“67 Prozent der CIOs sehen Ihre Rolle zunehmend als Chief Innovation Officer”, eröffnet Trevor Bunker, Senior Vice President Global Pre-Sales, die Kundenkonferenz CA Expo in Mannheim. Das klingt, als ob der Ruf der vergangenen Jahre nach einem “neuen CIO” in den IT-Abteilungen angekommen wäre. In Wahrheit aber klaffen offenbar Selbst- und Fremdeinschätzung weit auseinander.
“IT und Business beurteilen ihre Bereitschaft Innovationen zu unterstützen ziemlich unterschiedlich”, so das eindeutige Ergebnis einer weltweiten Studie, die IDG Research Services im Auftrag von CA Technologies durchgeführt hat. Demnach rücken sich die IT-Verantwortlichen gerne ins rechte Licht, als diejenigen im Unternehmen, die Innovationen vorantreiben. Weite Teile des restlichen Top Managements sehen das aber offenbar anders: Die Defizite der IT würden sie daran hindern, Innovationen voranzutreiben, so die Klage des C-Levels. Eine fatale Kluft, die auch durch eine kürzlich veröffentliche Ernst&Young-Analyse belegt ist.
In dem Papier von CA Technologies finden sich darüber hinaus eine Reihe von Tipps, wie CIOs – nicht nur gefühlt – zu Innovationstreibern werden können. An oberster Stelle steht die Empfehlung, sich einen Überblick über die existierende Infrastruktur zu verschaffen. Das Ausmisten ineffektiver Applikationen und Services einerseits und die verstärkte Automation von Standard-Aufgaben andererseits, setze Ressourcen frei. Ressourcen, die für IT-getriebene Innovationen genutzt werden können.
Wie das konkret funktionieren kann, erklärt beispielsweise Michael Tufar, Senior Consultant bei CA Technologies. In fünf Punkten beschreibt er den Weg zum optimalen Portfolio-Mix aus Cloud- und On-Premise-Services. Eine Mischung, die jedes Unternehmen individuell für sich zusammenstellen muss – gerade deshalb alles andere als eine triviale Aufgabe. Das Kategorisieren der Anwendungen steht ganz oben auf der Liste von Tufar.
Es folgt unter anderem das Analysieren jeder Anwendung, unter Berücksichtigung der eigenen Bewertungsgrößen. “Dazu gehört auch die Befragung von Kollegen, Anwendern, Helpdesk-Mitarbeitern und Stakeholdern”, beschreibt der Cloud-Experte den mühsamen Prozess. Erst danach sei es möglich, für jede Anwendung eine Risiko-Analyse zu erstellen, um dann im letzten Schritt zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden. Der nordeuropäischen Finanzkonzern Nordea beispielsweise hat laut Tufar sechs Monate benötigt, um auf diese Weise rund 3300 Applikationen auszuwerten.
Am Ende des Modells steht ein Quadrant, der aufgliedert, welche Anwendungen abgeschafft werden können, welche erneuert werden müssen und welche in einem Cloud-Modell am besten aufgehoben sind. Fragt der Vorstand nach Preisen, Kostenstrukturen und dem Nutzen einzelner Projekte, finden sich unter anderem in diesem Quadranten konkrete Antworten. CA-Berater Tufar sieht die IT als “Katalysator für Innovationen” und CIOs als “Portfolio-Strategen”. Das lange gültige Rollenbild des IT-Chefs als IT-Verwalter schwingt hier noch mit.
Wie aber im letzten Schritt aus dem IT-Strategen ein Business-Innovator wird, beschreibt der Deutschlandchef von CA Technologies, Christoph Rau, im Gespräch mit silicon.de. “IT-Abteilungen arbeiten oft zu reaktiv”, kritisiert er die aktuelle Situation in vielen Unternehmen. Gleichzeitig äußert Rau Verständnis: “Von der Business-Seite werden beständig höhere Anforderungen an die IT-Abteilungen gestellt.” So würden in immer kürzeren Zeitabständen schnellere, kostengünstigere und hochwertigere Lösungen gefordert. Angesichts der gleichzeitig sinkenden Budgets spricht Rau hier von einer “Quadratur des Kreises”.
