich darum geht, Funktionen zu haben, die andere Plattformen nicht ausweisen können, dann ist die Entwicklung hinter verchlossenen Türen vielleicht der einzig gangbare Weg.