Gelingen könne dieses Kunststück mit Hilfe von Service Virtualisierung – ein allgegenwärtiges Schlagwort auf der Mannheimer Konferenz. Dahinter steckt die Idee, dass IT-Teams für die Entwicklung und Tests eine virtuelle Service-Umgebung einrichten können. Diese Umgebung empfindet eine reale Produktionsumgebung nach und hat die Fähigkeit, variable Parameter einzustellen, um verschiedene Szenarien zu testen – ohne, dass dafür auf eine spezielle Testumgebung gewechselt werden muss. Der Bedarf an entsprechenden Lösungen wie CA LISA scheint hoch, gerade in Deutschland.
Zwei Drittel (71 Prozent) der deutschen Teilnehmer der Studie Business Benefits of Service Virtualization gaben an, dass der Ruf ihrer IT-Abteilung leidet, weil für Software-Applikationen keine zeitgemäßen Entwicklungs- und Testverfahren angewendet werden. Die Folge seien vor allem Qualitäts- und Zeit-Probleme bei der Applikations-Einführung, Schwachstellen in Perfomance-Tests sowie Probleme beim Probebetrieb.
“Mit Service Virtualisierung kann man schnell nachvollziehen, wie hoch der ROI (Return on Investment) ist”, bringt Rau den Businesss-Nutzen der Technologie auf den Punkt. Auch CIOs empfiehlt er diesen Argumentationsansatz. “Wichtig ist, das Pferd nicht von hinten aufzuzäumen, sondern die Erfolgsaussichten in den Vordergrund zu stellen, die eine Anwendung liefern könnte.” Ein IT-Chef im Business-Gespräch müsse sich dieselben Fragen stellen wie im Kundengespräch, also “was ist das Ziel des Unternehmens” und “welche Probleme gibt es aktuell”. Technische Details zu Service-Virtualisierungs-Tools und Transformationsstrategien für das Anwendungsportfolio, haben am runden Tisch der Top-Manager demnach nichts zu suchen.
Viel öfter müsse es in solchen Gesprächen um mögliche Zukunftsszenarien gehen. “Business und IT müssen sich zusammensetzen, um herauszufinden, was machbar ist – es geht um ein Brainstorming jenseits des Budget-Drucks”, so Rau. Als Beispiel nennt er das Daimler-Projekt “Moovel”. Der Autohersteller bietet die Mobilitätsplattform seit einigen Tagen nach Stuttgart auch in Berlin an. Die App ist eine Art Reisehilfe in die Stadt, dafür verknüpft sie Angebote von Verkehrsbetrieben, Mitfahrzentralen und dem Daimler-eigenen Carsharing-Dienst Car2go. Auch E-Tickets für Bus, U- und S-Bahn können Nutzer über die App kaufen.
Mit Daimlers Kerngeschäft Autobau hat dieses Angebot nur noch am Rande zu tun, vielmehr ist das Produkt Teil des strategischen Wandels hin zum Mobilitätskonzern. “Das Produkt Auto wird hier virtualisiert”, sagt Rau und lobt sowohl die unternehmerische Weitsicht von Daimler-CEO Dieter Zetsche wie auch die Kreativität der beteiligten IT-Verantwortlichen.
Diese stehen beispielhaft für jene neue CIO-Generation, die sich selbst als “Chief Innovation Officer” versteht. Entscheidend dabei: Den IT-Chefs ist es ganz offensichtlich gelungen, dem Top-Management den Business-Nutzen einer Anwendung vorab zu verdeutlichen.
Das kann gerade bei etwas sperrigen Themen wie Service Virtualisierung zur echten Herausforderung werden. Vice President Bunker schickt die Teilnehmer der CA Expo deshalb zum Ende seiner Keynote unter anderem in den hinteren Bereich des Ausstellungsbereichs. Dort steht ein feuerroter Hubschrauber zum virtuellen Rundflug bereit. In der sicheren Simulation wird deutlich, wer sich als Pilot in einen echten Hubschrauber wagen könnte – oder lieber noch ein bisschen üben sollte.
Im Laufe des Konferenztages zeigt sich schnell, dass es sich offenbar lohnt, manchmal etwas weiter auszuholen, um IT greifbar zu machen. Der rote Hubschrauber war der unangefochtene Publikumsliebling der CA Expo 2012.
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